
SWR Kultur lesenswert - Literatur Ein leidenschaftliches Memoir: Anna Katharina Fröhlichs „Roberto und Ich“
Jul 21, 2025
04:08
Anna Katharina Fröhlichs neues Buch ist ein poetisches Memoir, eine Erinnerung an die erste Begegnung und die ersten Monate mit dem berühmten Mailänder Verleger und Autor Roberto Calasso.
Eine literarische Begegnung
Sie lernt ihn 1995 kennen – an einem Stand des Verlags Matthes & Seitz auf der Frankfurter Buchmesse, die sie zusammen mit ihrer Mutter besucht.Auch wenn ich in meinem grünen Kleid mit den Puffärmeln wie eine Komparsin aus einem Goldoni-Stück neben meiner Mutter stand, muss ich etwas so Heiteres und Verlockendes verströmt haben, dass Roberto nicht die Flucht ergriff, wie es oft seine Art war. Er war neugierig auf mich, bodenlos neugierig. Später schrieb er mir in einem Brief, dass meine Erscheinung eine Epiphanie für ihn gewesen sei.Die Puffärmel, Goldoni, eine Epiphanie: Von Anfang hat diese Annäherung in der Beschreibung Fröhlichs nicht nur etwas Überbordendes, sondern vor allem etwas Literarisches. Die nun beginnenden und sich immer weiter fortsetzenden Gespräche mit Calasso drehen sich um Bücher und Autoren, nicht um irgendwelche, sondern die absoluten und übergroßen der Weltliteratur. Für das Mittelmäßige sind sie beide nicht geschaffen. Aber das Szenario, das Fröhlich aus ihrer Erinnerung hervorzaubert, ist selbst Literatur. Ihre Protagonisten „Roberto und Ich“ verwandeln sich in Figuren aus Prousts „Recherche“ oder Balzacs menschlicher Komödie.Quelle: Anna Katharina Fröhlich – Roberto und Ich
Die junge Frau, die vor [Roberto Calasso] saß, war, wie eine Flickendecke aus verschiedenen Stoffresten, aus all den Büchern gemacht, die sie bis dahin gelesen hatte.Quelle: Anna Katharina Fröhlich – Roberto und Ich
Liebe, Literatur und Eros
Anna Katharina Fröhlich schildert die Wochen und Monate der Verliebtheit, die Verlustängste und Eifersucht, die gemeinsamen Reisen und Beschwörungen einer Zukunft mit einer großen Intensität: Da ist einerseits die noch sehr junge, von ihrem Äußeren überzeugte, mit ihren Reizen spielende Frau, die sich bei Fröhlich in eine Novellenfigur aus dem späten 19. Jahrhundert verwandelt. Sie will gefallen und lernen, wird angezogen von der intellektuellen Brillanz dieses Mannes, der ihr Vater sein könnte. Da ist andererseits der mit der Schriftstellerin Fleur Jaeggy verheiratete Calasso, der zwischen Abgeklärtheit und Enthusiasmus schwankt, diszipliniert ist und doch zu uneingeschränktem Genuss fähig. Ihm widmet Fröhlich ein liebevolles Porträt. En passant stellt sie Themen seines Werks vor, verbeugt sich voller Bewunderung vor dem geistreichen Schriftsteller. Gleichwohl flirrt dieses Buch von Erotik, auf eine zugleich kokette und dezente Weise, wie sie auch in einem Roman des 19. Jahrhunderts nicht schöner zu finden wäre.Zwischen Rausch und Abschied
Der ornamentale Stil hat etwas Berauschtes. Die gemeinsamen Lektüren von Calasso und Fröhlich sind förmlich in „Roberto und Ich“ eingesickert – als Spuren einer Literatur, die ästhetisch weder kompromissbereit ist noch Scheu vor Detailversessenheit und Grandezza hat. Man könnte das epigonal nennen. Vielleicht auch lasziv. Sogar ein bisschen angeberisch.Das Liebespaar von 1995, die modernen Nachfolger von Pluto und Proserpina, Venus und Zeit, Venus und Vulkan, das damals viel Staub aufgewirbelt hatte, existierte nicht mehr auf der Bühne der Welt, doch lebte es in mir weiter.Es ist bei Fröhlich aber zugleich von so schöner Originalität und von Lust befeuert, dass man ihr gerne zurück ins romanhaft entrückte Glück folgt und alle Maßlosigkeit verzeiht. Aber auch auf das Glück legt sich früh schon ein Schatten.Quelle: Anna Katharina Fröhlich – Roberto und Ich
