Jürgen Odszuck, Erster Bürgermeister von Heidelberg, und Dirk Hebel, Architekt und Professor für Nachhaltiges Bauen, sprechen über Urban Mining. Odszuck erläutert das größte Projekt Europas, bei dem 90 Prozent eines Stadtteils recycelt werden sollen. Sie diskutieren die Vorteile der Wiederverwendung von Baumaterialien und die Herausforderungen, die mit der Umsetzung verbunden sind. Hebel beleuchtet zudem das Potenzial des Urban Mining für nachhaltige Stadtentwicklung und die Notwendigkeit neuer Standards in der Bauindustrie.
Das Urban Mining-Projekt in Heidelberg zielt darauf ab, 90 Prozent der Materialien aus einem ehemaligen Stadtteil systematisch wiederzuverwenden, um CO2-Emissionen zu reduzieren.
Die Bauindustrie muss ihre Praktiken hin zu nachhaltiger Ressourcennutzung ändern, um den ökologischen Fußabdruck durch rechtliche und technische Herausforderungen zu minimieren.
Deep dives
Die Bedeutung der Baubranche für die Klimakrise
Die Baubranche spielt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise, da der Abriss und Neubau von Gebäuden erhebliche CO2-Emissionen verursachen. In Deutschland werden jährlich mindestens 14.000 Gebäude abgerissen, wobei viele wertvolle Materialien verloren gehen. Anstatt alte Materialien wiederzuverwenden, werden oft neue Rohstoffe gewonnen und um den Globus transportiert, was den ökologischen Fußabdruck weiter erhöht. Durch ein Umdenken in der Branche könnte die Wiederverwendung von Baumaterialien erheblich zur Reduzierung der Emissionen beitragen und den Kreislauf der Zerstörung und des Neubaus durchbrechen.
Urban Mining in Heidelberg
Heidelberg implementiert ein großes Urban Mining-Projekt, das als eines der größten in Europa gilt, um einen gesamten Stadtteil wiederzuverwenden. Dies beinhaltet die Wiederverwertung von 90 Prozent der Materialien aus dem ehemaligen Patrick Henry Village, einer ehemaligen Militärsiedlung. Die Stadt nutzt digitale Katastersysteme, um den Bestand und die Zusammensetzung der Baumaterialien zu erfassen und gezielte Wiederverwendungsstrategien zu entwickeln. Dieses Projekt veranschaulicht, wie alte Gebäude zu urbanen Minen werden können, die wertvolle Ressourcen bieten.
Herausforderungen und innovative Ansätze
Die Umsetzung des Urban Mining-Projekts in Heidelberg stellt die Verantwortlichen vor zahlreiche Herausforderungen, darunter die rechtliche Unsicherheit und technische Schwierigkeiten bei der Wiederverwendung von Materialien. Jürgen Ottschuk, der Baubürgermeister, betont die Notwendigkeit, proaktive Maßnahmen zu ergreifen und auch die Ängste der Beteiligten zu berücksichtigen. Das Ziel ist, alte Materialien zu erfassen, sie für Neubauten zu nutzen und den Abfall zu minimieren. Initiativen wie die Erstellung eines digitalen Gebäudematerialkatasters helfen dabei, vorhandene Ressourcen systematisch zu dokumentieren und zu vermarkten.
Der Wandel in der Baubranche
Der Trend hin zu einer nachhaltigen Bauweise wird durch politische Maßnahmen und die wachsende Nachfrage nach umweltfreundlichen Praktiken gefördert. In Deutschland wird ein Gebäuderessourcenpass eingeführt, der die Materialzusammensetzung von Neubauten dokumentiert und zukünftige Abrissprojekte effizienter gestaltet. Architekten und Bauunternehmen erkennen die dringende Notwendigkeit, ihre Herangehensweise zu ändern und alte Materialien wiederzuverwenden, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Dieser Paradigmenwechsel könnte dazu führen, dass der Bau nicht länger auf das Prinzip von 'Take-Make-Dispose' beruht, sondern in einem geschlossenen Kreislaufsystem funktioniert.
Haus abreißen, entsorgen, neu bauen - so läuft das in Deutschland in der Regel. Pro Jahr werden hierzulande mindestens 14.000 Gebäude abgerissen, schätzt die Deutsche Umwelthilfe. Mit diesem Kreislauf aus Zerstörung und Neubau ist die Baubranche für massive CO2-Emissionen verantwortlich.
Dabei stecken in alten Häusern viele wertvolle Teile und Rohstoffe, die man “abbauen” und wiederverwenden könnte. Sie sind sozusagen “urbane Minen”. Und wie immer gibt es Menschen, die als Erste vorangehen - und das Thema Bauen ganz neu denken: Jürgen Odszuck ist einer von ihnen. Er ist Erster Bürgermeister in Heidelberg – und seine Stadt setzt gerade das größte Urban Mining-Projekt Europas um: die Wiederverwendung eines ganzen Stadtteils. Jedenfalls fast: 90 Prozent sollen weitergenutzt oder recycelt werden. Das hat in diesem Maßstab noch niemand gemacht. In dieser Folge von “Mission Klima - Lösungen für die Krise” nehmen euch Susanne Tappe und Astrid Kühn von NDR Info mit nach Heidelberg und klären die Frage: Was bringt’s dem Klima. Und: Wie soll das klappen?
Zum Schluss kommt Dirk Hebel zu Wort, er ist Architekt und Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie - wie schätzt er das Potential für Urban Mining ein?
Nun die Frage an euch: Wie gefällt euch Mission Klima? Habt ihr Kritik, Anregungen, Lob? Gerne an klima@ndr.de