AI-powered
podcast player
Listen to all your favourite podcasts with AI-powered features
Adam Weishaupt war herrschsüchtig, eitel und einer der Professoren an der Universität Ingolstadt, die man gehört haben musste! Mit 28 Jahren gründete er 1776 einen Geheimbund, den Illuminatenorden - "Die Erleuchteten". Um keinen anderen Geheimbund ranken sich buntere Verschwörungstheorien. Autor: Hans Hinterberger (BR 2014)
Credits
Autor/in dieser Folge: Hans Hinterberger
Regie: Eva Demmelhuber
Es sprachen: Julia Fischer, Peter Weiß, Friedrich Schloffer
Technik: Miriam Böhm
Redaktion: Thomas Morawetz
Linktipps:
Mythos: Das Geheimnis der Illuminaten
Die größten Rätsel der Geschichte / ZDFinfo Doku
Vor über 200 Jahren gründet Adam Weishaupt den Geheimbund der Illuminaten. Seitdem gelten sie als mysteriöse Weltverschwörer. Wer waren die Illuminaten wirklich? Und gibt es sie noch heute? Verfügbar bis 31.10.2026
JETZT ANSEHEN
Lost in Nahost - Der Podcast zum Krieg in Israel und Gaza
BR 24 / ARD Audiothek
Der Konflikt im Nahen Osten eskaliert. Die aktuellen Geschehnisse überholen sich teilweise selbst und bei Instagram, TikTok und Co. ist es schwer, den Überblick zu behalten: Was sind Infos, was sind Fake-News und was ist Propaganda? In diesem Podcast beantworten die Korrespondent:innen der ARD aus dem Studio Tel Aviv und Expert:innen Eure Fragen, ordnen ein und erklären die Lage.
ZUM PODCAST
Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:
Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Weitere Folgen zur Staffel:
VERSCHWÖRUNG? - Die Tempelritter
VERSCHWÖRUNG? - Das Haberfeldtreiben
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
JETZT ENTDECKEN
Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 – Intro
TC 01:14 – Die Illuminaten … aus Ingolstadt?
TC 02:51 – Ein Kind der Aufklärung
TC 04:39 – Die Anfänge im Dunst der Tabakpfeife
TC 06:38 – Ein Geheimbund ohne Geheimnis?
TC 07:30 – Ein Herrschsüchtiger und sein Kreis der „Erleuchteten“
TC 10:19 – Was Goethe und Knigge mit den Illuminaten zu tun haben
TC 12:30 – Weit weg von Weltherrschaft
TC 14:03 – Die wahre Macht der Illuminaten
TC 15:36 – Die große Stunde der Verschwörungstheorien
TC 20:20 – Ein einfache Lösung
TC 21:40 – Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 0:15 – Intro
(Atmo: Filmmusik aus „Illuminati“, möglichst actionreich )
Erzählerin:
Es gibt sie… zumindest im Kino. 4,5 Millionen deutsche Kinobesucher wollten 2009 „Illuminiati“ sehen. Sie wollten mit Hauptdarsteller Tom Hanks hinter die Geheimnisse des Ordens blicken, der die Fäden der Welt angeblich in den Händen hält. Dass dieser Geheimbund unglaublich mächtig, weltweit agierend und alles unterwandernd sein soll, das weiß dank Hollywood jeder. Weit weniger bekannt ist, dass es sich bei den Illuminaten zunächst um eine … bayerische Sache handelt.
OT Michael Klarner
„(3x Klopfen) Die Loge ist eröffnet! Liebe Brüder, wer von Euch kann das Licht sehen?“
(Atmo aus Stadtführung weiter laufen lassen)
TC 01:14 – Die Illuminaten … aus Ingolstadt?
Erzähler
Ingolstadt. Der Stadtführer Michael Klarner steht in einer tiefschwarzen Kluft des 18. Jahrhunderts, mit weißer Perücke und schwarzen Dreispitzhut auf dem Kopf, in einer Seitengasse vor Dutzenden Zuhörern. Neben ihm steht ein Tisch mit schwarzer Decke, Totenschädel und Degen darauf. Gruselstimmung. Er liest aus illuminatischen Texten, wie sie in den Aufnahme-Ritualen der sogenannten Logen des Ordens benutzt wurden.
