#757 - Jemen-Expertin Marie-Christine Heinze über den Krieg & die Huthis
Mar 6, 2025
auto_awesome
Marie-Christine Heinze, Expertin für Jemen und Vorstandsvorsitzende von CARPO, teilt ihre tiefgehenden Einblicke in die komplexe Geschichte und die geopolitischen Herausforderungen des Jemen. Sie diskutiert die Waffenkultur und die soziale Rolle des jemenitischen Dolches. Des Weiteren thematisiert sie die Rolle der Huthis im aktuellen Konflikt sowie die Einflüsse von internationalen Akteuren wie Saudi-Arabien und den USA auf die Situation. Abschließend beleuchtet sie die humanitäre Krise, die aus diesen dynamischen Konflikten resultiert.
Marie-Christine Heinze hebt die komplexen geopolitischen Beziehungen im Jemen hervor, die durch interne Konflikte und externe Interventionen geprägt sind.
Die CARPO-Organisation ist entscheidend für die Konfliktmediation und wirtschaftliche Stabilisierung im Jemen, wobei sie projektbasierte Mittel benötigt.
Der Konsum von Kat hat im Jemen nicht nur soziale, sondern auch politische Funktionen, indem er zur Diskussion und Rekrutierung beiträgt.
Die humanitäre Lage im Jemen bleibt katastrophal, da viele Menschen unter extremen Bedingungen leben und der Zugang zu Ressourcen eingeschränkt ist.
Die Houthis, als starke Kraft im Jemen, sind stark in die geopolitischen Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien verwickelt.
Internationale Unterstützung im Jemen erfordert ein Gleichgewicht zwischen humanitärer Hilfe und politischen Interessen, um effektive Veränderungen herbeizuführen.
Deep dives
CARPO und seine Mission
CARPO ist eine Organisation mit Sitz in Bonn, die sich auf Forschung, Beratung und Austausch zur Golfregion, einschließlich Jemen, spezialisiert hat. Die Organisation arbeitet an der Schnittstelle dieser drei Bereiche, um verschiedene Stakeholder zu beraten und aktive Konfliktmediation zu fördern. Das Ziel ist es, in der Region stabile Verhältnisse zu schaffen, indem sie Konfliktlinien deeskalieren und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren fördern. Besonders betont wird die Notwendigkeit, vor Ort handlungsfähig zu sein, was die Motivation zur Gründung von CARPO untermauert.
Geschichte und Entstehung
Die Gründung von CARPO wurde von einer Lücke in der akademischen Forschung über die Golfregion motiviert, sobald Mitglieder der Organisation den Wunsch äußerten, über die universitäre Forschung hinauszugehen. Das Team der Gründer kam aus unterschiedlichen akademischen Hintergründen, was dazu führte, dass CARPO nicht nur auf den Jemen fokussiert ist, sondern auch breitere regionale Interessen berücksichtigt. Der Wunsch nach angewandter Forschung und realen Auswirkungen auf die Region beeinflusste die Struktur und Zielsetzung der Organisation erheblich. CARPO betrachtet die Herausforderungen im Jemen nicht isoliert, sondern in einem größeren geopolitischen Kontext.
Projektfinanzierung und Herausforderungen
Die Finanzierung von CARPO erfolgt ausschließlich über projektbasierte Mittel, da institutionelle Förderungen nicht verfügbar sind. Aktuell bestehen mehrere laufende Projekte, häufig in Zusammenarbeit mit der EU und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Diese Projekte konzentrieren sich auf Themen wie Konfliktmediation und wirtschaftliche Stabilisierung im Jemen, was die Herausforderungen und Unsicherheiten der finanziellen Abhängigkeit verstärkt. Wenn finanzielle Unterstützung für aktuelle Projekte wegfällt, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Mitarbeiterschaft und die Projektverwirklichung haben.
Herausforderungen durch externe Einflüsse
Die Veränderungen in den international politischen Beziehungen, einschließlich des Rückzugs großer Geber wie USAID, führen zu einem intensiveren Wettbewerb um europäische Fördergelder. Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt, wird auch der Wettbewerb um Ressourcen für humanitäre Hilfe gesteigert. Diese Situation könnte CARPO in seiner Arbeit beeinflussen, da sie auf externe Mittel angewiesen ist. Daher sind Strategien zur Diversifizierung von Finanzierungsmöglichkeiten und die Suche nach neuen Projekten von größter Bedeutung.
Der Konflikt im Jemen
Der Podcast behandelt die komplexe Situation im Jemen, die durch einen Bürgerkrieg und humanitäre Krisen geprägt ist. Der Konflikt wurde durch interne politische Spannungen und externe Interventionen, insbesondere die saudisch geführte Koalition, noch verschärft. Die Houthis, die aus der nordjemenitischen Region stammen, haben sich als starke Macht etabliert, während die internationale Gemeinschaft mit der humanitären Krise kämpft. Diese Situation erfordert ständige Aufmerksamkeit und Anpassungen in der Politik und Strategie von CARPO und ähnlichen Organisationen.
Die Rolle von Kat im Alltag
Kat ist eine wichtige soziale Droge im Jemen, die im Alltag weit verbreitet ist und eine integrative soziale Funktion erfüllt. Männer versammeln sich, um Kat zu kauen, was nicht nur eine Form der sozialen Interaktion darstellt, sondern auch zur Mobilisierung und Rekrutierung von Kämpfern genutzt wird. Trotz der negativen gesundheitlichen Auswirkungen und des enormen Wasserverbrauchs bleibt Kat ein zentraler Bestandteil der jemenitischen Kultur. Die regelmäßigen Katchus bieten zudem eine Plattform für politische Diskussionen und das Knüpfen sozialer Kontakte.
