

STARS DES ABSOLUTISMUS - Maria Theresia, die erstaunliche
Maria Theresia schaffte die Folter ab, führte die allgemeine Schulpflicht ein, und reformierte die Verwaltung. Das hätte der 23-Jährigen bei "Amtsantritt" als Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen niemand zugetraut. Bis heute gehört sie zu den erstaunlichsten Gestalten der Ära des Absolutismus. Von Mira Alexandra Schnoor ( BR 2011/2020)
Credits
Autorin: Mira Alexandra Schnoor
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Axel Wostry, Aglaia Szyszkowitz, Heiko Ruprecht, Heinz Peter
Technik: Angelika Vetter-Wagner
Redaktion: Brigitte Reimer
Im Interview: Prof. Dr. Karl Vocelka (war bis 2012 Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien, inzwischen ist er außerordentlicher Professor für Österreichische Geschichte der Universität Wien im Ruhestand)
KORREKTUR: In der aktuellen Version wurde ein Fehler korrigiert: Statt "Am 13. Mai 1717 wird dem österreichischen Kaiser Karl VI. ..." heißt es nun: "Am 13. Mai 1717 wird Kaiser Karl VI. ..." Das eigentliche "Österreichische Kaisertum", die Donaumonarchie, gab es erst ab 1804.
Besonderer Linktipp der Redaktion:
COSMO: Lost Sheroes
Der mächtigste Pirat aller Zeiten? Eine Frau. Der erste Autor der Menschheit? Eine Frau. In diesem Podcast stellt euch die Schauspielerin Milena Straube immer eine Frau vor, die Großes geleistet hat, die Vorkämpferin, Pionierin, Role Model war. Ihr hört die spannenden Lebensgeschichten unbeachteter Heldinnen. Aus allen Zeiten, aus allen Ländern, aus allen Schichten ZUM PODCAST
Linktipps
WDR (2020): Franz I. – Ehemann von Maria Theresia
Maria Theresia von Österreich war 23, als sie in Wien an die Macht kam. Ihr Vater hatte ihr bewusst einen Mann ausgesucht, der nicht besonders mächtig war: Franz, Herzog von Lothringen. Was im Barock selten vorkam: das Brautpaar kannte sich bereits zuvor und beide liebten einander ein Leben lang. JETZT ANHÖREN
Deutschlandfunk Nova (2019): Warum Maria Theresia zum Mann erklärt werden musste
Frauen an der Macht sind heute keine Seltenheit mehr. Auch wenn sich viele darüber beklagen, dass dies bei weitem noch nicht oft genug der Fall sei. Die Habsburgerin Maria Theresia war die erste Frau auf dem Thron, die sich in Österreich gegen heftige Widerstände behaupten musste. Die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger distanziert sich in ihrem Vortrag dennoch von Feministinnen, die Maria Theresia noch heute als Ideal der Weiblichkeit loben. JETZT ANHÖREN
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Titelsprecher:
Prolog.
MUSIK
Erzähler
Am 13. Mai 1717 wird dem österreichischen Kaiser Karl VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel eine Tochter geboren, Maria Theresia. 'Nur' ein Mädchen - die Eltern wünschen sich einen männlichen Thronfolger, doch auf Maria Theresia folgen zwei weitere Töchter.
Bereits vier Jahre zuvor hatte Kaiser Karl VI. die Thronnachfolge neu geregelt. Das salische Recht, wonach ausschließlich ein männlicher Nachkomme den Thron erben konnte, wurde außer Kraft gesetzt. Die neue Vereinbarung, die Pragmatische Sanktion, bestimmte, dass im Fall des Aussterbens der männlichen Linie der Habsburger die Tochter des letzten Throninhabers zur Herrscherin werden solle und nicht etwa angeheiratete männliche Verwandte.
So vorausschauend der Kaiser in dieser Hinsicht handelte, so nachlässig war er bei der Erziehung. Die älteste Tochter erhielt keine Ausbildung, die sie darauf vorbereitet hätte, einmal Regentin einer Großmacht zu werden.
