Wie berichten Sie als Exil-Journalist über Russland, Dmitry Vachedin?
Mar 29, 2022
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Dmitry Vachedin, ein deutsch-russischer Journalist und Schriftsteller, arbeitet für das Nachrichtenmagazin Meduza und berichtet aus dem Exil über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. In dem Gespräch schildert er die Herausforderungen, die Exil-Journalisten bei der Berichterstattung in einem repressiven Umfeld meistern müssen. Vachedin betont die Notwendigkeit realistischer Berichterstattung und die emotionalen Belastungen, die mit der Trennung von der Heimat einhergehen, während sie verzweifelt versuchen, wichtige Informationen weiterzugeben.
Dmitry Vachedin beschreibt, wie Meduza trotz der schweren Zensur in Russland weiterhin versucht, frei über den Krieg zu berichten.
Die Redaktion steht vor der Herausforderung, finanzielle Unterstützung durch Crowdfunding zu mobilisieren, um ihre Unabhängigkeit in der Berichterstattung zu sichern.
Deep dives
Erfahrungen während des Krieges
Die letzten Wochen sind für die Redaktion von Medusa, einem freien Online-Medium, durch den Krieg gegen die Ukraine von Schock geprägt. Der Journalist Dimitri Batschelin beschreibt, dass die Vorstellung eines echten Krieges für alle Beteiligten unvorstellbar war, weshalb sie weiterhin mit einer Art innerer Schockstarre konfrontiert sind. Die Notwendigkeit, professionelle Arbeit zu leisten, geht jedoch weiter, auch wenn die Rahmenbedingungen für freien Journalismus in Russland durch Zensur und Kriegsverordnungen erschwert wurden. Zunehmende Strafmaßnahmen gegen das Verwenden des Wortes 'Krieg' behindern die Berichterstattung enorm.
Reaktion auf Zensurmaßnahmen
Medusa hat auf die neuen Zensurmaßnahmen reagiert, indem es weiterhin klar Stellung gegen den Krieg bezieht und betont, dass er nicht im Namen des Mediums geführt wird. Außerdem haben viele Mitarbeiter, die aus Russland berichten, das Land verlassen, um sich in Transitländer zu begeben, was in Anbetracht der strengen Kontrollen und der Gefahr der Mobilisierung nach Russland eine erhebliche Herausforderung darstellt. Trotz dieser Zwangslage bleibt die Redaktion entschlossen, ihre Arbeit fortzusetzen und Echtzeit-Berichterstattung über den Krieg zu liefern. So wird aktiv versucht, Kontakte zu Journalisten in der Ukraine herzustellen, um die Berichterstattung zu sichern.
Berichterstattung aus dem Exil
Der Journalist erklärt, dass Medusa nie als Exilmagazin angesehen wurde, da sie zuvor Journalisten hatten, die direkt aus Russland arbeiteten. Aufgrund des Krieges sind die Berichterstatter nun verstreut über verschiedene Länder, wodurch es schwerer wird, aktuelle Informationen aus Russland zu erhalten. Zu den Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, gehören nicht nur die politischen, sondern auch die emotionalen Hürden, die kritisches Reporting in einem repressiven Umfeld mit sich bringt. Trotz dieser Herausforderungen gelingt es den journalistischen Kollegen, wichtige Informationen zu sammeln und weiterzuleiten.
Finanzierungsherausforderungen und Solidarität
Die finanzielle Unterstützung von Medusa hat aufgrund der Kriegsereignisse drastisch abgenommen, da die russischen Leser nicht mehr in der Lage sind, das Medium zu unterstützen. In dieser Notlage hat Medusa auf Crowdfunding umgestellt, um die Betriebsfähigkeit aufrechtzuerhalten, was sich als herausfordernd erweist. Die Unterstützung von russischsprachigen Lesern in Europa und den USA ist von entscheidender Bedeutung, um die unabhängige Berichterstattung zu sichern. Gleichzeitig zeigt sich ein starkes gesellschaftliches Engagement in Deutschland, das die ukrainischen Flüchtlinge unterstützt, während auch die Unterstützung für die russische Zivilgesellschaft hervorgehoben wird.
„Der Krieg war ein Schock für mich und für unsere Redaktion“, sagt der Journalist Dmitry Vachedin im Podcast “Frisch an die Arbeit”, der für das russische und Putin-kritische Nachrichtenmagazin Meduza arbeitet.
Das Nachrichtenmagazin wurde 2014 von Redakteurinnen und Redakteuren der oppositionellen Webseite Lenta.ru gegründet, nachdem diese nach Meinung der staatlichen Behörden zu kritisch über den Überfall der russischen Armee auf die Krim berichtet haben. Sicherheitshalber verlagerte Meduza schon damals seinen Hauptsitz nach Riga in Lettland.
„Früher wirkte das seltsam, aber heute ist jedem klar, dass man in Moskau und überhaupt in Russland nicht als Journalist arbeiten kann“, sagt Vachdin. „Das Gute ist, dass Meduza von Pessimisten gegründet wurde, die schon 2015 verstanden haben, dass man über Russland nur aus der Ferne frei berichten kann.“
Im Podcast berichtet Vachedin, wie er und seine Kolleginnen und Kollegen seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine und die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in seinem Heimatland überhaupt noch arbeiten können. „Während die Redaktionsarbeit weiterging, haben wir gemeinsam versucht, so viele Mitarbeiter wie möglich aus dem Land zu bringen – während unklar war, ob Russland unsere Leute überhaupt gehen lässt“, sagt Vachedin.
Vachedin weiß, dass er einen Preis für seine Arbeit bezahlt: „Ich liebe meine Heimatstadt St. Petersburg über alles”, sagt er. “Aber ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal nach Russland reisen kann. Wahrscheinlich erst, wenn Putin weg ist. Und das kann dauern.“
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