Jagoda Marinić – Wie kann gesellschaftlicher Wandel gelingen?
Oct 9, 2024
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Jagoda Marinić, Schriftstellerin und ehemalige Leiterin des Interkulturellen Zentrums Heidelberg, diskutiert über gesellschaftlichen Wandel und Identität. Sie reflektiert über ihre Kindheit und die Herausforderungen von Einwandererfamilien. Themen wie die Balance zwischen Sanftmut und Härte, die Kunst des Geschichtenerzählens und die Rolle von Träumen in der Gesellschaft stehen im Mittelpunkt. Zudem wird die Bedeutung von Bildung und Integration für Kinder mit Migrationshintergrund betont.
Die Akzeptanz gesellschaftlicher Strukturen kann das Gefühl von Freiheit und die Möglichkeit zu persönlichem Wandel stark einschränken.
Träumer werden oft marginalisiert, jedoch sind Vorstellungskraft und Träumen entscheidend für sozialen und individuellen Wandel.
Die Identität von Einwanderern ist eng mit ihren Erlebnissen verknüpft und prägt deren Platz in der Gesellschaft maßgeblich.
Ein interkulturelles Zentrum erfordert ein Umdenken hin zu einer ressourcenorientierten Perspektive auf Migranten und deren Potenziale.
Umstrittene Emotionen wie Wut können sowohl als Triebkraft als auch als Hindernis wahrgenommen werden, was eine Balance zwischen Wut und Sanftmut erfordert.
Deep dives
Der Blick auf Strukturen
Es wird betont, dass viele Menschen unter einem erheblichen Leidensdruck leiden, weil sie gesellschaftliche und persönliche Strukturen als gegeben akzeptieren. Diese Strukturen beeinflussen das Gefühl von Freiheit und die Möglichkeit, neue Hypothesen zu formulieren und verschiedene Lebensansätze auszuprobieren. Besonders in Bezug auf Staatsbürgerschaften wird erörtert, dass das Verständnis der Macht, die ein Pass mit sich bringt, oft nur von denjenigen geschätzt wird, die ihn nicht besitzen. Der Traum von Freiheit und der Idee, dass eine persönliche Neugestaltung möglich ist, spielt eine zentrale Rolle in diesem Diskurs.
Der Wert der Vorstellungskraft
Es wird herausgestellt, dass Träumer oft als unerreichbare Idealisten betrachtet werden, während Macher in der Gesellschaft mehr anerkannt werden. Dabei wird betont, dass die Vorstellungskraft und das Träumen auch entscheidend für den persönlichen und gesellschaftlichen Wandel sind. Der Druck der Realität kann die Sicht auf die Wichtigkeit des Träumens trüben. Der Gast teilt die Auffassung, dass es schade ist, dass Träumer oft marginalisiert werden und nicht die gleiche Wertschätzung erfahren wie Macher.
Die Suche nach Identität
Im Gespräch wird deutlich, dass die Identität von Einwanderern und ihre Erlebnisse einen erheblichen Einfluss auf ihr Leben haben, insbesondere in der deutschen Gesellschaft. Es wird eine Auseinandersetzung mit der eigenen Identität angeregt, die oft durch äußere Wahrnehmungen geprägt ist. Insbesondere wird die Bedeutung der eigenen Geschichte und der kulturellen Wurzeln hervorgehoben. Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen und verschiedene Identitäten zu leben, wird als wertvoll erachtet.
Gesellschaftlicher Wandel
Der Gast spricht über die Schaffung eines interkulturellen Zentrums und die Notwendigkeit, bestehende Strukturen zu hinterfragen und neu zu gestalten. Die Idee, dass Veränderungen in der Gesellschaft von der Zusammenarbeit vieler Menschen abhängen, wird betont. Ein wichtiges Anliegen ist es, die Sichtweise auf Migranten von einer defizitären zu einer ressourcenorientierten Perspektive zu verändern. Es wird eine Vision präsentiert, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gefördert wird.