OT Michael Klarner
„Eure Augen sehen heller, Euer Geist ist heiterer, Ihr habt einen Schritt näher zum Lichte getan. Aber ganz ist die Finsternis und Blödigkeit noch nicht von Euch gewichen! .. Das ist bitte ein Originaltext aus dem 18 Jahrhundert….“
(Atmo aus Stadtführung weiter laufen lassen)
Erzähler
Seine „Illuminatenstadtführung“ ist einmal mehr ausverkauft. Aber warum genau in Ingolstadt? Ganz einfach: Hier, mitten in Bayern, wurde der legendäre Geheimorden am 1. Mai 1776 gegründet. Er ist das Werk des damals erst 28-jährigen Ingolstädter Universitätsprofessors Adam Weißhaupt.
(Atmo aus!)
O-Ton Prof. Marco Frenschkowski:
„Das Ganze fängt ja fast als eine Art Studentenbund an. Die ersten Anhänger waren ja Studenten, ganz klar. Und dann war es wohl erfolgreicher, als Weißhaupt es überhaupt vorhergesehen hat, nicht?“
Erzählerin
Sagt Professor Marco Frenschkowski, Religionswissenschaftler an der Uni Leipzig. Er befasst sich seit Jahren mit dem Thema Geheimbünde. Und die hatten gerade im 18. Jahrhundert Hochkonjunktur.
(Musik: Frühklassik, Heiter, Aufbruchstimmung, Klavier )
TC 02:51 – Ein Kind der Aufklärung
Erzählerin:
Es ist die Zeit der Aufklärung, der Vernunft. Naturwissenschaft und neue Gesellschaftsmodelle faszinieren die progressiven Geister jener Zeit. Auch Adam Weißhaupt. Freilich war seine Universität, die Hohe Schule zu Ingolstadt, nicht gerade die ideale Umgebung für neue Gedanken.
(Musikwechsel: Liturgische Orgel, dominierend, weihevoll, evtl. Bach)
Erzähler
Denn diese Hochschule war fest in der Hand eines bereits bestehenden Ordens: Der Jesuiten.
Und die hatten Ingolstadt, unter der wohlwollenden Förderung durch die bayerischen Herrscher, zu einer Hochburg des Katholizismus und der Gegenreformation geformt.
OT Michael Klarner
„So war etwa auf Grund des jesuitischen Widerstands die Modernisierung des Lehrangebotes und die Einführung fortschrittlicher Studienfächer, wie etwa Chemie oder Botanik lange Zeit nicht möglich. Und auch sonst war es mit wissenschaftlicher Freiheit nicht her. Und das freilich bekam die hohe Schule auch zu spüren. Die Studenten orientierten sich andernorts, besuchten andere Universitäten und die hohe Schule zu Ingolstadt verlor Ihre einstige Bedeutung.“
Erzähler
Erklärt der Illuminaten-Stadtführer vor dem alten Universitätsgebäude. Auch der Orden der Jesuiten, der selbst in vielen Staaten der Unterwanderung und verschwörerischer Machenschaften verdächtigt wird, ist damals nicht unumstritten. Unter dem Druck solcher Vorwürfe muss Papst Clemens XIV. den Orden 1773 sogar aufheben. Gerade in Ingolstadt ändert das … trotzdem nichts! Die Jesuiten sind offiziell verboten, aber das Personal bleibt das gleiche. Wo sollte man auch plötzlich so viele neue Professoren hernehmen?
OT- Michael Klarner
„In Ermangelung weltlicher Lehrer blieben viele der Ex-Jesuiten schlicht in Ihren Ämtern.“
TC 04:39 – Die Anfänge im Dunst der Tabakpfeife
Erzählerin
Und der Aufklärer Adam Weißhaupt bleibt so weiterhin ein isolierter Einzelgänger unter seinen ex-jesuitischen Kollegen. Schlecht für einen, der doch den intellektuellen Austausch sucht, der über neue Ideen, neue Zeiten sprechen möchte.
