Die deutsche Friedensbewegung – Was bleibt vom Pazifismus? | Archivradio-Gespräch
May 30, 2024
auto_awesome
Sissi Pitzer ist eine engagierte Stimme in der deutschen Friedensbewegung. Im Gespräch beleuchtet sie die historische und aktuelle Rolle des Pazifismus, besonders im Kontext des Ukraine-Kriegs. Sie diskutiert die Unterschiede zwischen der Friedensbewegung der 1980er Jahre und den heutigen Herausforderungen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den beeindruckenden Protesten jener Zeit, wie der Menschenkette auf der Schwäbischen Alb. Pitzer analysiert auch das Dilemma zwischen Frieden und Selbstverteidigung sowie die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit.
Die deutsche Friedensbewegung der 1980er Jahre mobilisierte Hunderttausende gegen nukleare Aufrüstung und forderte Abrüstung in einem atomwaffenfreien Europa.
Der Ukraine-Krieg hat die aktuelle Sicherheits- und Rüstungspolitik Deutschlands verändert und die Debatte über militärische Interventionen neu entfacht.
Einflussreiche Persönlichkeiten wie Petra Kelly und Heinrich Böll prägten die Friedensbewegung, indem sie auf die Gefahren der atomaren Rüstung aufmerksam machten.
Deep dives
Die Zeitenwende und militärische Aufrüstung
Die aktuelle geopolitische Lage erfordert eine Neubewertung der außenpolitischen Strategien Deutschlands. Angesichts des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock eine klare Wende in der Sicherheits- und Rüstungspolitik gefordert. Dies umfasst eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben für die NATO sowie verstärkte Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese Entwicklungen stehen im krassen Gegensatz zu den pazifistischen Strömungen der 1980er Jahre, als die deutsche Friedensbewegung für Abrüstung und gegen Aufrüstung mobilisierte.
Die Friedensbewegung der 1980er Jahre
In der Zeit des Kalten Krieges forderte die Friedensbewegung ein atomwaffenfreies Europa und äußerte Bedenken bezüglich der NATO-Stationierung von Mittelstreckenraketen. Diese Bewegung, die von einer breiten Bevölkerungsbasis getragen wurde, war geprägt von großen Demonstrationen, wie der in Bonn 1982, bei der Hunderttausende auf die Straße gingen. Sisi Pitzer, die zu dieser Zeit aktiv war, beschreibt die Solidarität in der Bewegung und ihre historischen Wurzeln, die auch viele gesellschaftliche Gruppen umfassten. Die emotionale Ablehnung gegenüber atomarer Bedrohung motivierte viele Menschen, sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen.
Angst vor nuklearer Eskalation
In den 1980er Jahren war die Furcht vor einem nuklearen Krieg eine zentrale Motivation für die Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss, der die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vorsah, wurde von der Bevölkerung als direkte Bedrohung wahrgenommen. Kampagnen wie der Krefelder Appell mobilisierten Millionen Menschen, die gegen die Aufrüstung und für Abrüstung protestierten. Diese Ängste sind in der heutigen politischen Diskussion umso relevanter geworden, besonders im Hinblick auf die vorherrschende Unsicherheit und den Einfluss irrationaler Entscheidungen in geopolitischen Konflikten.
Der Einfluss prominenter Friedensaktivisten
Figuren wie Petra Kelly und Heinrich Böll spielten eine entscheidende Rolle in der Friedensbewegung, indem sie öffentliche Aufmerksamkeit auf die Gefahren der atomaren Rüstung lenkten. Kelly, Mitbegründerin der Grünen, war eine wesentliche Stimme, die notwenige politische Veränderungen forderte. Ihre Einflussnahme und die kollektive Mobilisierung von Bürgern führten zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über Krieg und Frieden, die auch in der politischen Landschaft der 1980er Jahre Widerhall fand. Die Reaktionen auf diese Führungsfiguren waren jedoch gemischt, was zeigt, wie kontrovers die Themen Frieden und Militarismus waren.
Das Dilemma der modernen Friedensbewegung
Heutzutage steht die Friedensbewegung vor neuen Herausforderungen, da die Notwendigkeit einer militärischen Reaktion auf aggressive Staaten und das Streben nach einer friedlichen Welt im Konflikt stehen. Der Ukraine-Krieg hat die Diskussion über militärische Intervention und Unterstützung der Ukraine neu entfacht und macht deutlich, dass universelle pazifistische Ideale oft pragmatisch hinterfragt werden müssen. Der Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und der antimilitaristischen Haltung bleibt ein zentrales Thema. Politische Akteure wie Olaf Scholz müssen heute Balancen finden, um sowohl das Recht auf Selbstverteidigung als auch die Idee eines friedlichen, waffenfreien Europas zu integrieren.
"Aufstehn! Für den Frieden!" – Am 10. Juni 1982 demonstrieren in Bonn eine halbe Million Menschen gegen die NATO. Es ist der Höhepunkt der deutschen Friedensbewegung. Heute ist es ruhiger um sie geworden. Wo stehen deutsche Pazifisten angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine? Lukas Meyer-Blankenburg im Gespräch mit Sissi Pitzer (SWR 2022) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/deutscher-pazifismus | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen
Remember Everything You Learn from Podcasts
Save insights instantly, chat with episodes, and build lasting knowledge - all powered by AI.