Hat Hollywood unser Liebesleben ruiniert, Nicolas Detering?
Dec 12, 2024
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Nicolas Detering, Professor für neuere deutsche Literatur an der Universität Bern, untersucht mit Jenny Rieger, wie romantische Komödien und Literatur unsere Erwartungen an die Liebe prägen. Sie diskutieren die Erzählmuster von "meet cute" und "happily ever after" und deren Einfluss auf das reale Liebesleben. Detering erklärt, wie kulturelle Narrative über Jahrhunderte unsere Beziehungsideale formen. Zudem bietet er Empfehlungen für Bücher, die die Komplexität von Freundschaft und Liebe beleuchten und als Weihnachtsgeschenke geeignet sind.
Romantische Filme und Bücher prägen unsere unrealistischen Erwartungen an Beziehungen, indem sie stereotype Erzählmuster und Ideale vermitteln.
Die Diskussion über Liebesgeschichten hat sich gewandelt, indem vielfältigere kulturelle Modelle und emotionale Erfahrungen zunehmend in den Vordergrund rücken.
Deep dives
Einfluss von Liebesgeschichten auf Beziehungen
Romantische Filme und Bücher, insbesondere das Genre der romantischen Komödie, prägen unsere Erwartungen und Vorstellungen von Beziehungen maßgeblich. Die stereotypischen Erzählstrukturen, wie das Konzept von Seelenverwandten oder die Überwindung aller Hindernisse durch die Liebe, können unrealistische Standards setzen, die sich negativ auf unser eigenes Liebesleben auswirken. Diese kulturellen Artefakte formen nicht nur unsere Sicht auf mögliche Partner, sondern auch darauf, wie Beziehungen verlaufen sollten. Wenn die Realität nicht mit diesen Idealvorstellungen übereinstimmt, können Frustrationen und Enttäuschungen entstehen, da wir oft die weniger romantischen Aspekte von Beziehungen übersehen.
Der Wandel romantischer Ideale
Es wird untersucht, wie sich das Ideal der romantischen Liebe im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, von einer äußeren, auf Schönheit basierenden Anziehung hin zu einer inneren, seelenverwandten Verbindung. Im 18. Jahrhundert entstand die Vorstellung, dass wahre Liebe eine spirituelle Komponente hat, die nicht sofort sichtbar ist und sich erst dezidiert offenbart. Dies hat auch das heutige Verständnis romantischer Beziehungen beeinflusst, wo oft vermutet wird, dass es eine 'eine perfekte Person' gibt, die man finden muss. Diese Narrative werden durch moderne Medien weiterhin geprägt, was die Suche nach Glück in romantischen Beziehungen oft komplizierter macht.
Kulturelle Diversität in Liebesgeschichten
Die Diskussion über Liebesgeschichten hat sich in den letzten Jahren von traditionellen, westlichen Erzählungen hin zu vielfältigeren kulturellen Modellen gewandelt. Neuere Filme und Serien stellen oft nicht mehr nur romantische Beziehungen, sondern auch familiäre und freundschaftliche Verhältnisse in den Vordergrund. Dieses Umdenken könnte auf ein zunehmendes Bewusstsein für unterschiedliche Lebensrealitäten in unserer modernen Gesellschaft hinweisen. Dadurch wird es möglich, eine breitere Palette an emotionalen Erfahrungen und Verbindungsmöglichkeiten darzustellen, als es klassische Romantikgeschichten tun.
Zuerst können sie einander nicht leiden, dann merken sie, dass sie zusammengehören. Oder: sie lieben sich, doch widrige Umstände halten sie voneinander fern. Wenn Filme und Bücher von Liebe handeln, folgen sie meist einem dieser beiden Erzählmuster. «NZZ Megahertz»-Host Jenny Rieger ist sich sicher, dass sie früher zu viele romantische Komödien geschaut hat – und dadurch zum Teil unrealistische Erwartungen an ihre Beziehungen aufgebaut hat. In der aktuellen Podcastfolge diskutiert sie mit Literaturwissenschafter Nicolas Detering, wie die Geschichten, die wir hören, sehen und lesen unser Liebesleben beeinflussen und wie die klassischen Narrative vom «meet cute» bis zum «happily ever after» entstanden sind.
Liebesfilme folgen meist einer ähnlichen Logik – wie häufig sich Motive wiederholen, zeigt diese Studie von 2022.
Romantische Ideale wie die Existenz von «Liebe auf den ersten Blick» und «Soulmates» färben mitunter die Erwartungen echter Menschen an ihre Beziehungen, lautet das Fazit dieser Studie.