(Atmo Männer im Gespräch, Gemurmel)
Erzähler
Da hilft nur die Gesellschaft von Gleichgesinnten, und wenn er diese unter den Professorenkollegen schon nicht findet, dann eben unter seinen Studenten. Die Illuminatenstadtführung ist inzwischen an einem der ersten Treffpunkte in Ingolstadt angekommen:
OT Michael Klarner
„Dieses Haus in der Griesmühlgasse. Wohl dort formiert sich am 1. Mai 1776 der Bund der Perfektibilisten oder auch Bienenorden genannt, bestehend aus Professor Weißhaupt und vier seiner Studenten.“
Erzählerin
Viel mehr sollten es erst einmal auch nicht werden. In den ersten beiden Jahren wächst dieser Orden kaum. Was da in Ingolstadt Woche für Woche zusammenkommt, ist eher ein überschaubarer Akademiker-Stammtisch, als eine geheime Weltmacht. Man diskutiert im Dunst von Weishaupts Tabakspfeife über aufklärerische Werke, mögliche Rituale des Geheimordens, Codenamen für die Mitglieder wie Spartacus oder Ajax und schließlich auch einen endgültigen Namen für den Orden. Zu welchem Mythos der einmal werden sollte, kann man noch nicht ahnen: Illuminati – die Erleuchteten. Die Idee des „Geheimbundes an sich“ kommt aber nicht von Ihnen. Prof. Frenschkowski:
OT Prof. Marco Frenschkowski
„In der Tat. Das 18. Jahrhundert ist ja auch die Zeit, in der auch die Freimaurer ihre großen weltgeschichtlichen Erfolge sozusagen tätigen. Rituale üben eine große Faszination aus. Das hängt auch damit zusammen, dass vieles aus der Adelsgesellschaft in die Bürgergesellschaft hineinwandert. Und die meisten dieser Bünde, die in das weitere Umfeld der Freimaurer gehören, dazu zählen auch die Illuminaten, haben Einweihungsrituale und Initiationsriten genutzt.“
TC 06:38 – Ein Geheimbund ohne Geheimnis?
Erzähler
Exklusive Zeremonien, das Geheime, das macht eben eine Sache besonders - sowohl bei den noch jungen Illuminaten als auch bei den schon etablierten Freimaurern. Weißhaupt hatte sich Freimauer-Logen angesehen. Dass er dann lieber seinen eigenen Bund gründet, mag zunächst daran liegen, dass die Freimaurer sich zu dieser Zeit intern im Streit befinden. Manche Kräfte schlagen, im Widerspruch zu den rationalen Aufklärern, eher mystifizierende und okkulte Töne an. Nicht nur Weißhaupt, sondern auch manche Freimaurer können damit nichts anfangen und wechseln in Lauf der Zeit zu den nüchterneren Illuminaten.
OT Prof. Marco Frenschkowski:
„Sie waren ein stückweit rationaler, aufgeklärter. Nur im Rückblick, in unseren Filmen, Romanen, gesellschaftlichen Phantasien, da werden sie dann mystifiziert. Aber eigentlich waren sie eine sehr aufgeklärte Sache.“
TC 07:30 – Ein Herrschsüchtiger und sein Kreis der „Erleuchteten“
Erzählerin:
Ein anderer Grund, warum Weißhaupt einen eigenen Bund ins Leben ruft, ist deutlich simpler. Er ist ein sehr von sich überzeugter, herrschsüchtiger und stets unzufriedener Mensch, der sich nicht gerne unterordnet. Der Tonfall, den er in Briefen gegenüber seinen Mitbrüdern an den Tag legt, zeugt davon.