Internationale Politik und Beziehungen
Die geopolitischen Beziehungen im Jemen sind stark durch den Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien beeinflusst, wo Houthis als iranische Unterstützer betrachtet werden. Trotz dieser Zuschreibung sind die Houthis bestrebt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und haben in der Vergangenheit Allianzen gebildet, die von Opportunismus geprägt sind. Die Möglichkeit einer regionalen Stabilität hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich einer diplomatischen Lösung und einer der wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen für die Bevölkerung. Der Einfluss internationaler Unterstützer ist entscheidend, könnte aber auch zu weiterer Destabilisierung führen.
Humanitäre Lage und Rückflüsse
Die humanitäre Situation im Jemen bleibt dramatisch, da ein großer Teil der Bevölkerung unter extremen Bedingungen lebt. Der Zugang zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmitteln ist stark eingeschränkt, und die Belastungen durch Inflation und einen schwachen Arbeitsmarkt nehmen zu. Internationale Organisationen versuchen, in dieser verzweifelten Lage zu helfen, stehen aber vor der Herausforderung, dass ihre Hilfen oft nicht ankommen oder aufgrund von politischen Instabilitäten eingeschränkt werden. Eine wiederhergestellte wirtschaftliche Stabilität ist entscheidend für eine positive Veränderung im Jemen.
Zukunft des Jemen
Die langfristige Zukunft des Jemens hängt stark von der politischen Entwicklung, der Möglichkeit einer stabilen Regierung und der Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft ab, den Konflikt nachhaltig anzugehen. Während sich die Houthis als dominante Kraft im Land etabliert haben, ist es ungewiss, ob eine friedliche Lösung des Konfliktes möglich ist. Entwicklungsstrategien und gesellschaftlicher Wiederaufbau sollten auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen abzielen, was bedeutend ist, um zukünftigen Konflikten vorzubeugen. Während der Dialog zwischen den rivalisierenden Akteuren im Gange ist, bleibt die Lage angespannt und unberechenbar.
Die Rolle internationaler Akteure
Die internationale Gemeinschaft, einschließlich Deutschlands, spielt eine entscheidende Rolle in der humanitären Hilfe und der politischen Unterstützung im Jemen. Die komplexen Netzwerke von Unterstützung und geopolitischen Interessen müssen sorgfältig balanciert werden, um effektive Hilfe zu leisten und die notwendigen Veränderungen zu fördern. Die Zunahme der Konkurrenz um Ressourcen und die Reaktionen auf den Ukraine-Konflikt könnten die Dynamik in der Region erneut beeinflussen. Die Handlungsstrategien müssen flexibel und anpassungsfähig bleiben, um auf die sich herausbildenden Krisen effektiv zu reagieren.
Soziale Dynamiken im Jemen
Der Podcast hebt hervor, dass trotz der anhaltenden Krise und des Konfliktes im Jemen das Potenzial für soziale und wirtschaftliche Entwicklungen besteht. Es gibt lokale Initiativen und Unternehmungen, die den Alltag und das Leben der Menschen verbessern könnten, wenn die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben wären. Die Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung zeigen, dass trotz der widrigen Umstände Hoffnung besteht. Die Bedeutung dieser sozialen Dynamiken darf in der Analyse der Situation im Jemen nicht vernachlässigt werden.
Zu Gast im Studio: Marie-Christin Heinze. Sie hält einen Master in Nahoststudien, Politikwissenschaft und internationalem und europäischem Recht (Universität Bonn, 2004), einen Master in Friedens- und Sicherheitsstudien (Universität Hamburg, 2006) und einen Doktor in Sozialanthropologie mit einer Dissertation über die soziale Rolle des jemenitischen Dolches (janbiya) (Universität Bielefeld, 2015). Seit 2008 arbeitet sie regelmäßig als Beraterin für Entwicklung, Konfliktprävention, Friedenskonsolidierung, (wirtschaftliche) Entwicklung und Stabilisierung mit Schwerpunkt Jemen. Neben ihrer Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende von CARPO leitet sie die Umsetzung von Projekten zur Konfliktprävention, Stabilisierung, wirtschaftlichen Entwicklung und Friedensförderung im Jemen. Sie ist Herausgeberin des Buches Yemen and the Search for Stability. Power, Politics and Society After the Arab Spring (I.B. Tauris 2018) und veröffentlicht regelmäßig Beiträge über den Jemen.
Ein Gespräch über Maries CARPO-Institut, ihren Werdegang und ihr Interesse am Jemen, die Waffenkultur und den jemenitischen Dolch, die Geschichte des Jemen, das Ende des Königreichs in den 1960ern, die Zeit bis 1990, die jemenitische Vereinigung vom Norden und Süden, den Auslöser des Konflikts 2004, den Arabischen Frühling und die politischen Folgen für den Jemen, den Seitenwechsel des langjährigen Präsidenten Saleh, die von Saudi-Arabien angeführte Intervention 2015, den bisherigen Kriegsverlauf, die Unterstützer beider Seiten, die Rolle des Irans und der Hisbollah, die Situation im Jemen seit den Angriffen auf die Schifffahrt seit 2024, den Einfluss der USA und die aktuell angekündigten Schritte der Trump-Regierung sowie einen Ausblick, wie es weitergehen könnte + eure Fragen via Hans