Die junge Prinzessin tanzte gern, machte Musik und führte ein geborgenes Leben in ihrer Familie. Sie war übrigens recht hübsch, wie der preußische Gesandte Graf Podewils feststellte:
Zitator
„Ihr Gesichtsausdruck ist offen und heiter, ihre Anrede freundlich und anmutig. Man kann nicht leugnen, daß sie eine schöne Person ist.“
MUSIK
Erzähler
1736 heiratete Maria Theresia den neun Jahre älteren Herzog Franz Stephan von Lothringen, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte. Es war, äußerst ungewöhnlich in den Kreisen des Hochadels, eine Liebesbeziehung.
Bis zum Tod Franz Stephans im Jahr 1765 waren die beiden 29 Jahre verheiratet oder, wie Maria Theresia berechnete:
MARIA THERESIA
„Mein glücklicher Ehestand währte Jahr 29, Monat 335, Wochen 1.540, Tage 10.781, Stunden 258.744.“
MUSIK
Titelsprecher
Eine Frau auf Habsburgs Thron
Erzähler
1740 starb Kaiser Karl VI., Maria Theresia wurde zur Herrscherin über viele, unterschiedliche Länder.
MARIA THERESIA
„Königin zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slowenien. Erzherzogin zu Österreich, Herzogin zu Steyer, Kärnten und Krain, Schlesien, Brabant, Limburg, Luxemburg, Mailand, Mantua, Parma, Piacenza. Markgräfin zu Mähren. Fürstin zu Siebenbürgen. Gefürstete Gräfin zu Tirol und Flandern. Markgräfin des heiligen Römischen Reiches zu Burgau.“
Erzähler
Dass sie den Thron tatsächlich besteigen konnte, schien zunächst alles andere als selbstverständlich, Maria Theresia musste damit rechnen, auf viel Widerstand zu stoßen, sowohl bei den Regenten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, als auch bei den Untertanen ihrer vielen Länder. Einigermaßen verblüfft konstatierte der venezianische Gesandte in Wien, dass die neue Herrscherin schnell allgemein anerkannt wurde.
Zitator
"Aus den Provinzen kommen täglich Berichte von der geleisteten Huldigung, alles vollzieht sich in bewunderungswürdiger und gleichsam unerwarteter Harmonie."
Erzähler
Das Erbe, das sie antrat, war kein glanzvolles. Sowohl die Armee als auch Wirtschaft und Verwaltung ihrer Länder waren marode.
MARIA THERESIA
„Niemand glaube (ich) werde widersprechen, dass ein gekröntes Haupt in schwerer- und misslicheren Umständen seine Regierung als ich angetreten habe.“
Erzähler
Doch die erst 23 Jahre junge Frau ließ sich nicht entmutigen. Sie machte sich sofort daran, eine der prägenden europäischen Herrscher des 18. Jahrhunderts zu werden und ihr Land durch Reformen voranzubringen. Der Historiker Karl Vocelka, Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien:
1 O-Ton Vocelka1
„Was sie charakterisiert hat ist, dass sie als Frau in eine Männerrolle schlüpfen musste, zur Herrschaft gelangt ist, ohne große Vorbereitung. Ihr Vater hat, obwohl er wusste, dass sie seine Nachfolgerin wird (…) sie dennoch nicht vorbereitet auf diesen Job, auf diese Funktion…“
MUSIK
MARIA THERESIA
„(Ich habe) die zu Beherrschung so weitschichtiger und verteilter Länder erforderliche Erfahr- und Kenntnüs um so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niemals gefällig war, mich zur Erledigung weder der auswärtigen noch inneren Geschäfte beizuziehen noch zu informieren.“
2 O-Ton Vocelka
„… und sie hat sich eigentlich mit Hilfe vieler Berater natürlich sehr gut geschlagen auf diesem Gebiet.“
MARIA THERESIA
„Das bisschen Ruhm, das ich mir in der Welt erworben habe, schulde ich der guten Wahl meiner Vertrauten. Ich habe das Glück gehabt, verdienstvolle und rechtschaffene Leute zu finden.“
Erzähler
Bei aller Bescheidenheit: Maria Theresia war zum Herrschen geboren. Noch einmal der venezianische Gesandte:
Zitator
„Sie ist in der Tat nach allgemeinem Urteil so, dass man niemand anderen als sie zur Bewahrung des Erbes des Hauses Habsburg auswählen würde, wenn man die Möglichkeit hätte, frei die Erbin in der ganzen Welt zu suchen.“
MUSIK
Titelsprecher
Kindersegen oder:
MARIA THERESIA
„Man kann nicht genug davon haben, in diesem Punkt bin ich unersättlich.“
Erzähler
Bereits ein Jahr nach der Hochzeit brachte Maria Theresia ihr erstes Kind zur Welt, die Tochter Maria Elisabeth, die im Alter von drei Jahren starb. Eineinhalb Jahre später, im Oktober 1738, kam Maria Anna, und im Januar 1740 folgte eine weitere Tochter, die aber nur ein Jahr alt wurde. Am 13. März 1741 dann endlich der ersehnte Thronfolger, Joseph. Zwischen 1737 und 1756 gebar Maria Theresia 16 Kinder, das macht in 19 Jahren 16 Schwangerschaften und Geburten. Sechs ihrer Kinder starben im Kindes- oder Teenager-Alter. Die übrigen zehn überlebten ihre Mutter.
