#25 2021 Über Korruption, Angriffe auf den Rechtsstaat und Postenschacher - mit Walter Geyer
Jun 29, 2021
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Walter Geyer, ehemaliger Chef der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft, spricht über die schleichenden Gefahren der Korruption und die moralische Verantwortung von Politiker:innen. Er erläutert, wie politische Angriffe auf die Justiz das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben können. Geyer warnt vor Postenschacher, der zu autokratischen Tendenzen führen kann, und betont die Notwendigkeit ethischer Überlegungen im politischen Handeln. Zudem diskutiert er, wie die Unabhängigkeit von Staatsanwälten gestärkt werden kann, um korruptive Einflüsse zu minimieren.
Korruption gefährdet das Vertrauen in politische Institutionen, weshalb starke Anti-Korruptionsmaßnahmen zur Sicherung von Transparenz erforderlich sind.
Politiker sollten nicht nur rechtliche, sondern auch moralische Verantwortung übernehmen, um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zu stärken.
Politischer Postenschacher führt zu ineffizienten Strukturen und gefährdet die Unabhängigkeit von Institutionen, was autokratischen Tendenzen Vorschub leisten kann.
Deep dives
Korruption als ernsthafte Bedrohung für den Rechtsstaat
Korruption ist eine bedeutende Gefahr für den Rechtsstaat, da sie das Vertrauen in politische Institutionen untergräbt. Der Gastgeber und der Gast beschreiben, wie korruptive Praktiken nicht nur Einzelfälle sind, sondern auch dazu neigen, sich innerhalb von Organisationen auszubreiten und eine Kultur der Unaufrichtigkeit zu schaffen. Die Erfahrung des Gastes als Staatsanwalt zeigt, dass Korruption oft für Außenstehende schwer erkennbar ist und nur durch Zufälle aufgedeckt werden kann. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, starke Antikorruptionsmaßnahmen zu implementieren, um Transparenz und Verantwortung in politischen und wirtschaftlichen Bereichen zu gewährleisten.
Moralische Verantwortung politischer Akteure
Politiker tragen eine nicht nur rechtliche, sondern auch eine moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Im Verlauf des Gesprächs wird betont, dass die Handlungen von Entscheidern weitreichende Konsequenzen haben können und sie als Vorbilder fungieren sollten. Ein Beispiel ist die Vorstellung, dass moralisch verwerfliches Verhalten von Politikern nicht politisch opportun sein kann. Diese ethischen Standards sind essenziell für das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und sollten über die bloße Einhaltung von Gesetzen hinausgehen.
Die Gefahren politischer Postenbesetzungen
Das Thema der politischen Postenbesetzungen wird als potenzielle Quelle für autokratische Strukturen angesehen. Es wird erörtert, dass die Praxis, Posten nach politischen Beziehungen statt nach objektiven Kriterien zu besetzen, zu einer Abhängigkeit führt, die die Unabhängigkeit der Institutionen gefährdet. Der Gast argumentiert, dass solche Vorgehensweisen nicht nur ineffizient sind, sondern auch die Gefahr bergen, dass unfähige oder nicht vertrauenswürdige Personen in Machtpositionen gelangen. Eine transparente und nachvollziehbare Bestimmung von Posten ist somit entscheidend für das Funktionieren der Demokratie.
Die Rolle der Medien in der Demokratie
Freie und unabhängige Medien sind eine Grundsäule der Demokratie, die eine wichtige Kontrollfunktion über die Politik ausüben. Im Gespräch wird deutlich gemacht, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von staatlicher Förderung die Unabhängigkeit der Medien gefährden kann, was zu einem Verlust der Meinungsvielfalt führt. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass kritische Berichterstattung oft wirtschaftlichen Folgen ausgesetzt ist, was die Zeitungen und Medienhäuser unter Druck setzt, sich der politischen Agenda anzupassen. Um eine funktionierende Demokratie zu gewährleisten, sind klare gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich, um die Pressefreiheit zu schützen.
Die Wichtigkeit gesellschaftlicher Werte und Erziehung
Die Vermittlung moralischer Werte erfolgt hauptsächlich durch das Elternhaus und die Gesellschaft insgesamt. Der Gast betont, dass der Umgang der Staatsdiener und Politiker mit ethischen Anliegen entscheidend dafür ist, wie die Gesellschaft diese Werte internalisiert. Zudem wird die Notwendigkeit von Compliance-Systemen in Unternehmen hervorgehoben, um ein ethisches Geschäftsgebaren sicherzustellen. Diese Werte müssen fortlaufend hinterfragt und neu definiert werden, um sicherzustellen, dass Korruption und unethisches Verhalten in der Politik keinen Raum finden.
Walter Geyer war der erste Chef der 2009 gegründeten Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft und ist einer der Initiatoren des aktuellen Anti-Korruptions-Volksbegehrens. Mit Stefan Lassnig spricht er über die Besonderheiten, die korruptive Vorgänge so gefährlich machen und warum es problematisch ist, wenn sich eine gesamte politische Partei an den Angriffen auf die Justiz beteiligt. Geyer warnt davor, dass Änderungen im Rechtsstaat immer nur schleichend passieren und erklärt, wie die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften gestärkt werden könnte. Ausserdem beschreibt der Jurist, wie Politikerinnen und Politiker neben der rechtliche Ebene auch noch eine moralische Ebene berücksichtigen sollten und wie politischer "Postenschacher" möglicherweise zu autokratischen Systemen führen kann.
Diese Folge ist der Auftakt zum Themenschwerpunkt "Politik und Moral", der die nächsten Folgen von "Ganz offen gesagt" bis zur Sommerpause begleiten wird.