
NachDenkSeiten – Die kritische Website Bundesregierung zu Welle von Kontokündigungen bei Regierungskritikern: „Wir sind ein freies Land“
Am 9. Dezember hat die DKP bekanntgegeben, dass ihr die GLS-Bank ohne weitere Begründung alle Konten gekündigt hat. Kurz vor der Kündigung hatte die Bank bei der DKP mit dem Verweis „dringend“ Informationen zu einer Spendenaktion für Kuba eingefordert. Zuvor waren dieses Jahr bereits die Konten zahlreicher regierungskritischer Journalisten wie z.B. Gaby Weber, Aya Velázquez und Flavio von Witzleben sowie von Verlagen (Mehring Verlag) und Radiostationen (Kontrafunk) aufgekündigt worden. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung ausschließen kann, dass einzelne Ministerien Druck auf die entsprechenden Banken ausgeübt haben, und wie Kanzler Merz grundsätzlich die zunehmende Tendenz zum „Debanking“ von regierungskritischen Stimmen in Deutschland bewertet. Von Florian Warweg.
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Hintergrund
Die GLS-Bank, die sich selbst als „nachhaltig, sozial und kooperativ“ beschreibt und mit dem Slogan wirbt „Schafft Raum für Vielfalt“, hat zum 31. Dezember 2025 die Konten des Parteivorstands der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie zahlreicher Untergliederungen gekündigt. Die Kündigung erfolgte ohne Angabe von Gründen.
In einer Pressemitteilung nannte die DKP das Vorgehen allerdings „offensichtlich politisch motiviert“ und begründete dies auch:
„Eine erste Irritation im Umgang zwischen der DKP und der GLS-Bank trat im September auf. Eine Mitarbeiterin der GLS-Bank bat „dringend“ um „Informationen zu der Nutzung“ der Konten. Sie präzisierte in ihrer Mail: „Insbesondere benötige ich Informationen zu der Spendenaktion für Kuba.“ Die DKP stellte alle gewünschten Angaben fristgerecht zur Verfügung, erhielt aber auch auf Nachfrage, wozu die Informationen benötigt werden, keine Antwort. Stattdessen erfolgte die schriftliche Kündigung der DKP-Konten zum 31. Dezember. Danach waren die Verantwortlichen der Bank für die DKP nicht mehr zu sprechen. Eine Vielzahl von Anrufversuchen und Mails liefen ins Leere.“
Im Gespräch mit den NachDenkSeiten erklärte Klaus Leger, Leiter Finanzkommission bei der DKP, dass die GLS selbst einräumt, dass die Kündigung der Konten „nicht auf einer souveränen internen Entscheidung der GLS-Bank“ beruhte:
„Am späten Nachmittag des 10. Dezember erhielt ich einen Anruf von zwei Vertretern der GLS-Bank Der erste Kontakt seit der Kündigung. Sie zeigten sich persönlich betroffen von der politischen Einordnung der Kündigung in unseren öffentlichen Stellungnahmen. Formell wichen sie nicht von der AGB-Linie ihrer Kündigung ab, machten aber deutlich, dass es Druck von außen gab und die Kündigung nicht auf einer souveränen internen Entscheidung der GLS-Bank beruht. Auf meine Frage, ob die Einflussnahme durch den Verfassungsschutz erfolgte, wollten die GLS-Vertreter nicht näher eingehen, dementierten dies aber auch nicht.“
Dies war mitnichten die einzige Kontokündigung der GLS gegen kritische Geister. Erst Anfang November kündigte die GLS das Geschäftskonto der freien Journalistin Aya Velazquez, bekannt geworden u.a. durch die Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Protokolle, ebenfalls ohne jede weitere Begründung:
Juhu, meine erste Kontokündigung! Nachdem ich versucht habe, mein öffentliches Pseudonym als Alias anzumelden, damit meine Unterstützer bei Überweisungen keine Fehlermeldung mehr erhalten, wurde mir seitens der GLS-Bank kommentarlos das Geschäftskonto gekündigt.