Die physische Leistung, die Maria Theresia erbrachte, ist kaum vorstellbar. Neben den zahlreichen Schwangerschaften und Geburten musste sie schließlich einen kriegsgeschüttelten Vielvölkerstaat regieren.
MUSIK
Titelsprecher
Arbeiten oder:
MARIA THERESIA
„Wir leben in dieser Welt, um unseren Mitmenschen Gutes zu tun, denn wir sind nicht für uns selbst da oder gar nur, um uns zu amüsieren.“
Erzähler
Maria Theresias Einstellung zur Arbeit war vorbildlich. Sie stand um halb sechs Uhr in der Früh auf und ging zur Messe. Um halb acht Uhr begann sie mit der Arbeit: sie las Akten oder ließ sie sich vorlesen, und empfing ihre Sekretäre und Minister zum Referat. Das dauerte bis zwölf Uhr mittags. Am Nachmittag dann:
MARIA THERESIA
„4 uhr bis 6 uhr expedirn, schreiben, audienzen.“
Erzähler
Der preußische Gesandte Podewils berichtete an seinen König:
Zitator
„Sie beschäftigt sich viel mit ihren Staatsangelegenheiten und bemüht sich, genaue Kenntnis von ihnen zu bekommen. Sie liest die meisten Berichte ihrer Gesandten, prüft die Entwürfe der Schriftstücke, unterhält sich oft mit ihren Ministern und wohnt den Konferenzen bei, die über Staatsgeschäfte von irgendwelcher Bedeutung abgehalten werden.“
MUSIK
Titelsprecher
Militärisches oder:
MARIA THERESIA
„Was für ein abscheuliches Geschäft ist doch der Krieg; er ist gegen die Menschlichkeit und gegen das Glück.“
Erzähler
Die junge Königin saß kaum auf ihrem Thron, da begann Friedrich von Preußen einen Krieg. Der König, nur ein paar Monate vor Maria Theresia gekrönt, nutzte die Gunst der Stunde, denn die Habsburger Herrscherin stand ohne schlagkräftige Armee da - ihr Vater hatte es unterlassen, das Armeewesen zu reformieren.
MARIA THERESIA
„Die ihren Feinden so förchterlich ehedessen geweste kaiserliche Truppen, die für die erste in Europa gehalten wurden, verloren bei Freund- und Feinden den größten Teil ihres Ansehens.“
Erzähler
Friedrich II. warf einen begehrlichen Blick auf das reiche Schlesien. Was ihn antrieb, aus dem Nichts einen Krieg zu beginnen, beschrieb er selbst so:
Zitator
„Beim Tod meines Vaters fand ich ganz Europa in Frieden. (Ich) war im Besitz schlagfertiger Truppen, eines gut gefüllten Staatsschatzes und von lebhaftem Temperament; das waren die Gründe, die mich zum Kriege mit Therese von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn, bewogen. Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch, mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag und der Krieg ward beschlossen.“
Erzähler
Also wurden tausende Soldaten in Marsch gesetzt, ein verlustreicher Krieg begann, in dem es hauptsächlich um Eitelkeiten, Gier und Machtansprüche ging. Im Dezember 1740 fiel der preußische König in Schlesien ein – der österreichische Erbfolgekrieg hatte begonnen. Er dauerte insgesamt acht Jahre, sämtliche europäischen Mächte waren mehr oder weniger involviert, gekämpft wurde auf verschiedenen Schauplätzen in Europa, Bündnisse wurden geschlossen und sofort wieder gebrochen, wenn es der eigene Vorteil gebot.