Zitator:
„Wenn der Winterhalten einer von uns werden soll, so muss er noch ziemlich geschliffen werden. Erstmal gefällt mir sein Gang gar nicht. Seine Manieren sind roh und ungeschliffen. (…) Sucht junge, schon geschickte Leute, und keine solch rohe Kerls!“
Erzählerin:
Und als ein Ordensbruder ihm eine Abhandlung vorlegt, die nicht Weißhaupts Erwartungen entspricht, bekommt er das zu hören:
Zitator:
„Das Manuskript habe ich erhalten. Es ist nicht einmal die Auslage für den Bothen werth. Lieber war es mir gewesen, wenn sie die Zeit zum Abschreiben auf eine reellere Arbeit verwendet hätten.“
Erzähler:
Er möchte sich den Orden seiner persönlichen Träume bauen, leitet mit harter Hand – und ist vielleicht gerade deshalb in den ersten Jahren wenig erfolgreich in der Mitgliederwerbung. Aber dennoch: Einige folgen Weißhaupt - fasziniert von der Aura des Geheimen, des Neuen, des freieren Denkens – trotzdem der Orden intern nicht gerade freigeistig-liberal, sondern straff hierarchisch geführt ist.
OT Prof. Marco Frenschkowski:
„Weißhaupt ist nicht im modernen Sinne Demokrat, das ist nicht das Thema. Aber sagen wir mal so: Die traditionellen Adelsstrukturen, die fürstlichen Strukturen, die wurden sehr hinterfragt.“
Erzähler:
Das ist revolutionär. Und findet Zuhörer. Im kleinen Kreise denkt man neue Zeiten an, mit denen man als „Erleuchtete“ die Welt beglücken möchte.
OT Prof. Marco Frenschkowski
„Also, was man will, ist natürlich Verbesserung der Gesellschaft, es spielen utopische Ideen eine Rolle, nicht so sehr im Sinne von Gerechtigkeit, sondern von Bildung und Kultur, das sind wichtige Güter. Aufklärung ist ein ganz wichtiges Gut. Aber die Idee, sagen wir mal, dass die Menschheit gelenkt werden müsse durch eine weise Gesellschaft, das ist natürlich schon so im Hintergrund. Das kann sich dann auch auswachsen zu Phantasien, dass man dann natürlich auch ein bisschen mehr das Sagen haben möchte in der Gesellschaft.“
(Atmo spannende Musik, geheimnisvoll)
Erzählerin:
Die Herrschaftsphantasien der Illuminaten. Da sind sie. Keinesfalls die ungebildeten Volksmassen, sondern eine Elite der erleuchteten Köpfe sollte den Lauf der Dinge beeinflussen – allerdings ohne offene Revolution gegen die herrschenden Mächte der Zeit. Es genüge, im Hintergrund zu wirken. Dieser Gedanke, dass eine Elite ohne zu viele Mitwisser zu herrschen habe, wurde auch innerhalb des Ordens so gehandhabt.
Erzähler
(Atmo aus)
Denn den meisten Mitgliedern wurden diese letzten Ziele Weißhaupts gar nicht offenbart. Für die meisten Ordensbrüder bleibt es nicht mehr als ein Diskussionszirkel mit besonderer Symbolik.
TC: 10:19 – Was Goethe und Knigge mit den Illuminaten zu tun haben
Die Zahl seiner Mitglieder sollte jedoch ab 1780 rapide steigen. Vor allem dank des Eintritts eines Mannes: Freiherr Adolf von Knigge
OT Michael Klarner
„Knigge wird recht schnell zum zweitwichtigsten Mann des Illuminatenordens. Er bekommt den Ordensnamen Philo, und dieser umtriebige und zugleich pragmatische Philo wird zu einem gesellschaftlichen Türöffner für den gesamten Orden.“
Erzählerin
Sagt Stadtführer Michael Klarner über den bekannten Aufklärer, der es schaffte, dass Weißhaupts Illuminatenorden nun weit über Ingolstadt hinauswuchs und dem im Übrigen später völlig zu Unrecht eine Rolle als Benimm-Apostel angedichtet wurde. Die Illuminaten werden durch ihn zum überregionalen Gesprächsthema. Adelige, Akademiker, Beamte und sogar regierende Fürsten treten aus Neugier und Aufklärungsbegeisterung ein. Sogar ein Johann Wolfgang von Goethe.
