Dr. Veronica De Romanis, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der LUISS und Stanford University, bringt in diesem Gespräch spannende Einblicke in die italienische Staatsfinanzierung. Sie diskutiert die Illusion des kostenlosen Mittagessens und die langfristigen Folgen der schuldenfinanzierten Ausgabenpolitik. Ein weiteres Thema sind die Herausforderungen Italiens durch hohe Staatsverschuldung und die Notwendigkeit von Reformen innerhalb der EU. Zudem wird die Dringlichkeit einer stärkeren politischen Integration thematisiert, um öffentliche Güter effektiv zu finanzieren.
Die Bundestagswahl könnte den Status quo fortschreiben, statt echte Reformen anzugehen, was Deutschlands Zukunft gefährdet.
Der demografische Wandel erfordert eine Strategie zur Förderung qualifizierter Zuwanderung und eine Anpassung der Migrationspolitik.
Schockierende Ergebnisse bei internationalen Bildungstests verdeutlichen den dringenden Reformbedarf im deutschen Bildungssystem zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Schüler.
Deep dives
Deutsche Politik nach der Bundestagswahl
Der Wahlkampf zur Bundestagswahl stellte die wirtschaftlichen Themen nicht ausreichend in den Vordergrund, was als problematisch angesehen wird. Politische Akteure haben die wahren wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschland ignoriert und stattdessen auf die Situation verwiesen, dass es an anderen Umständen liegt, wie dem Krieg in der Ukraine. Dies führt zu einem gefährlichen Mangel an Problembewusstsein, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Sanierung Deutschlands. Eine deutliche Botschaft ist, dass Deutschland auf eine umfassende Strategie zur Bewältigung seiner wirtschaftlichen Themen angewiesen ist, anstatt nur Wahlversprechen abzugeben.
Demografischer Wandel und Migration
Der demografische Wandel stellt eine der größten Herausforderungen für Deutschland dar, da die Erwerbsbevölkerung im Laufe des Jahrzehnts schrumpfen wird. Während zwischen 2013 und 2023 7,1 Millionen Menschen nach Deutschland zuwanderten, besteht die Sorge, dass die meisten Migranten nicht ausreichend qualifiziert sind und somit nicht zur Stabilisierung des Sozialsystems beitragen können. Um den Herausforderungen des demografischen Wandels entgegenzuwirken, sind Strategien zur Förderung qualifizierter Zuwanderung, längeren Lebensarbeitszeiten und einer erhöhten Wochen- und Jahresarbeitszeit erforderlich. Ein Umdenken in der Migrationspolitik ist dringend notwendig, um die wirtschaftlichen Bedürfnisse zu decken.
Bildungssystem und Leistungsdruck
Trotz einer steigenden Zahl von Abiturienten weist Deutschland besorgniserregende Ergebnisse in internationalen Bildungstests wie PISA auf. Dies zeigt, dass eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der Absolventen und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Schüler besteht. Insbesondere sind nur 9% der deutschen Schüler in Mathematik in der Lage, hohe Anforderungen zu erfüllen, was im Vergleich zu anderen Ländern äußerst niedrig ist. Es wird ein grundlegender Reformbedarf im Bildungssystem betont, um die Qualität und Vielfalt der Bildung zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Schüler gleich gut gefördert werden.
Energiepolitik und Wohlstand
Die Energiepolitik ist entscheidend für den wirtschaftlichen Wohlstand, da kein wohlhabendes Land zugunsten geringer Energieverbrauchsraten floriert. Die Herausforderung besteht darin, den weltweiten Anstieg des Energiebedarfs mit einer nachhaltigen Energienutzung in Einklang zu bringen. Die bestehende Energiepolitik in Deutschland, die darauf abzielt, den Primärenergieverbrauch drastisch zu reduzieren, könnte kontraproduktiv sein, da diese Strategie die Grundlage des wirtschaftlichen Wachstums gefährdet. Eine Anpassung der Energiepolitik, die auch alternative Energiequellen und die Kernkraft in Betracht zieht, ist notwendig, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.
Wohnungsnot und Baupolitik
In Deutschland gibt es eine signifikante Wohnungsnot, die vor allem in Ballungszentren auftritt, wo die Nachfrage nach Wohnraum den Angebotsrahmen übersteigt. Politische Maßnahmen wie Mietendeckel und Mietpreisbremse schaffen keinen zusätzlichen Wohnraum, sondern verschärfen unter Umständen die Probleme weiter. Vorschläge zur Lösung der Wohnungsnot beinhalten die Freigabe von Bestandsmieten mit entsprechenden Zuschüssen für bedürftige Mieter und die Auflockerung der Bauvorschriften, um den Wohnungsbau zu fördern. Um das Problem nachhaltig zu lösen, wäre eine reformative Herangehensweise notwendig, die sowohl den Wohnungsbau als auch die finanziellen Interessen der Mieter in den Mittelpunkt rückte.
bto#283 – Es ist Bundestagswahl. Und mal wieder ist von einer „Schicksalswahl“ die Rede. Vermutlich war diese Einschätzung allerdings noch nie so zutreffend: fünf Jahre Stagnation, zwei Jahre Rezession, Deindustrialisierung, Energiearmut, Staatsversagen und eine politische Elite, die diese Probleme leugnet, nicht versteht oder nicht angehen möchte. Leider gehört auch die wenig erfreuliche Aussicht dazu, dass die Wahl statt einer Weichenstellung für Reformen wohl eher eine Fortschreibung des Status quo bringen wird – lediglich mit anderen Gesichtern für die Verwaltung des Niedergangs. Daniel Stelter macht klare Vorschläge, wie Deutschland wieder auf Kurs kommen kann, denn die Erwartungen an unser Land sind hoch. Ohne ein wirtschaftlich starkes Deutschland wird es auf Dauer schwer sein, den Euro und die Europäische Union stabil zu halten.
Wie groß die Erwartungen wirklich sind, zeigt das Gespräch mit der italienischen Ökonomin Dr. Veronica De Romanis. Sie ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der LUISS, der Freien Internationalen Universität für Sozialwissenschaften in Rom, sowie der Stanford University in Florenz. Im Interview steht auch die europäische Schuldenpolitik im Fokus. Braucht es eine gemeinsame Haftung oder müssen Länder wie Italien ihre Probleme selbst lösen?
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