Aus seiner Position der Stärke heraus verlangte Friedrich II., dass man ihm das besetzte Schlesien offiziell überlasse. Als notorischer Frauenfeind dachte er anscheinend, die junge, unerfahrene Königin mit seinem rechtswidrigen Verhalten und der Stärke seiner Armee einschüchtern zu können. Doch Maria Theresia widersetzte sich und ließ ihrem Widersacher mitteilen:
Maria Theresia
„Die Königin hat nicht die Absicht, ihre Regierung mit der Zerstückelung ihrer Staaten zu beginnen. (…) Sie (kann) weder einer Gesamt- noch einer Teilabtretung Schlesiens zustimmen.“
Erzähler
Auf Maria Theresias Seite standen England, als Erzfeind Frankreichs, Russland, und der unsichere Kantonist Sachsen, während sich Preußen mit Frankreich, Bayern und Spanien verbündete.
Der österreichische Erbfolgekrieg ist ein verwirrendes Hin und Her, bei dem Maria Theresia nicht nur gegen Preußen und Frankreich, sondern auch gegen den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht kämpfen musste. Dieser hatte die Pragmatische Sanktion nicht anerkannt, und erhob Ansprüche auf einige Länder des Habsburger Reiches, da er mit einer Cousine Maria Theresias verheiratet war. Oberösterreich und Böhmen wollte er sich gemeinsam mit den Franzosen erkämpfen. Doch das misslang. Einen Erfolg konnte Karl Albrecht allerdings verbuchen: im Februar 1742 wurde er in Frankfurt zum deutschen Kaiser gekrönt.
Als er drei Jahre später starb, änderte sich die Lage. Sein Sohn, Kurfürst Max III. Joseph schloss Frieden mit Maria Theresia und versprach, die Wahl ihres Mannes, Franz Stephan zum deutschen Kaiser zu unterstützen. Die Gefahr aus Bayern war Maria Theresia nun los, nicht aber die aus Preußen, und der Krieg ging weiter. Friedrich II. blieb Maria Theresias lebenslanger Feind.
3 O-Ton Vocelka7
„Maria Theresia hat Friedrich von Preußen gehasst. Sie nennt ihn Scheusal und Bestie, sie hat ihn zutiefst verabscheut und gehasst. (…) Man hat (…) diese Abneigung verstehen können, weil ja in letzter Instanz der Beginn der ganzen Auseinandersetzung, die dann mit den beiden Schlesischen Kriegen und dem österreichischen Erbfolgekrieg 8 Jahre der Herrschaft Maria Theresias ausfüllen, natürlich durch diesen "räuberischen Überfall" Friedrichs von Preußen auf Schlesien ihren Anfang genommen hat.“
MUSIK
Erzähler
Acht Jahre Krieg. Nachdem der Erbfolgekrieg im Oktober 1748 mit dem Frieden von Aachen beendet wurde, blieben Maria Theresia nur acht friedliche Jahre, bis es 1756 mit dem siebenjährigen Krieg wieder los ging.
4 O-Ton Vocelka12
„Sie hat den Krieg im Prinzip grundsätzlich abgelehnt, aber hat keine großen Alternativen gehabt, als Kriege zu führen, (…) Sie war keine große Kriegsheldin in dem Sinne, dass sie eine Freude am Krieg hatte, sondern sie hat den Krieg als ein notwendiges Übel der Politik der damaligen Zeit betrachtet.“
MUSIK
Titelsprecher
Die "Kaiserin"
Erzähler
Mit dem Tod des bayerischen Kurfürsten wurde im Januar 1745 der Kaisertitel wieder frei. Eigentlich hätte er Maria Theresia gehört, denn die Habsburger stellten schon seit Jahrhunderten den deutschen Kaiser. Aber für das Deutsche Reich galt die Pragmatische Sanktion nicht, hier war es unmöglich, dass eine Frau die Kaiserkrone erhalten konnte. Daher wurde Maria Theresias Ehemann Franz Stephan im Oktober 1745 zum Kaiser gekrönt. "Kaiserin" war Maria Theresia fortan nur als Ehefrau des Kaisers.
