Ellen Heinrichs, Gründerin des Bonn-Institut für Journalismus und konstruktiven Dialog, spricht über die Herausforderungen des Journalismus in Krisenzeiten. Sie erläutert, wie konstruktiver Journalismus nicht nur Missstände aufzeigt, sondern auch Lösungen bietet und Dialog fördert. Die Bedeutung des Lokaljournalismus wird hervorgehoben, um Gesellschaft und Demokratie zu stärken. Heinrichs diskutiert außerdem, wie Journalisten die News-Müdigkeit überwinden und konstruktive Ansätze zum Klimawandel kommunizieren können.
Konstruktiver Journalismus zielt darauf ab, positive Lösungen und Perspektiven aufzuzeigen und die Verantwortung der Medien zu stärken.
Lokaljournalismus spielt eine entscheidende Rolle im konstruktiven Journalismus, indem er die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinschaft adressiert und Vertrauen zurückgewinnt.
Deep dives
Die Herausforderung der Nachrichtenberichterstattung
Journalisten sehen sich heutzutage mit einer Vielzahl von Krisen konfrontiert, die die Nachrichtenschlagzeilen dominieren. Die anhaltende Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise überfluten die Medien und hinterlassen bei den Lesern ein Gefühl der Überwältigung und Hilflosigkeit. Diese, oft als Negativity Bias bezeichnete Tendenz, führt dazu, dass negative Meldungen überproportional hervorgehoben werden, was viele Menschen dazu bringt, sich von Nachrichten abzuwenden oder sie ganz zu vermeiden. Der Druck, ständig über die neuesten Krisen zu berichten, lässt kaum Raum für positive Entwicklungen oder konstruktive Lösungsansätze, was den öffentlichen Diskurs beeinträchtigt und auch die Verantwortung des Journalismus in Frage stellt.
Konstruktiver Journalismus als Lösung
Konstruktiver Journalismus wird als Ansatz vorgestellt, der den Fokus von der bloßen Problembeschreibung hin zu Lösungen und positiven Narrativen lenkt. Diese Form des Journalismus möchte nicht nur die aktuellen Herausforderungen beleuchten, sondern auch alternative Lösungsansätze aufzeigen und eine stärkere Verbindung zur Gemeinschaft herstellen. Statt zu berichten, wie andere es schlecht machen, sollen Journalisten nach Beispielen suchen, wo Dinge gut laufen und diese Geschichten erzählen, um das öffentliche Bewusstsein zu fördern. Durch diese Herangehensweise wird der Journalismus dazu angeregt, sich als Teil der Lösung zu sehen, anstatt nur als kritische Instanz zu agieren.
Die Rolle des Lokaljournalismus
Lokaljournalismus wird hervorgehoben als eine zentrale Säule des konstruktiven Journalismus, die es ermöglicht, spezifische Bedürfnisse der Gemeinschaft zu erkennen und zu adressieren. Die enge Verbindung zu den Lesern ermöglicht es den Lokaljournalisten, relevante Themen anzusprechen und die Stimmungen ihrer Communities widerzuspiegeln. Trotz der ökonomischen Herausforderungen, mit denen der Lokaljournalismus konfrontiert ist, bleibt er eine wertvolle Ressource für direkte, lösungsorientierte Berichterstattung. Die Wiederbelebung und Stärkung des Lokaljournalismus könnte nationalen Medien helfen, den Bezug zu den Bedürfnissen der Bürger zu wahren und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Zukunft des Journalismus: Relevanz und Verantwortung
Die Diskussion über den konstruktiven Journalismus thematisiert auch die Verantwortung der Medien, relevante und nützliche Informationen bereitzustellen, die das Publikum ansprechen und motivieren. Journalisten müssen lernen, nicht nur passive Berichterstattung zu liefern, sondern aktiv Lösungen und Perspektiven zu präsentieren, die handlungsfähige Antworten bieten. Ein Wandel in der journalistischen Praxis ist erforderlich, bei dem Probleme nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Kontext von Lösungen und positiven Beispielen dargestellt werden. Diese Perspektive kann das Erlebnis der Nachrichtennutzer verbessern und somit die Relevanz des Journalismus in der öffentlichen Wahrnehmung erhöhen.
Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen, humanitäre Katastrophen wie in Syrien, Afghanistan oder dem Jemen oder das schwindende Vertrauen in die Demokratie: Kann der Journalismus auf Feldern wie diesen mehr als Missstände aufzeigen? Kann er aktiv dazu beitragen, dass diese behoben werden? Und wenn Ja, wie? Die Vertreter:innen des „Konstruktiven Journalismus“ erheben den Anspruch, dass dieser nicht nur informiert, aufklärt, einordnet, kontrolliert - sondern darüber hinaus Lösungsansätze aufzeigt, Handlungsspielräume benennt, Verantwortliche adressiert, Dialog führt, Perspektiven erweitert. Wo liegen die Anwendungsbereiche für diesen Ansatz? Und wie kann er helfen in Zeiten, wo Krieg in Europa herrscht, Krisen weltweit Frieden und Sicherheit bedrohen? Das diskutieren die Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und der SZ-Autor Nils Minkmar in der aktuellen, siebten Folge von „quoted. der medienpodcast“. Zu Gast: Ellen Heinrichs, Gründerin des Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog.
„quoted. der medienpodcast“, alle 14 Tage donnerstags. Eine Kooperation der CIVIS Medienstiftung für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa und der Süddeutschen Zeitung, gefördert von der Stiftung Mercator.