
she drives mobility Trassenpreise, Sanierungsstau und unzählige Milliarden klimaschädliche Subventionen: Wo bleibt die grundsätzliche Strategie?
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Zusammen mit Carlo Severini aus der Schweiz habe ich mir eine dreitägige Exkursion der guten Dinge in der Mobilität überlegt. „Learn & Travel“ nenne ich das Format und es soll euch zeigen, dass alles möglich ist, wenn wir nur wollen. Schaut mal vorbei, ob das nicht auch für euch oder eine Person, die ihr kennt, eine gute Idee sein könnte!
In dieser Folge von She Drives Mobility spreche ich mit Vera Huwe und Niklas Höhne vom Dezernat Zukunft über die Finanzierung der deutschen Bahn, Trassenpreise und das neue Infrastruktur-Sondervermögen. Beide sind Ökonom*innen und beschäftigen sich mit öffentlichen Finanzen und der Frage, wie wir die Verkehrswende wirklich finanzieren können. Eine Folge über Zahlen, die zeigt: Die Diskussion über Bahnfinanzierung ist komplex, aber lösbar – wenn wir endlich eine konsistente Strategie entwickeln und von anderen Ländern lernen.
Vera Huwe hat eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben zu, im weiteren Sinne, Fragen von sozialem Klimaschutz im Verkehr und durfte damals zu meinem Buch „Autokorrektur“ beitragen. Jetzt arbeitet sie seit ungefähr einem Jahr für das Dezernat Zukunft, einen Think Tank in Berlin. Und wir beschäftigen uns vor allem mit öffentlichem Geld und öffentlicher Finanzierung. Niklas Höhne ist seit Anfang des Jahres beim Dezernat Zukunft und beschäftigt sich vor allem mit der Schnittstelle von Klimapolitik und Fiskalpolitik, also allem, was mit der Finanzierung von Klimapolitik zu tun hat.
Wir starten mit einem Reality-Check zum Bundeshaushalt. Immer wieder höre ich in Talkshows von Unions-Politikern, dass Deutschland ja so viel Geld für die Schiene ausgibt wie noch nie. Niklas erklärt, was dahinter steckt:
„Die gute Nachricht und das große positive Signal ist, dass es tatsächlich einen Mittelaufwuchs gibt. Das gilt für alle Verkehrsträger: für Wasserstraßen, für Straße, für Schiene und auch einen größeren Fokus auf den Bestand. Das ist erst mal gut, das finden wir super. Die Finanzierung wird so ein bisschen komplizierter. Wir haben seit Anfang des Jahres ein großes Sondervermögen dazu bekommen: 500 Milliarden über die nächsten 12 Jahre für Infrastruktur. Es wird aber nicht nur daraus finanziert, sondern auch aus dem Verkehrsetat und auch aus dem Verteidigungsetat.“
Vera ergänzt kritisch:
„Es ist tatsächlich so, dass wenn man sich die Zahlen anschaut, die jetzt so im Raum stehen – ich glaube, es sind über 80 Milliarden für die Schiene in den nächsten Jahren – dann klingt das erst mal nach sehr viel. Aber wenn man dann wirklich reinguckt und fragt: Okay, was davon ist wirklich zusätzlich? Was davon kommt aus dem Sondervermögen? Was kommt aus dem regulären Etat? Dann wird es schnell komplizierter. Und vor allem: Was davon geht wirklich in den Schienenausbau und in die Sanierung? Und was davon geht zum Beispiel an die Deutsche Bahn als Unternehmen für andere Zwecke?“
Ein zentrales Thema sind die Trassenpreise – ein Begriff, mit dem viele zunächst nichts anfangen können. Niklas erklärt: „Trassenpreise, das sind die Preise, die Eisenbahnverkehrsunternehmen – also die, die die Züge fahren – an den Infrastrukturbetreiber zahlen müssen, um die Schienen nutzen zu dürfen. Das ist so ähnlich wie eine Maut auf der Straße, nur eben für die Schiene.“ Vera bringt das Problem auf den Punkt: „Hohe Trassenpreise machen den Bahnverkehr teurer. Das trifft vor allem den Güterverkehr und den Fernverkehr. Und das macht die Bahn im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern weniger attraktiv.“