OT Prof. Marco Frenschkowski:
„Goethe wollte bei allem dabei sein, wollte bei allem mitreden, wollte auch wissen, worum es geht. Auch die Freimaurer haben ihn ja interessiert. Aber er hat sich da nicht weiter engagiert. Das ist nur so ein kurzer Flirt.“
Erzähler
Überhaupt bleiben Kapazitäten vom Format Goethes eher die Ausnahme. Es gelingt den Illuminaten zwar auf rund 1.500 Mitglieder zu wachsen und vielerorts neue Logen zu errichten, doch wirklich die geistige Elite zu bündeln, das gelingt nicht. Mancher, bei weitem nicht herausragende Kopf, tritt lediglich nur ein, weil er sich von dem Netzwerk persönliche Karrierevorteile erhofft.
(Atmo Schritte, Aufbruch, Kutsche oder ähnliches)
Erzählerin
Selbst Knigge verlässt, nur vier Jahre nach seinem Eintritt, wieder den Orden. In Verbitterung. In einem Brief schreibt er:
Zitator:
„So konnte ich eine solche Beschimpfung nicht länger ertragen. Und nach dem Spartakus noch dazu grob wird, sehe ich nicht ein, mich länger soll wie ein Student behandeln lassen von so einem „Professor aus Ingolstadt“. Also habe ich ihm jeden Gehorsam aufgekündigt. Ein Orden, der auf diese Art seine Mitglieder missbraucht und tyrannisiert, ja der stellt doch seine Mitbrüder unter ein ärgeres Joch als die Jesuiten.“
TC 12:30 – Weit weg von Weltherrschaft
Erzähler
Es besteht also Mitte der 1780er-Jahre ein Orden, der nur bedingt gefestigt ist. Immer noch war er viel zu schwach, um tatsächlich sämtliche Schaltzentralen der Macht zu unterwandern.
Ein Orden, der sich zwar von Ingolstadt aus vor allem auf Bayern und einige Thüringische Kleinstaaten ausgedehnt hatte, der jedoch weit davon entfernt ist, globale Verschwörungen anzetteln zu können. Doch er war offenbar groß genug geworden, um jetzt die Aufmerksamkeit des Bayerischen Staates zu erregen. Der Kurfürst wird misstrauisch – und greift durch.
OT Prof. Marco Frenschkowski
„Das ist ja heute auch so, dass, wenn Gesellschaften so etwas elitäres, geheimes haben, für sich sind, Rituale nicht öffentlicher Art, Inhalte haben, die zum Teil confidential, vertraulich sind, ja dann werden die auch in unserer Gesellschaft durchaus mit einer gewissen Skepsis betrachtet. Und das war natürlich gerade in Bayern, sagen wir es mal, sehr ausgeprägt. Also 1784 verbot dann der bayerische Kurfürst Karl Theodor, übrigens auch durch seinen Beichtvater beeinflusst, ich zitiere: „Alle Communitäten, Gesellschaften und Verbindungen, die ohne seine landesherrliche Bestätigung begründet wurden.““
Erzählerin
In insgesamt drei Erlässen werden von 1784-1787 die Illuminaten verboten. Bayern betreibt also durchaus einen gewissen Aufwand in der Sache, bleibt bei den Bestrafungen aber milde. Lange Haftstrafen oder gar Hinrichtungen gibt es nicht. Auch wenn im letzten Edikt von 1787 zumindest formell die Todesstrafe angedroht wird.
(Atmo Kutsche)
TC 14:03 – Die wahre Macht der Illuminaten
Erzähler
Weißhaupt muss aus Ingolstadt fliehen. Seit er den Orden in Bayern gegründet hatte, waren gerade einmal acht Jahre vergangen. Doch nun gründete sich, diesmal ohne sein Zutun, aber mit umso größerem Zutun des bayerischen Staates, wieder etwas in Bayern. Es sollte schon bald weit mächtiger erscheinen, als es der tatsächliche Orden jemals war: der Mythos der Illuminaten.
