Wehrpflicht-Debatte: »Ich würde lieber kapitulieren, als tot zu sein«
Apr 2, 2025
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Wolf Gregis, Bundeswehrveteran mit Erfahrung aus Afghanistan, erklärt, warum er den Einsatz dort für sinnvoll hält und sich für die Wehrpflicht ausspricht. Ole Nymoen, pazifistischer Autor, widerspricht vehement und sieht die Wehrpflicht als staatliche Gewalt an. Wiebke Winter von der CDU plädiert für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht im Rahmen eines Gesellschaftsjahres für alle, auch für Frauen. Es geht um ethische Fragestellungen, nationale Solidarität und die Herausforderungen von Gesellschaft und Staat im Kontext der Wehrdienstdebatte.
Ole Nymoen lehnt die Wehrpflicht ab, da er die Gewalt des Staates gegenüber seinen Bürgern skeptisch betrachtet und lieber fliehen würde.
Wolf Greges betont die Wichtigkeit von Kameradschaft und persönlicher Verantwortung im Militärdienst, wobei der Schutz seiner Mitmenschen im Vordergrund steht.
Wiebke Winter hebt die Notwendigkeit hervor, Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu stärken, um künftige Konflikte zu vermeiden und fordert mögliche Wehrpflichtüberlegungen.
Deep dives
Persönliche Freiheit versus staatliche Pflicht
Die Diskussion dreht sich um den Konflikt zwischen persönlicher Freiheit und staatlicher Pflicht zum Militärdienst. Der Pazifist Ole Nümern bekräftigt, dass er sich nicht für nationale Interessen einsetzen möchte und im Ernstfall lieber fliehen würde als zu kämpfen. Diese Sichtweise wird nicht von allen geteilt, insbesondere die Soldaten und Politiker argumentieren, dass es eine Verantwortung des Einzelnen gibt, die Freiheit und die Werte des Landes zu verteidigen. Nümern sieht das Problem im Zustand des Staates, der seiner Bürger im Kriegsfall nicht die Option lässt, den Dienst zu verweigern.
Kameradschaft und Loyalität im Militär
Wolf Greges, ein ehemaliger Soldat, hebt die Bedeutung von Kameradschaft und Loyalität hervor, die im militärischen Kontext psychologisch und praktisch essenziell sind. Für ihn ist die Verteidigung von Kameraden und deren Rechte der Hauptgrund für den Militärdienst, nicht primär die Verteidigung des Staates. Greges argumentiert, dass das Soldatendasein in einem höflichen Rahmen von Verpflichtung und Verantwortung geprägt ist, der nicht nur für den Staat, sondern für die Menschen um einen herum gilt. Er verweist auf seine persönlichen Erfahrungen im Kampf, die ihm geholfen haben, diese Werte zu internalisieren.
Die Rolle des Staates in Konfliktsituationen
Die Gastgeberin Wiebke Winter betont die Notwendigkeit, dass Deutschland in der Lage sein muss, sich zu verteidigen, um ungewollte Kriege zu vermeiden. Ihre Position unterstreicht das Bedürfnis nach einer strategischen Aufrüstung und einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht. Winter argumentiert, dass es unerlässlich ist, die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu stärken, insbesondere in einer Zeit, in der Bedrohungen aus dem Ausland immer deutlicher werden. Dabei verweist sie auf aktuelle geopolitische Spannungen, die Europa und Deutschland betreffen.
Die Herausforderungen der Wehrpflicht
Die Rückkehr zur Wehrpflicht wird als ein Weg diskutiert, um den Mangel an Personal in der Bundeswehr zu beheben, was durch eine neue Modellüberlegung ergänzt wird, die einen freiwilligen und selektiven Ansatz zur Dienstpflicht beinhaltet. Greges hält diesen Plan für vernünftig, um eine Balance zwischen der Verpflichtung zum Dienst und den realen Möglichkeiten der Einberufung zu finden. Die Diskussion zeigt jedoch auch die Schwierigkeiten, die mit der Umsetzung verbunden sind, besonders bezüglich der Infrastruktur und der Ausbildungsstätten, die nach der Aussetzung der Wehrpflicht stark reduziert wurden. Kritiker wie Nümern äußern Bedenken darüber, dass eine solche Pflicht zu einer Art Lückenbüßer für defizitäre Systeme werden könnte.
Gesellschaftliche Verantwortung und Solidarität
Die Diskussion über ein gesellschaftliches Jahr, in dem junge Menschen Dienstleistungen im Sozialbereich leisten sollten, wird als ein Mittel zur Förderung des Zusammenhalts und des gegenseitigen Verständnisses betrachtet. Winter argumentiert, dass das Engagement junger Menschen nicht nur die Gesellschaft stärkt, sondern auch persönliche Bildung und Erfahrung bietet. Nümern hingegen sieht darin die Gefahr, dass die gesellschaftliche Relevanz nach einem Jahr endet und die Ungleichheit in der Gesellschaft bestehen bleibt. Diese unterschiedlichen Perspektiven spiegeln eine tiefere Debatte über die Werte wider, für die sowohl der Staat als auch Individuen bereit sein sollten, zu kämpfen.
Würden Sie für Deutschland kämpfen? In Uniform? Mit einer Waffe in der Hand? Diese Frage ist, leider, aktueller denn je. Über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert Moderator Markus Feldenkirchen mit seinen Gästen dem Autor Ole Nymoen, Bundeswehrveteran Wolf Gregis und Wiebke Winter, Mitglied im Bundesvorstand der CDU.
»Ich bin generell gegen das Gewaltverhältnis des Staates zu seinen Bürgern«, sagt Nymoen und lehnt eine Wehrpflicht unter allen Umständen ab – selbst in einem imaginierten Schlaraffenland. CDU-Politikerin Winter hat dafür wenig Verständnis: »Dieser Staat gibt uns so viel. Er sorgt dafür, dass wir alle hier zur Schule gehen können.« Dementsprechend sei man auch als junger Mensch in der Pflicht, etwas zurückzugeben.
Das SPIEGEL-Spitzengespräch ist der Talk für alle, die politisch mitreden wollen. Markus Feldenkirchen ist Autor im Hauptstadtbüro des SPIEGEL und empfängt hier regelmäßig Gäste aus dem politischen Deutschland. Im Einzelgespräch oder in kleiner Runde bespricht er die gesellschaftlich und politisch relevanten Themen unserer Zeit.
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