Die Rolle der Wut
Wut wird als Emotion thematisiert, die sowohl als Triebkraft als auch als Hindernis wahrgenommen wird. Der Gast erkennt an, dass Wut oft als reaktive Kraft eingesetzt wird, um Ungerechtigkeiten zu benennen, jedoch auch dazu führen kann, dass die eigene Perspektive verzerrt wird. Es wird diskutiert, wie wichtig es ist, die eigene Wut zu verarbeiten und stattdessen eine sanftere Herangehensweise zu finden, um konstruktiv zu wirken. Die Balance zwischen Wut und Sanftmut wird als essenziell für persönliche und gesellschaftliche Entwicklungen angesehen.
Die Wichtigkeit von Begegnungen
Im Gespräch wird die Bedeutung von Begegnungen in einer diversen Gesellschaft hervorgehoben. Der Gast betont, dass der Austausch zwischen Kulturen und Menschen eine Grundlage für ein besseres Miteinander ist. Es wird festgestellt, dass solche Interaktionen helfen, Vorurteile abzubauen und Brücken zu bauen. Durch gemeinsame Erfahrungen können neue Narrative entstehen, die die Komplexität der Gesellschaft widerspiegeln.
Der Wandel in der Wahrnehmung
Es wird thematisiert, dass viele Deutsche oft mit einer Defizitwahrnehmung gegenüber Migranten und Minderheiten konfrontiert sind. Dadurch wird die Sicht auf die Potenziale und Stärken von Einwanderern eingeschränkt. Der Gast argumentiert, dass es notwendig ist, diese Wahrnehmung zu verändern, um eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Dies geschieht, indem man die positiven Geschichten und Erfolge von Einwanderern in den Vordergrund stellt.
Die Herausforderung von Identität und Raum
Der Gast erläutert, wie wichtig es ist, in der Gesellschaft Räume zu schaffen, in denen jeder Mensch Teilhat und seine Identität entfalten kann. Es wird auf die Herausforderungen eingegangen, die auftreten, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen und Hintergründen in einen gemeinsamen Raum kommen. Anhand von persönlichen Erfahrungen wird diskutiert, wie solche Räume gestaltet werden können, um sowohl individuelle als auch kollektive Geschichten zu fördern. Es wird betont, dass ein respektvoller Umgang miteinander die Grundlage für ein harmonisches Miteinander ist.
Der Einfluss der persönlichen Geschichte
Der Einfluss der persönlichen Geschichte auf das individuelle Wachstum und die Identitätsbildung wird ausführlich thematisiert. Die Erzählungen von Einwanderern und deren Erfahrungen in Deutschland zeigen, wie wichtig es ist, die eigene Geschichte zu kennen und weiterzugeben. Diese Geschichten helfen nicht nur bei der Verarbeitung von Erlebnissen, sondern auch beim Schaffen eines Zugehörigkeitsgefühls. Der Gast glaubt fest daran, dass die Anerkennung und Wertschätzung dieser Geschichten zu einem besseren Verständnis innerhalb der Gesellschaft führen kann.
Die Notwendigkeit von Veränderung
Im Gespräch wird die Dringlichkeit betont, bestehende gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen und aktiv zu verändern. Der Gast ermutigt dazu, nicht nur aus dem eigenen Blickwinkel zu denken, sondern auch anderen Perspektiven Raum zu geben. Dabei wird die Rolle der Bildung als Schlüssel zu einer besseren Gesellschaft hervorgehoben. Es wird gefordert, dass der Wandel von den etablierten Strukturen und Institutionen unterstützt werden muss, um einen dauerhaften Einfluss zu erzielen.
Jagoda ist Schriftstellerin, Kolumnistin, Podcasterin und ehemalige Leiterin des Interkulturellen Zentrums Heidelberg.
In ihrem Podcast “Freiheit Deluxe” interviewt sie alle zwei Wochen Personen des öffentlichen Lebens und philosophiert mit ihnen über die Definition und Einordnung von Freiheit.
Ich wollte von Jagoda wissen, was sie selbst mit dem Thema verbindet und welche Ereignisse aus ihrer Kindheit sie darin geprägt haben, die zu werden, die sie heute ist. Anfangs war das noch etwas holprig, weil Jagoda wesentlich lieber über gesellschaftspolitische Themen als über sich selbst spricht – später haben wir dann aber, wie ich finde, eine schöne Mischung hinbekommen. Wir sprechen über Gewohnheiten, Mut, Angst und Traumwelten, über Sanftmut und Radikalität.