
SWR Kultur lesenswert - Literatur Lavie Tidhar – Maror
Aug 5, 2024
04:09
Mit „Maror“ hat sich Lavie Tidhar etwas vorgenommen: Die Geschichte Israels von 1974 bis 2008 erzählen – und zwar als Geschichte der Gewalt, Korruption und Skrupellosigkeit.
Es kamen immer mehr. Die Diebe, die Vergewaltiger, und hatte Bialik – oder war es Ben Gurion? – nicht geschrieben: »Erst wenn wir unseren eigenen hebräischen Dieb, unsere eigene hebräische Hure und unseren eigenen hebräischen Mörder haben, haben wir wahrhaftig einen Staat.« Hier wurde es wahr, dachte Benny. Hier wurde es Wirklichkeit.Das denkt der Verbrecher Benny auf der Party eines russischen Milliardärs in Tel Aviv 1994, auf der Politiker und Armee-Generäle mit Callgirls feiern – und fasst damit das programmatische Anliegen dieses Romans zusammen. Ein brisantes Vorhaben: In Israel ist der im Original auf Englisch geschriebene Roman bisher nicht erschienen.Quelle: Lavie Tidhar – Maror
Bislang sicherheitshalber nur auf Englisch erschienen
In einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte Lavie Tidhar dazu, das Land sei noch nicht so weit, in israelischen Krimis gehe es immer darum, mit der Aufklärung der Tat die Welt vor dem Verbrechen wiederherzustellen. In „Maror“ lässt sich nichts wiederherstellen, das System läuft, ist im Innern aber kaputt. Eine streitbare, in sich aber stimmige Darstellung.Manches lässt sich unmöglich verhindern. Krieg. Drogen. Aber man kann sie verwalten. Und das machen wir. Wir halten die Stellung. Wir wahren den Frieden.Das ist die Überzeugung des korrupten Chief Inspector Cohen, der in diesem gewaltigen Epos im Hintergrund alle Strippen zieht. Ein Mann mit eiskalten Augen, stets ein Bibelzitat auf den Lippen. Ein Polizist, der auch fürs organisierte Verbrechen arbeitet, um die Stabilität des Landes zu wahren. Nach seiner Auffassung. Ob Attentat, Waffenschmuggel oder Landbesetzung, er tut, wovon er glaubt, was getan werden muss. Als der Libanonkrieg die Drogengeschäfte stört, sorgt er für einen neuen Lieferweg. Ab den 1980er Jahren führt ihn der Handel mit Drogen und Waffen bis nach Lateinamerika und Kalifornien. Nie zweifelt er, nie ist er zu fassen. Auch erzählerisch bleibt er im Hintergrund. Eine kluge Entscheidung: So spiegelt die Erzählung sein Wirken, wird er von den Figuren mal als eiskalter Mörder, mal als manipulierender Helfer wahrgenommen.Quelle: Lavie Tidhar – Maror