OT-Prof. Marco Frenschkowski
Bei den Illuminaten liegt es vielleicht gerade daran, dass es sie nicht mehr gab. Die Freimaurer gab es eben, die konnte man auch besuchen und dann stellte man fest, dass die nicht ganz so spannend waren, wie man vielleicht gedacht hätte. Bei den Illuminaten ist es so: Man konnte vieles hineingeheimnissen, weil sie eben nicht mehr greifbar waren.“
(Musik, spannend)
Erzählerin
Der Gedanke liegt nahe: Warum sollte der Kurfürst sich über Jahre so intensiv mit dem Thema befassen? Das zeige doch, dass dieser Orden offensichtlich sehr mächtig sein musste – und eben nicht so einfach aufzuheben sei. Für Prof. Frenschkowski steigert sich Bayern hier schlicht in einen Trend der Zeit hinein:
OT Prof. Marco Frenschkowski:
„Unterwanderung durch Geheimgesellschaften ist ein zentrales Thema im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Es hat sich gegen die Jesuiten gerichtet, es richtet sich gegen die Freimaurer, dann, als die Französische Revolution ausgebrochen war wenige Jahre später, hat man eben auch da Geheimbünde im Hintergrund gesehen, zum Teil auch die Illuminaten, die damit sicherlich gar nichts zu tun haben, also die Ängste vor der Unterwanderung, das ist eine zentrale gesellschaftliche Angstphantasie dieser Ära.“
(Musik: „In der Halle des Bergkönigs“, oder ähnlich)
TC 15:36 – Die große Stunde der Verschwörungstheorien
Erzähler
Und so schlägt die Stunde der Verschwörungstheoretiker, die unmittelbar damit beginnen die Illuminaten für so gut wie alles verantwortlich zu machen und bis heute nicht damit aufgehört haben. Die Französische Revolution, die Kornkreise in England, ja sogar, dass am Wochenende nie ein Klempner zu erreichen sei –
für all das sollen die im Verborgenen fortbestehenden Illuminaten verantwortlich sein. Selbstverständlich soll auch die Weltmacht USA schon seit Ihrer Gründung – die übrigens der ausgewanderte und in George Washington umbenannte Adam Weißhaupt höchst selbst vorgenommen haben soll – von den Illuminaten gelenkt sein.
(Musik aus)
Erzählerin
Beliebtester Beweis dafür: Der 1-Dollar-Schein. Der sei voller Illuminaten-Symbole. Zum Beispiel, sehr raffiniert versteckt, diese ganz winzig kleine Eule, seit jeher Zeichen der Illuminaten, dort rechts oben… Prof. Marco Frenschkowski hält von alledem ... nichts:
OT Prof. Marco Frenschkowski:
Das hat damit gar nichts zu tun. Da gibt es auch eigene Untersuchungen drüber. Natürlich gehören zum Selbstbild der USA auch Elemente aus dem 18. Jahrhundert, die eben aus diesem Aufklärungspathos stammen, nicht umsonst ist die USA eine Gründung dieser Jahre, nicht? Aber jetzt speziellere oder gar geheime Querverbindungen kann ich nicht wirklich sehen.“
Erzähler
Wenn man sie offen sehen könnte, wären sie ja nicht geheim – könnten jetzt die Verschwörungstheoretiker sagen. Und spekulieren munter weiter. Sei es in mehr oder minder seriösen „Forschungen“, sei es in Filmen oder Romanen. Den deutschen Illuminatenforscher Karl Koch hat das alles 1989 sogar in Wahnsinn und Selbstmord getrieben. 1998 entsteht aus seinem Schicksal ein Kinofilm, der den Mythos im Endeffekt wieder nur stärkt: „23 - nichts ist so wie es scheint“.
Erzählerin
(Musik spannend an)
23… das soll eine geheime Zahl der Illuminaten sein. Ihre Macht erkenne man daran, dass die Quersumme wichtiger Daten, wie zum Beispiel beim Anschlag auf das World-Trade-Center am 11.9.2001, „immer“ 23 ergäbe. (Musik aus).
