#272 Wahlerfolg der AfD: "Den Ernst der Lage nicht erkannt"
Sep 4, 2024
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Felix Steiner ist Teil des Thüringer Demokratieprojekts MOBIT und Fabian Virchow forscht zum Rechtsextremismus. Sie diskutieren über den Wahlerfolg der AfD und dessen dramatische Auswirkungen auf die Demokratie und Betroffene rechter Gewalt. Die beiden betonen das Versagen der politischen Mitte im Kampf gegen die extreme Rechte und reflektieren die Herausforderungen, denen Aktivisten in unsicheren Zeiten gegenüberstehen. Auch die Solidarität zwischen Ost- und Westdeutschland wird als zentrale Verantwortung hervorgehoben.
Der Wahlerfolg der AfD stellt eine gefährliche politische Zäsur dar, die die Demokratie und die Gesellschaft in Thüringen und Sachsen bedroht.
Die Unfähigkeit der politischen Mitte, aktiv gegen den Rechtsextremismus vorzugehen, fördert die Normalisierung extremistischer Ansichten in der Gesellschaft.
Zukünftige Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft und antifaschistischer Projekte sind essentiell, um den Herausforderungen durch die AfD entgegenzuwirken.
Deep dives
Protestbewegungen und politische Ignoranz
Anfang des Jahres gab es eine massive Protestbewegung gegen die völkischen Remigrationspläne, die weltweit eine der größten seit 1945 darstellt. Diese Millionen von Menschen wurden jedoch von der Politik kaum ernst genommen, was ein alarmierendes Signal für das politische System ist. Die demokratischen Parteien reagieren weitgehend defensiv und ziehen sich aus einer aktiven Vertretung einer vielfältigen Gesellschaft zurück. Dieser Mangel an Engagement könnte zur Normalisierung extremistischer Ansichten führen und die Rechte der Zivilgesellschaft weiter untergraben.
Zugang der AfD zu den Landtagswahlen
Bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wird die AfD zur stärksten politischen Kraft, was Folgen für die demokratischen Institutionen in den beiden Bundesländern hat. Der Erfolg dieser extrem rechten Partei war nicht überraschend, aber die Dimension ihrer Zustimmung ist besorgniserregend und könnte bereits vorhandene Spannungen in der Gesellschaft verstärken. Nach der Wahl äußern sich viele Menschen enttäuscht darüber, dass ihre Proteste und Bemühungen nicht zu einem anderen Wahlergebnis geführt haben. Die künftigen Koalitionsverhandlungen stehen unter dem Druck, die Demokratie zu schützen und extremen Ansichten keinen Raum zu geben.
Der Normalisierungsprozess der AfD
Die fortdauernde politische Normalisierung der AfD wird als ernstzunehmendes Problem beschrieben, da sie nicht nur als Protestpartei angesehen wird, sondern zunehmend als legitime politische Option dargestellt wird. Dies geschieht durch politische Akteure, die die AfD lediglich als eine reguläre Oppositionspartei betrachten und den Dialog mit ihr suchen. Diese Kommunikationspolitik könnte dazu führen, dass extrem rechte Standpunkte als legitim wahrgenommen werden, was der Demokratie schadet. Um diesem Trend entgegenzuwirken, ist eine klare Haltung und strategische Maßnahmen von den demokratischen Parteien erforderlich.
Ursachen des Aufstiegs der AfD
Die Gründe für den Wahlerfolg der AfD sind vielfältig und reichen von einer allgemeinen Parteienverdrossenheit bis hin zu sozialen und ökonomischen Ängsten. Die AfD hat es geschafft, sich so zu positionieren, dass sie in den populären Diskursen, insbesondere in Bezug auf Migration und nationale Identität, Resonanz findet. Die Stärkung des rechten Gedankenguts wird durch soziale Unruhen und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung gefördert, was den Erfolg der AfD weiter antreibt. Dies zeigt sich auch in der Altersstruktur der Wählerschaft, bei der die Zustimmung unter jungen Leuten erheblich zunimmt.
Solidarität und zivilgesellschaftliche Strukturen
In den kommenden Jahren wird die Förderung von Solidarität und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen als zentral angesehen, um den ansteigenden rechtsextremen Tendenzen entgegenzuwirken. Es ist wichtig, dass Menschen, die für eine demokratische und inklusive Gesellschaft eintreten, sich vernetzen und gegenseitige Unterstützung bieten, insbesondere in Zeiten eines zunehmenden Drucks seitens der AfD. Zudem sollten Organisationen, die antifaschistische und queere Projekte unterstützen, finanziell und politisch gestärkt werden. Eine aktive Zivilgesellschaft ist entscheidend, um eine progressive und emanzipatorische Antwort auf die Herausforderungen zu formulieren, die die sich verstärkende Rechte mit sich bringt.
Felix Steiner und Fabian Virchow über Wege vorwärts im Kampf gegen die Rechten
Es ist eine Zäsur: Mit der AfD wird im Nachkriegsdeutschland erstmals eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft bei einer Landtagswahl, mit dramatischen Folgen für Betroffene rechter Gewalt und die Demokratie. Im Dissens Podcast ordnen wir den Wahlerfolg der AfD ein, mit Felix Steiner vom thüringischen Demokratieprojekt MOBIT und Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow. Ein Gespräch über die Lage der Engagierten vor Ort, das Versagen der politischen Mitte im Kampf gegen Rechtsextremismus und antifaschistische Perspektiven.
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Felix Steiner studierte Politikwissenschaft und Germanistik an der Georg-August-Universität Göttingen. Seit 2013 arbeitet er für die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT). Außerdem schreibt er als Autor für verschiedene Medien zum Thema extreme Rechte.