Ich hatte… pic.twitter.com/jN2DE6XtSS
— Aya Velázquez (@aya_velazquez) November 8, 2025
Zahlreiche weitere Fälle von „Debanking“ bei regierungskritischen Journalisten, Verlagen und Radiostationen
Allein in diesem Jahr gab es bereits zahlreiche weitere Konto-Kündigungen bei Journalisten, Medienportalen und Verlagen. Anbei eine unvollständige Übersicht:
Anfang Dezember 2025 gab der freie Journalist Flavio von Witzleben bekannt, dass ihm die Sparkasse Karlsruhe sein Geschäftskonto gekündigt hat.
Nun hat es mich auch erwischt: Die Sparkasse Karlsruhe hat ohne Angabe von Gründen mein Geschäftskonto gekündigt. Ich hatte seit jungen Jahren bei dieser Bank mein Konto und mit einem derartigen Schritt nicht gerechnet. Die Bank gefährdet damit meine Existenz. Es ist… pic.twitter.com/IP8nT9gXU9
— Flavio von Witzleben (@WitzlebenFlavio) December 2, 2025
Gegenüber der Berliner Zeitung bezeichnete er den Vorgang als „Versuch der Einschüchterung“ aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit. Auf Rückfragen seinerseits habe die Bank lediglich mitgeteilt, dass es „gravierende Gründe“ gebe, ohne dies näher auszuführen. Auch auf eine Presseanfrage der Berliner Zeitung zu den Vorwürfen und rechtlichen Fragen verweigerte die Sparkasse jede Form einer inhaltlichen Stellungnahme und erklärte lediglich:
„Die Sparkasse Karlsruhe beachtet die geltende Rechtsordnung. Dazu gehört auch das Bankgeheimnis. Das bedeutet, dass sich die Sparkasse Karlsruhe nicht zu bestehenden oder nicht bestehenden Kundenbeziehungen äußert.“.
Anfang Mai 2025 hatte die zur Deutschen Bank gehörende Postbank das Geschäftskonto des Mehring-Verlags sowie im Juni das Privatkonto des Geschäftsführers Wolfgang Zimmermann ohne Angabe von Gründen gekündigt. Der Verlag ist auf sozialistische Literatur spezialisiert und positioniert sich kritisch zum aktuell herrschenden Gesellschaftsmodell.
In einer Pressemitteilung dazu heißt es unter anderem:
„Die Kündigung des Geschäftskontos, die bereits zum 28. Juli wirksam wird, zielt darauf ab, die Arbeit des Mehring Verlags zu sabotieren und die Verbreitung seiner Bücher zu behindern. Andere Gründe dafür gibt es nicht. Der Mehring Verlag und seine Vorgänger haben seit ihrer Gründung vor 45 Jahren ein Konto bei der Postbank unterhalten, die inzwischen vollständig in die Deutsche Bank integriert worden ist, ohne dass es ein einziges Mal zu einer Beanstandung kam.
Was die Kündigung des Kontos des Geschäftsführers betrifft, handelt es sich um persönliche Schikane. Es ist rein privat und steht in keinem Zusammenhang zum Verlag. (…) Die Banken arbeiten dabei eng mit dem Verfassungsschutz zusammen.“
Im Februar 2025 kündigte die Commerzbank-Tochter Comdirect der Publizistin und Filmemacherin Gaby Weber ein Spendenkonto, auf dem sie Gelder für Gerichtsprozesse zur Durchsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes sammelte. Weber führt unter anderem Klage auf Akteneinsicht zum Zwecke journalistischer Recherche gegen das Bundeskanzleramt, den BND und die Deutsche Bundesbank.
In einem Beitrag für das Overton-Magazin unter dem Titel „De-Banking oder: die Rache der Bundesbank?“ schildert Weber die näheren Umstände der Kündigung.
