"Viele Kinder denken: Das passiert nur mir, und ich bin schuld daran"
Jun 17, 2024
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Nicole Szesny-Mahlau, Psycho- und Traumatherapeutin mit Schwerpunkt auf Traumafolgeerkrankungen, erklärt, wie wichtig frühe Unterstützung für traumatisierte Kinder ist. Sie betont die Herausforderungen in der Therapie und wie Eltern durch offene Kommunikation helfen können. Die Gefahren von Cybermobbing und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit werden hervorgehoben. Darüber hinaus diskutiert sie die Bedeutung von Sexualaufklärung in der Therapie nach Missbrauch und wie Vernetzung unter Therapeuten die Hilfe verbessert.
Traumatische Erfahrungen in der Kindheit können die psychische Gesundheit im späteren Leben stark beeinflussen und müssen frühzeitig behandelt werden.
Die Unterstützungsleistung von Eltern und Bezugspersonen ist entscheidend für den Heilungsprozess von traumatisierten Kindern.
Die vielfältigen Symptome von Kindheitstraumata sind oft schwer zu erkennen und erfordern ein grundlegendes Verständnis für deren Auswirkungen.
Deep dives
Die Auswirkungen der Kindheit auf die Erwachsenen
Erlebnisse in der Kindheit haben nachhaltige Auswirkungen auf das spätere Leben, insbesondere in Bezug auf psychische Gesundheit. Viele Erwachsene, die mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen kämpfen, stellen fest, dass diese mit traumatischen Erfahrungen aus ihrer Kindheit verbunden sind. Eine häufige Erkenntnis ist, dass die Wahrnehmung ihrer frühen Erfahrungen nicht immer der Realität entspricht; oft ist nicht alles so 'normal' oder 'gut', wie sie einst dachten. Diese schmerzhafte Reflexion ist entscheidend für den Heilungsprozess und die spätere Entwicklung gesunder Beziehungen.
Die Notwendigkeit früher psychologischer Unterstützung
Es ist von großer Bedeutung, dass Kinder, die traumatische Ereignisse erlebt haben, möglichst früh Zugang zu therapeutischer Unterstützung erhalten. Studien zeigen, dass Therapiefortschritte effektiver sind, je früher die Behandlung begonnen wird, da junge Menschen oft übermäßige Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben erleben, wenn sie unter den Folgen von Trauma leiden. Frühzeitige Intervention kann verhindern, dass diese Kinder später ernsthafte psychische Erkrankungen entwickeln. Daher ist es entscheidend, die Anzahl verfügbarer Therapieplätze für betroffene junge Menschen zu erhöhen.
Ursachen von Kindheitstraumata
Traumatische Erfahrungen für Kinder können vielseitig und von unterschiedlicher Natur sein, einschließlich körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt. Aber auch Vernachlässigung, Verlust von geliebten Personen und Gewalt in familiären oder institutionellen Kontexten tragen erheblich zu Traumata bei. Kinder sind häufig nicht in der Lage, diese schweren Situationen zu bewältigen, was zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und Unsicherheit führt. Ein grundlegendes Verständnis dafür, was trauma ist und wie es Kinder beeinflusst, ist notwendig, um ihnen effektiv helfen zu können.
Verhaltensauffälligkeiten und Erkrankungen bei betroffenen Kindern
Die Symptome von Traumata können bei Kindern unterschiedlich ausgeprägt sein und äußern sich häufig in Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Erkrankungen. Kinder können Probleme mit Schuld, Scham und Vertrauen haben und sind oft nicht in der Lage, ihre Erlebnisse in Worten zu fassen. Dies kann zu aggressivem Verhalten oder Überreaktionen in scheinbar harmlosen Situationen führen, während in Wirklichkeit ihre Reaktionen von vergangenen Traumata geprägt sind. Die Identifizierung dieser Symptome ist entscheidend, da viele Erwachsene oft die Ursachen ihrer Kindheitstraumata erst viel später im Leben verstehen.
Die Rolle der Eltern in der Traumatherapie
Eltern und Bezugspersonen spielen eine zentrale Rolle in der Traumatherapie für Kinder. Einer der ersten Schritte besteht darin, Eltern über die Bedeutung ihrer Unterstützung zu informieren und mögliche eigene Verantwortlichkeiten zu klären. Psychoedukation ist wichtig, um das Verständnis für die Symptome zu fördern, die das Kind zeigt, und um den Eltern zu helfen, eine unterstützende Umgebung zu schaffen. Es ist entscheidend, dass Eltern emotional für ihre Kinder da sind, um deren Heilungsprozesse zu fördern, und dass sie sich aktiv darüber informieren, wie sie ihre Kinder in belastenden Zeiten unterstützen können.
Zeit heilt keine Wunden, schnelles Handeln aber schon: Kinder, die Schlimmes erlebt haben, können schwer psychisch erkranken. Die Traumatherapeutin Nicole Szesny-Mahlau versucht, das zu verhindern. Ihre Arbeit beginnt, wo die Berichterstattung über Gewalt, Verlust, Übergriffe und Vernachlässigung oft endet: wenn das Erlebte aufhört, bekannt wird oder Täterinnen und Täter gefasst wurden.
Wie hilft man Kindern, die ein Trauma erlebt haben, und wie erkenne ich überhaupt, dass ein Kind Unterstützung braucht? Das erzählt Nicole den Podcasthosts Melanie Büttner und Sven Stockrahm. Sie erklärt, worauf es in der Traumatherapie ankommt, wie wichtig Eltern und andere Bezugspersonen bei diesem Prozess sind und warum man nur dann viel tun kann, wenn alle Beteiligten bereit sind, traumatische Erlebnisse nicht zu verdrängen.
Mehr zu unserer Gästin und weitere Infos
Nicole Szesny-Malau ist Psycho- und Traumatherapeutin in eigener Praxis in München. Ihr Schwerpunkt sind Traumafolgeerkrankungen über die Lebensspanne.
Nicole hat trauma.help – Deutsches Traumakompetenznetz e.V gegründet und ist dort Vorständin. Der Verein will die Versorgung traumatisierter Kinder und Jugendlicher im deutschen Sprachraum stärken.
Eine spezialisierte Psychotherapie kann dabei helfen, die Folgen von sexueller Gewalt und anderen Traumatisierungen zu bewältigen. Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit einer traumaorientierten Zusatzausbildung sind hier zu finden:
Traumaambulanzen: in verschiedenen Städten bundesweit, ein Verzeichnis bietet etwa projekt-hilft.de.
Das Hilfeportal sexueller Missbrauch bietet Hilfe für Betroffene von sexueller Gewalt in der Kindheit, ihre Angehörigen und andere Menschen, die sie unterstützen wollen.
Unter 0800 22 55 530 oder übers Internet können sich Menschen jederzeit auch anonym ans Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch wenden, wenn sie sich Sorgen um ein Kind machen oder von Übergriffen erfahren haben.
Folge den Sexpodcasthosts, der Ärztin und Sexualtherapeutin Melanie Büttner und dem ZEIT-ONLINE-Ressortleiter Wissen, Sven Stockrahm, auf Instagram unter @dr.melanie.buettner und @svensonst.
Seit dem 15.1.2025 sind alle Folgen von "Ist das normal?", die vor dem 1.1.2024 erschienen sind, exklusiv mit einem Digitalabo der ZEIT zu hören – auf ZEIT ONLINE, auf Apple Podcasts und auf Spotify. Ein kostenloses Probeabo kannst du hier abschließen. Wie du dein Abo mit Spotify oder Apple Podcasts verbindest, liest du hier.
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