Ein Roman als Film
Zuerst sitzen wir im Dunklen. Angela Steidele platziert uns mit den ersten Zeilen ihres Romans in einem Kinosaal. Auf der Leinwand entspinnt sich eine Szene im Schnee: Greta Garbo eilt durch die Schweizer Landschaft.
„Wir sehen beim Lesen einen Film“, sagt die Autorin Angela Steidele im Gespräch mit
SWR Kultur. Diese Erzählhaltung werde den ganzen Roman über durchgehalten. Doch nach und nach wird einem klar: Dieses Dunkel hat auch eine metaphorische Ebene. Denn Angela Steidele folgt den Größen des Films wie Greta Garbo oder
Marlene Dietrich durch die dunklen Seiten des 20. Jahrhunderts.
Der Film als Propagandawerkzeug
Den Anstoß dazu hat der Film „Königin Christine“ gegeben, mit Greta Garbo in der Hauptrolle - Steideles „erste große Liebe“. Sie recherchierte zu Garbos Leben und ihren Filmen und wurde zur Expertin.
Diese Leidenschaft für Stumm- und Tonfilme blieb lange Zeit privat. Bis Steidele klargeworden sei, „dass heutzutage die filmchenbasierten sozialen Medien und die digitale Revolution, also ein krasser Medienwechsel, einen starken Anteil am neuerlichen Aufkommen des Faschismus haben und der Rückkehr der starken Männer, des Patriarchats, des Angriffs auf Frauenrechte, auf die Demokratie“, so Steidele.
Was ist wahr, was erfunden?
Sie sieht darin Parallelen zum frühen Film, insbesondere beim Übergang vom Stumm- zum Tonfilm ab 1930. Dieser Medienwechsel habe die Wahrnehmung der Wirklichkeit des Publikums erschüttert, sagt Angela Steidele.
Eine Filmproduktionsfirma wie die Ufa sei bewusst gegründet worden, um Propaganda-Filme zu produzieren. Das heißt, „es ging nie um Filmkunst, wie wir das vielleicht denken, sondern um Fälschung von Wirklichkeit“, so Steidele.
Feministische Antwort auf Thomas Manns „Der Zauberberg“
Ihr Roman „Ins Dunkel“ folgt den Spuren großer Filmstars wie Greta Garbo oder Marlene Dietrich von den 1920er bis in die 40er Jahre. In einem Schweizer Bergdorf blicken Greta Garbo und Erika Mann mit zwei Freundinnen auf diese wechselhafte Zeit, ihre Karrieren und wie sie sich zum Nationalsozialismus verhalten haben, zurück.
Vier Frauen in den verschneiten Schweizer Bergen. Angela Steideles Roman „Ins Dunkel“ sei auch eine „augenzwinkernde feministische Antwort“ auf
Thomas Manns „Der Zauberberg“. Gerade bei der Frage, wie es Kunst und Literatur mit der Politik halten, sei Thomas Mann eine besonders interessante Persönlichkeit.
Denn Thomas Manns Werk sei politikfrei und, so Steidele, sogar demokratiefeindlich: „Er hat keine einzige überzeugende Frauenfigur in seinem riesigen literarischen Oeuvre geschaffen. Ich bin Thomas Mann als Epiker unendlich verbunden. Alles, was ich von Erzählen weiß, habe ich von ihm gelernt. Und gleichzeitig bin ich als Demokratin und Feministin von einem wie Thomas Mann tief enttäuscht“, so Steidele.
Sie wünscht sich, dass die Leser und Leserinnen ihres Romans den „Schwung mitnehmen, dass es sich lohnt, für die Demokratie zu kämpfen“.