Der Radiosender Kontrafunk gab am 5. Februar 2025 bekannt, dass ihm die Volksbank Pirna ohne Angaben von Gründen das Geschäftskonto gekündigt habe:
5.765 Euro: soviele Kontoführungsgebühren hat die Kontrafunk AG im vergangenen Jahr an die Volksbank Pirna bezahlt für ein Konto, das immer im Haben war und null Risiko darstellt. Also kein schlechtes Geschäft für die Bank. Trotzdem wurden wir soeben rausgeworfen. Natürlich ohne…
— kontrafunk (@kontrafunk) February 5, 2025
Die Indifferenz der deutschen Journalistenverbände
Für die zwei großen deutschen Journalistenverbände, die Deutsche Journalisten Union (DJU) sowie den Deutschen Journalisten Verband (DJV), scheint diese Welle an Kontokündigungen kein Thema zu sein. Auf Anfrage von Multipolar erklärte der DJV, laut Selbstdarstellung „einer der größten Journalismus-Organisationen in Europa“, dass bislang ja keine eigenen Mitglieder betroffen seien, zudem ließe sich die politische Motivation bei den verantwortlichen Banken „nicht beweisen“, dies sei folglich „als Grundlage für Aktivitäten zu dürftig.“
Die zur Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gehörende DJU teilte ebenfalls mit, dass man gegen „Debanking“ von Journalisten bislang nicht öffentlich tätig werden will. Zugang zu einem Bankkonto sei gesetzlich geregelt, Widersprüche gegen Kontokündigungen folglich „in geordneten Verfahren“ möglich. Den Fällen der bisher betroffenen regierungskritischen Journalisten lägen „sicherlich Einzelfallentscheidungen“ zugrunde. Aufgrund „fehlender Informationen“ könne die DJU diese Fälle auch nicht bewerten, grundsätzlich sei aber zu sagen, die Pressefreiheit in Deutschland gelte „ungeschmälert“.
Fazit
Pressefreiheit gilt laut den genannten Journalistenverbänden ungeschmälert – allerdings sollte man es mit dem Ausleben dieser „Frei-heit“ bitte nicht übertreiben, sonst könnte man recht schnell konto-frei dastehen – wie die aufgezählten Fälle recht eindringlich aufzeigen …
Auszug aus der Regierungspressekonferenz vom 10. Dezember 2025
Frage Warweg
Die DKP hat am 9. Dezember bekanntgegeben, dass ihr die GLS-Bank ohne weitere Begründung alle Konten gekündigt hat. Kurz vor der Kündigung hatte die Bank allerdings bei der DKP mit Verweis auf Dringlichkeit Informationen zu einer Spendenaktion für Kuba eingefordert. Vor dem Hintergrund würde mich vom Wirtschaftsministerium und vom BMI interessieren, ob beide Ministerien umfassend ausschließen können, dass sie sowie die ihnen unterstehenden Behörden wie Verfassungsschutz oder BAFA entsprechend Druck auf die Bank ausgeübt haben. – Fangen wir mit dem Wirtschaftsministerium an?
BPK-Vorsitzende Wefers
Sind Sie dafür zuständig, oder wie verhält sich das? – Das sieht mir gerade nicht so aus.
Können Sie da weiterhelfen, Frau Dr. Kock?
Dr. Kock (BMI)
Ich kann da aus dem Stand auch nicht weiterhelfen.
Zusatz Warweg
Gut. Vielleicht können Sie ja etwas nachreichen.
Ich hätte trotzdem noch eine Nachfrage: Das sogenannte „debanking“ hat in diesem Jahr nicht nur die DKP getroffen, sondern auch einige sich regierungskritisch äußernde Journalisten wie Gabi Weber, Flavio von Witzleben, Aya Velázquez sowie Verlage, den Mehring Verlag zum Beispiel, oder Radiostationen wie Kontrafunk. Da würde mich die Haltung des Kanzlers interessieren. Besorgt ihn diese zunehmende Tendenz des „debankings“ von regierungskritischen Stimmen, oder ist das etwas, was er als durchaus legitim betrachtet?
Vize-Regierungssprecher Meyer
Was der Bundeskanzler als legitim betrachtet, ist Kritik an der deutschen Bundesregierung. Wir sind hier ein freies Land, in dem man die Bundesregierung selbstverständlich kritisieren kann. Das gehört, glaube ich, zu den Grundzügen unseres Zusammenlebens in einer freiheitlichen Demokratie. – Das ist das, was ich dazu sagen mag.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 10.12.2025
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