Erzähler
Und die Bedeutung dieser Zahl 23 lasse sich auch in Ingolstadt belegen,
(Atmo Stadtführung Schritte an)
schließlich habe der damalige Versammlungsraum der Illuminaten nicht zufällig diese eine Adresse gehabt, die heute jeder Ingolstädter kennt: Theresienstraße 23. Der Illuminatenstadtführer Michael Klarner ist mit seiner Gruppe inzwischen dort angekommen und verdirbt den Verschwörungstheoretikern die Freude…
OT Michael Klarner
„Wir sind jetzt hier in der Theresienstraße vor dem Haus mit der Nummer 23. Und eine bronzene Plakette hier drüben erinnert daran, dass sich hier einst der Versammlungsort der Illuminaten befunden haben soll. Doch wer in die Geschichte eintaucht findet dafür keinen wirklichen Beleg. Und auch die Hausnummer 23 hat keine Historische Bedeutung, denn im 18. Jahrhundert hatte dieses Haus die Bezeichnung „am Weinmarkt 298“ und wenn sie das mal durch 23 teilen, kommt in jedem Fall keine gerade und damit sinnvolle Zahl heraus. Also einzelne von vielen Legenden, die sich heute um die Illuminaten ranken.“
(Atmo Stadtführung, Michael Klarner spricht)
Erzählerin
Die Stadtführung durch Ingolstadt geht dem Ende zu. 69 Minuten, also 3x23, hat sie gedauert.
Und die Zuhörer scheinen überzeugt zu sein, dass es alles nicht so weit her war, mit diesen Illuminaten. Eine Episode bayerischer Landesgeschichte, aber nichts von globaler Bedeutung. Aber wie kann man sicher sein? Was, wenn sämtliche Gegenbeweise zur Existenz und Macht der Illuminaten auch nur gezielt gefälscht und gestreut sind? Immerhin verabschiedet sich selbst der Illuminatenstadtführer mit diesem Gedanken von seinem Publikum:
OT Michael Klarner
„Ob sie meinen Ausführungen natürlich Glauben schenken wollen, das steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht sind es ja nur Nebelkerzen und Strohfeuer, die von der wirklichen Existenz der Illuminaten bis zum heutigen Tage ablenken wollen.“
(Atmo Beifall)
Erzähler
Auch wenn er es hier mit einem Lächeln gesagt hat: Kann es nicht genau so sein? Kann es Sie also doch noch geben?
(Atmo Schritte)
TC 20:20 – Eine einfach Lösung
Als die Gäste weg sind, setzt sich der Stadtführer – nun ohne seine Weißhaupt-Perücke- noch kurz auf eine Bank um etwas Mineralwasser zu trinken. Er selbst, sagt er, glaubt nicht daran, dass es die Illuminaten noch gibt. Nicht nur, weil viele Quellen dagegen sprechen. Vor allem, weil es bei dem ganzen Illuminaten-Mythos eigentlich um etwas vollkommen anderes als geschichtliche Fakten gehe: Um ein menschliches Bedürfnis in einer immer komplizierter werdenden Welt:
OT Michael Klarner:
„Also ich glaube es sind die Menschen generell immer auf der Suche nach Erklärungen. Und es gibt nun mal Dinge die passieren, die auf den ersten Blick nicht zu erklären sind. Ob das jetzt in der Wirtschaft komplexe Zusammenhänge des globalen Handels sind oder in anderen Bereichen. Man weiß nicht: Wieso passiert das so, wie es passiert? Und da ist es natürlich einfach zu sagen: Naja, das hat ja eigentlich den Ursprung in einer finsteren Verschwörung. Da drehen irgendwelche finsteren Mächte irgendetwas und deswegen passiert das jetzt. Dass man sich also Erklärungen sucht, für Dinge, die man vielleicht gar nicht erklären kann. Aber mit der Begründung, da stecken die Illuminaten dahinter, kann man es eigentlich jedem plausibel machen….
TC 21:40 - Outro