MUSIK
Titelsprecher
Reformen
Erzähler
Nicht nur die Armee musste reformiert werden, Maria Theresia stand vor der Aufgabe, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz und das Bildungswesen ihres Landes zu erneuern. Sie begann mit einer Heeresreform, denn die Schlesischen Kriege hatten gezeigt, dass die österreichische Armee im europäischen Vergleich nicht bestehen konnte, oder, wie ein Bonmot aus späterer Zeit lautete:
Zitator
„Österreich hinkt immer nach, um eine Idee oder ein Jahr oder eine Armee.“
5 O-Ton Vocelka5
„Einerseits waren die Reformen in der Monarchie notwendig. (…). Schlesien ging im 1. Schlesischen Krieg an Preußen verloren (…) und innerhalb kürzester Zeit hat sich herausgestellt, dass Preußen imstande war, mehr Steuern aus diesem Schlesien herauszuwirtschaften, als das die Habsburger Monarchie davor gekonnt hat und das hat gezeigt, dass hier dringende Reformen des Systems notwendig sind. Dort beginnt's auch mit der Steuerpolitik, man hat versucht, die adeligen Stände zu entmachten und die Steuerpolitik ganz zu einer Aufgabe des Staates zu machen. Das zieht viele andere Reformen nach sich. Im Wesentlichen (…) kommt es zu einer Zentralisierung der Verwaltung, der Versuch die Verwaltung in unterschiedlichen Schichten aufzubauen, d.h. bis in die untere Ebene hinein, bis in die Kreisebene hinein gab es eben dann Kreisämter, die sowohl Einfluss auf die Politik des Kreises nahmen, aber auch nach Wien berichteten, also auch diesen Zentralismus verstärkt haben.“
Erzähler
Im Gegensatz zu anderen Großmächten war Österreich ein Vielvölkerstaat. Die verschiedenen Länder, die er vereinigte, hatten unterschiedliche Sprachen, Gesellschaftsordnungen, Rechtssysteme und auch unterschiedliche Armeen und Militärausbildungen. Dies alles galt es anzugleichen.
6 O-Ton Vocelka5
„Es gab Reformbedarf in vieler Hinsicht, etwa eine Frage, die in ganz Europa zu diesem Zeitpunkt diskutiert wurde, war die allgemeine Verpflichtung zum Unterricht, also in Österreich gibt’s keine Schulpflicht bis heute, sondern eine Unterrichtspflicht, die Maria Theresia eingeführt hat. Aber auch in vielen anderen Bereichen gab es Reformansätze, die im Geist der Zeit lagen. Es ist letztlich eine Zeit, in der Gedanken der Aufklärung eine Rolle spielen, selbst wenn Maria Theresia nicht als aufgeklärte Monarchin zu bezeichnen ist, so ist doch ihr Umkreis sehr stark von diesem Reformgeist der Aufklärung beeinflusst gewesen.“
MUSIK
Titelsprecher.
Die alten Werte oder:
MARIA THERESIA
„Nichts ist so nützlich und heilsam wie die Religion.“
Erzähler
Obwohl Maria Theresia viele Reformen auf den Weg brachte und durchaus einen pragmatischen Modernismus pflegte, hielt sie konservative Werte sehr hoch. Als tiefgläubige Katholikin besuchte sie regelmäßig die Messe, unterzog sich Exerzitien und hielt die Fasttage ein. Als Herrscherin und Mutter versuchte sie ihre Landeskinder und ihre eigenen Kinder vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Vor aufklärerischen Gedanken zum Beispiel. Eine Zensurbehörde hatte Schriften zu verbieten, die die katholische Religion oder die gesellschaftliche Ordnung in Frage stellten. Laster und Unmoral ihrer Untertanen versuchte Maria Theresia mit teilweise drastischen Mitteln zu bekämpfen: eine Keuschheitskommission sollte dafür sorgen, dass Prostituierte von den Straßen verschwanden und bestraft wurden. Auch die Freier - oft verheiratete und angesehene Mitglieder der besten Gesellschaft - sollten überwacht werden. Das Gut der Ehe war eines der höchsten für Maria Theresia, sie war glücklich mit Franz Stephan verheiratet und hielt ihm selbstverständlich lebenslang die Treue.