Wir schauen auch über die Grenze: Was machen die Schweiz und Österreich besser? Vera erklärt: „In der Schweiz gibt es zum Beispiel ein Fondsmodell. Das heißt, die Finanzierung der Schieneninfrastruktur läuft über einen eigenen Fonds, der langfristig angelegt ist und der auch aus verschiedenen Quellen gespeist wird – zum Beispiel aus Mineralölsteuern oder aus allgemeinen Haushaltsmitteln. Das gibt eine gewisse Planungssicherheit über längere Zeiträume.“ Niklas ergänzt zu Österreich: „Die haben kein Fondsmodell, aber die geben 30-jährige Finanzierungszusagen aus, zum Teil sogar noch länger. Also einfach sehr langläufige Finanzierung. Das nimmt für den Moment so ein bisschen Druck raus.“
Vera zieht ein wichtiges Fazit: „Ich glaube, die Lösung liegt nicht darin zu sagen, wir machen es wie die Schweiz oder wir machen es genau wie Österreich, sondern wir können ja mal schauen: Was funktioniert in der Schweiz gut? So ein Fondsmodell ist, glaube ich, keine schlechte Idee. Und was funktioniert in Österreich gut? Bestimmt die längerfristigen Finanzierungsrahmen funktionieren da gut. Und uns da eine Lösung draus schneidern. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, andere machen uns das schon vor, wie es in Teilen besser geht.“
Beim Blick in die Zukunft wird Niklas realistisch: „Ich habe schon das Gefühl, dass wir jetzt durch diese Debatte, die wir anders führen um Schulden und das Sondervermögen, noch mal einen anderen Fokus auf die Schiene gesetzt haben. Das ist ein guter Startschuss. Ich glaube, wir haben jetzt schon darüber diskutiert, dass es längst nicht weit genug geht, aber es ist ein guter Startschuss. Ich glaube nur, zur Ehrlichkeit der Debatte gehört auch, dass selbst wenn wir jetzt alle richtigen Weichen stellen, selbst wenn wir jetzt wirklich die Priorität auf die Schiene setzen, das Problem wird sich nicht von heute auf morgen lösen. Wir haben es uns ja über Jahrzehnte aufgebaut, das Problem.“
Vera konkretisiert die Herausforderungen: „Der Sanierungsstau ist wirklich enorm. Den haben wir wirklich über lange Jahre aufgebaut, und es wird bis in die frühen 30er hinein dauern. Also deshalb: Die Investitionsbedarfe steigen jetzt erst mal bis 2030 mindestens. Danach nehmen die auch wieder ab, wenn wir das schaffen, den Sanierungsstau gut aufzulösen. Und auch die Reformen, die es wirklich braucht, um da mittelfristig auf bessere Füße zu kommen, sind wirklich ein großes Brett. Also die Trassenpreisreform, die ist im Koalitionsvertrag schon angekündigt, die ist auch in der Bahnstrategie angekündigt. Aber das ist ein dickes Brett.“
Zum Abschluss stelle ich die Gretchenfrage nach den Prioritäten: Warum gibt es eigentlich noch fossile Autosubventionen?
Ich rechne vor: „3,7 Milliarden Euro pro Jahr bis 2027, dann hätten wir ein flächendeckendes On-Demand-Bus-System. Und das ist deutlich weniger als die Ausgaben für das Dienstwagenprivileg für einige. Für mich ist es einfach auch nicht, das Auto abzuschaffen, aber es zurückzuführen in eine Egalität von Verkehrsträgern.“
Niklas stimmt zu: „Das ist ein total guter Punkt. Der Punkt Dienstwagenprivileg oder klimaschädliche Subventionen insgesamt, wo mehr als 60 Milliarden im Jahr drin liegen – das kann man nicht alles von heute auf morgen wegradieren. Aber dazu zumindest anzusetzen und zu sagen: Okay, wenn wir schon mit dem scharfen Blick auf den Haushalt schauen und irgendwie diesen Haushalt aufstellen wollen, dann müssen wir auch mit dem scharfen Blick auf klimaschädliche Subventionen schauen. Und ich glaube, das fehlt mir gerade noch. Und da sind wir wieder beim Thema: Wo ist denn die grundsätzliche Strategie, die das alles miteinander verzahnt?“
