„Ich will Angst verbreiten“, das kündigte Rodrigo Duterte als Bürgermeister der Millionenstadt Davao auf der südlichen philippinischen Insel Mindanao an. Als er 2016 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, versprach er noch am selben Tag bei einer Rede in einem Slum von Manila, die „Hurensöhne“ zu töten, die in Drogengeschäfte verwickelt seien.
In den folgenden Monaten erschossen Polizisten und sogenannte Todesschwadrone zu Tausenden Drogendealer, Junkies und andere Menschen, deren Leben weniger wert zu sein schien. „Hitler vernichtete drei Millionen Juden“, rechnete Duterte falsch vor. „Hier gibt es drei Millionen Drogenabhängige. Ich werde sie liebend gern abschlachten.“
Die renommierte Reporterin Patricia Evangelista berichtete seit 2016 für das Online-Medium Rappler über den „Drogenkrieg“. Sie war an den Tatorten, hat mit Überlebenden, Hinterbliebenen und Tätern gesprochen. Auf der Grundlage ihrer Recherchen hat sie ein zutiefst erschütterndes Buch über den Horror des „Drogenkriegs“ geschrieben. Darüber, was dieser Krieg mit und aus den Menschen im Land gemacht hat. Und wie ihr selbst die Geschehnisse zusetzen.
Unempfindlich gegenüber dem Grauen
Patricia Evangelista: „Man vergisst nicht, was man gesehen hat. Manchmal verschmilzt ein Tatort mit dem nächsten. Aber man erinnert sich an die Menschen, an die Mütter, die entdecken, dass ihre Söhne verschwunden sind, an die Töchter, die vor einer Treppe knien, denen man gesagt hat, dass es ihre Väter sind, die drinnen schreien und jammern.“
Patricia Evangelista denkt darüber nach, warum ein Land, das 1986 den Diktator Ferdinand Marcos stürzte, nur eine Generation später einen mörderischen Autokraten wählte, warum Rodrigo Duterte so viele begeisterte Anhänger hatte – und noch immer hat –, warum die Menschen jubelten, als er drohte, ihre Mitbürger zu erschießen. Wie es gelang, „eine ganze Bevölkerung unempfindlich gegenüber dem Grauen werden zu lassen“.
Ihre Antwort ist vielschichtig. Sie ergründet, wie Menschen systematisch dehumanisiert wurden. Sie schaut auf die Geschichte des Landes und die ihrer Familie, auf die Sehnsucht nach Helden und Führerfiguren sowie die Neigung, die Vergangenheit schön zu färben. Und sie seziert die perfide Strategie Dutertes.
Eine traumatisierte Gesellschaft
„Rodrigo Duterte erzählte uns allen eine Geschichte. Er sprach die Ängste und Sorgen an, die jahrzehntelange enttäuschte Erwartungen immer weiter geschürt hatten. Und dann gab er dem Feind einen Namen. Er nannte ihn die Plage der illegalen Drogen und sagte, er würde töten, um diese Plage auszurotten", erzählt Patricia Evangelista.
„Er sagte, wer ihm nicht glaube, dass Drogen schrecklich seien, dem würde er diese selbst verabreichen. Man solle sie seinen Kindern geben und zusehen, wie sie zu Monstern würden. Die Filipinos haben für Duterte gestimmt. Sie haben für den Tod gestimmt, weil das sein Versprechen war. Aber viele von ihnen haben auch für die Hoffnung gestimmt, dafür, dass sich unter Duterte vielleicht etwas ändern würde.
Womöglich würden seine Versprechen, auch wenn sie mit Gewalt verbunden waren, die Welt, in der sie lebten, zu einem besseren, sichereren und angenehmeren Ort machen.“
Was bleibt, sind zerschlagene Hoffnungen
Was bleibt, sind zerschlagene Hoffnungen und eine traumatisierte Gesellschaft, die sich den Verbrechen und dem Leid des Drogenkrieges kaum stellt. Die Philippinen haben Rodrigo Duterte im März an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert. Immerhin. Doch nur zwei Monate später wählten ihn die Einwohner von Davao mit großer Mehrheit erneut zu ihrem Bürgermeister.
Sie glaube nicht daran, dass ihr Buch viele Menschen zum Umdenken bringe, sagt Patricia Evangelista. Sie habe lediglich das Geschehene festhalten wollen. Das ist ihr meisterhaft gelungen. „Some People Need Killing“ ist ein so couragierter wie sprachmächtiger Einspruch gegen das Vergessen.