7 O-Ton Vocelka4
„Er hingegen hat durchaus auch andere Abenteuer gehabt und böse Zungen haben behauptet, schon Zeitgenossen haben behauptet, dass Maria Theresias Einrichtung der Keuschheitskommission nicht zuletzt ein Überwachungsmechanismus für ihren untreuen Gemahl gewesen sein könnte.“
MUSIK
Titelsprecher
Der Tod des Kaisers:
MARIA THERESIA
„Ich lebe dahin wie ein Tier, habe kein Gefühl und keine Vernunft, ich vergesse alles.“
Erzähler
1765 erlag Kaiser Franz Stephan in Innsbruck einem Herzinfarkt.
MARIA THERESIA
„Kaiser Franciscus mein Gemahl hat gelebt 56 Jahr, 8 Monat, 10 täge, ist den 18 augusti 1765 gestorben halbe 10 Uhr Abends.“
Erzähler
Maria Theresias Witwenschaft sollte fünfzehn Jahre dauern. Sie litt. Doch ihr Pflichtgefühl verbot es ihr, sich ganz von der Regierung zurückzuziehen. Ihr Sohn wurde nach dem Tod seines Vaters zum neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt und von Maria Theresia zu ihrem Mitregenten ernannt.
MUSIK
Titelsprecher
Mutter und Sohn oder:
MARIA THERESIA
„Es ist fürwahr ein großes Unglück, mit dem besten Willen verstehen wir uns nicht.“
8 O-Ton Vocelka6
„Joseph II. war von all den Herrschern des 18. Jahrhunderts ganz sicher der am weitesten mit dem Gedankengut der Aufklärung vertraute, und auch das Gedankengut der Aufklärung umsetzende. Die zwei Kernfragen der Aufklärung hat ja Maria Theresia schon unter dem Einfluss ihres Sohnes gelöst, nämlich die Frage der Abschaffung der Folter. Und auf der anderen Seite der zweite große Diskurs war die religiöse Toleranz. Die ist erst unter Joseph II. zustande gekommen. Maria Theresia war religiös sehr intolerant als sehr eifrige Katholikin. Die Zusammenarbeit von Mutter und Sohn hat natürlich nicht sehr gut geklappt. Die beiden waren grundverschieden von ihrer Zugangs¬weise zu den Dingen und es gab einen heftigen Generationenkonflikt, (…) weil Joseph II. in vieler Hinsicht sehr viel radikaler die Gedanken der Aufklärung vertreten hat, als das seine Mutter je gekonnt hat.“
Erzähler
Ihre Vorstellungen in politischen und gesellschaftlichen Fragen klafften weit auseinander, und der Versuch Übereinstimmungen zu finden, zermürbte beide.
MARIA THERESIA
„Ich bin so unglücklich, den Kaiser meistens nicht von meinen Absichten überzeugen zu können. Er hat sehr oft andere: das bringt viel Nachteil für die Geschäfte mit sich und macht mir das Leben unerträglich.“
MUSIK
Titelsprecher
Das Ende oder:
MARIA THERESIA
„Ich kann mich nicht beklagen: der Mensch muss aufhören.“
Erzähler
Nach all' den Schwangerschaften und Geburten, den Sorgen um ihr Land und der schwierigen Regentschaft mit ihrem Sohn war Maria Theresia im Laufe der Jahre müde und krank geworden; sie war sehr korpulent, kurzatmig und fast blind.
Am 29. November 1780 starb sie im Alter von 63 Jahren.
9 O-Ton Vocelka14
„Bei den Österreichern hat es ganz sicherlich einen bis heute prägenden Eindruck hinterlassen, man spricht von der Maria-Theresianischen Epoche. Maria Theresia ist eine der beliebtesten Persönlichkeiten auch heute noch, wenn man Österreicher befragt, fast gleichauf mit Leuten wie Mozart. Und zweifellos hat ihre Epoche, die eine Epoche der Modernisierung des Staates ist, wo es einen erheblichen Modernisierungsschub gegeben hat, wo eine Verwaltung geschaffen wurde, die grundlegend bis zum Ende der Monarchie bestanden hat und in manchen Elementen darüber hinaus ihre Wirkung gehabt hat, hat eine ganz große Vorbildrolle gespielt und ist eine ganz eine wichtige Epoche zumindest für die Geschichte der Habsburger Monarchie und die österreichische Geschichte.“