Von Shakespeare zu Unrecht verdammt: Die Demontage einer Königin
Apr 23, 2025
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Imke Lichterfeld, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Bonn, beleuchtet die faszinierende Figur der Margarete von Anjou, die vom gefeierten Juwel zur gefürchteten Herrscherin wurde. Sie diskutiert Shakespeares verfehlte Darstellung der Königin als 'Wölfin von Frankreich' und vergleicht sie mit fiktiven Figuren wie Cersei Lannister aus 'Game of Thrones'. Das Gespräch thematisiert ihren erbitterten Kampf während der Rosenkriege, die politischen Intrigen und die eisernen Machenschaften hinter einer tragischen Geschichte, die von Genderrollen und Machtspielen geprägt ist.
Margarete von Anjou wird oft als blutrünstige Antagonistin dargestellt, was ihre komplexe Rolle in der Geschichte verzerrt hat.
Moderne Forschungsansätze fördern eine differenzierte Neubewertung Margaretes, um ihre tatsächlichen Herausforderungen und Beiträge hervorzuheben.
Deep dives
Die Figur Margarete von Anjou
Margarete von Anjou wird als eine komplexe und faszinierende Persönlichkeit dargestellt, deren Charakterzüge sowohl blutrünstige als auch starke Facetten aufweisen. Ihre Heiratsallianz mit König Heinrich VI. von England, die während des Hundertjährigen Krieges geschlossen wurde, sollte den Frieden zwischen den feindlichen Ländern besiegeln, obwohl sie auch als Grund für die späteren Konflikte in England gesehen wurde. Margarete wird oft als die Antagonistin in Shakespeares Dramen beschrieben, was dazu führt, dass ihr historisches Bild stark negativ geprägt wurde. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch die politischen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert war, als ihr Mann aufgrund einer psychischen Erkrankung regierungsunfähig wurde, was sie in eine entscheidende Rolle in der Geschichte zwang.
Die Auswirkungen der Chronistik und Shakespeares Darstellung
Die Darstellungen von Margarete in den Chroniken und insbesondere in Shakespeares Werken haben maßgeblich zu ihrem schlechten Ruf beigetragen, was die Wahrnehmung der Geschichte beeinflusste. Während Margarete anfangs als Heldin galt, verwandelte sich ihr Image durch die Schilderungen in der Literatur in das einer blutrünstigen Schurkin. Shakespeare benutzte kreative Elemente, um Margarete als grausame Figur darzustellen, etwa indem er ihr fiktive Taten zuschrieb, die in der Realität nicht stattgefunden haben konnten. Diese verzerrte Sichtweise, verstärkt durch späteren Chronisten, setzte sich über Jahrhunderte hinweg fort und formte die öffentliche Meinung über sie.
Neuabwertung und historische Forschung
In der modernen Geschichtsforschung wird Margarete von Anjou endlich neu bewertet, was insbesondere mit dem Einfluss feministischer Ansätze zusammenhängt. Historikerinnen und Historiker untersuchen nun nicht nur bekannte Quellen, sondern auch bisher übersehene Dokumente, um ein differenzierteres Bild von Margaretes Rolle zu erhalten. Dieser Ansatz zeigt, wie Geschichtsschreibung von der Wahrnehmung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft geprägt wird und wie Frauen in historischen Kontexten oft durch männliche Perspektiven diskreditiert wurden. Der Prozess der Neubewertung ihrer Figur ist noch im Gange, da Forscherinnen daran arbeiten, die narrative Kontrolle über Margaretes Geschichte zurückzugewinnen und ihr eine angemessenere Stimme zu verleihen.
Am 23.4.1445 heiratet Margarete von Anjou den englischen König Heinrich VI. - erst gefeiert, später wird sie zur Schurkin stilisiert. Sie inspiriert auch Game of Thrones.
In diesem Zeitzeichen erzählt Maren Gottschalk:
warum Shakespeare die Königin als "Wölfin von Frankreich" beschimpft,
wie die historische Person Margarete von Anjou wirklich ist,
welche Rolle sie in den "Rosenkriegen" zwischen den Häusern Lancaster und York spielt,
wie diese Fehde zum Vorbild für die TV-Kultserie "Game of Thrones" wird,
wieso Margarete von Anjou in Frankreich stirbt.
Jahrhundertelang gilt Königin Margarete von Anjou in der Geschichtsschreibung und in der Literatur als blutrünstige Antiheldin, die ihre Gegner kleinredet. Tatsächlich tritt sie in den ersten Jahren ihres Königinnen-Daseins politisch wenig in Erscheinung. Doch dann erleidet ihr Mann 1453 einen schweren Zusammenbruch und verfällt in einen tranceartigen Zustand.
In dieser Situation trifft Margarete eine Entscheidung: Sie will den Thron für ihren Mann und ihren Sohn bewahren. Sie nimmt den Kampf auf und stellt sich allen, die ihrem Mann die Krone streitig machen. Das kommt nicht gut an.
Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
Dr. Imke Lichterfeld (Studiengangsleiterin am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Universität Bonn)
Myriam Dudli (Mediävistin und Anglistin, Autorin der Masterarbeit "CDA analysis of Margaret of Anjou’s Changing Depiction in English Chronicles" an der Universität Zürich)
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