#289 "Es braucht eine Ansage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen"
Jan 22, 2025
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Lia Becker, Expertin für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und Atlanta Ina Beyer, promovierte Queer-Studien, erörtern im Gespräch ihr Buch "Bite Back!". Sie analysieren den rechten Kulturkampf gegen queere Identitäten und dessen Verbindung zum Klassenkampf. Es werden queer-feministische Politiken, Erfahrungen von Lohnabhängigen und Herausforderungen für Transpersonen im Arbeitsleben thematisiert. Zudem diskutieren sie die Notwendigkeit einer intersektionalen Solidarität sowie die Rolle der Gesellschaft im gegenwärtigen Widerstand.
Die Notwendigkeit einer klaren Positionierung gegen autoritäre und neoliberale Strömungen, um die gesellschaftlichen Debatten über Themen wie Transrechte nicht zu marginalisieren, wird hervorgehoben.
Das Buch 'Bite Back!' beleuchtet die Verzahnung von queeren und Klassenkämpfen, um ein umfassenderes Verständnis sozialer Gerechtigkeit zu fördern.
Der intersektionale Ansatz, der queere und feministische Kämpfe miteinander verbindet, wird als essenziell erachtet, um eine starke solidarische Bewegung zu entwickeln.
Deep dives
Gegenpolarisierung gegen autoritären Neoliberalismus
Eine klare Positionierung gegen den autoritären, neoliberalen Kulturkampf ist notwendig, um die gesellschaftlichen Debatten über wichtige Themen wie Transrechte, Rassismus und das Bleiberecht für Geflüchtete nicht zu marginalisieren. Es wird betont, dass diese Themen offensiv angegangen werden müssen, um eine inklusive Gesellschaft zu gestalten. Die Vorstellung, dass Identitätspolitik und Klassenpolitik sich gegenseitig ausschließen, sollte überwunden werden, da diese Bereiche miteinander verwoben sind. Eine solche intersektionale Perspektive würde eine stärkere und solidarischere politische Bewegung fördern, die in der gegenwärtigen politischen Landschaft dringend erforderlich ist.
Verbindung von queeren und Klassenkämpfen
Die Publikation 'Bite Back' fördert die Diskussion über die Verzahnung von queeren Kämpfen und Klassenkämpfen und stellt fest, dass in linken Diskussionen oft queere Stimmen fehlen. Das Buch beleuchtet die besonderen Klassenerfahrungen queerer Menschen, insbesondere in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz und ein höheres Risiko von Armut. Diese Verbindungen sind entscheidend, um ein ganzheitliches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit zu entwickeln. Indem queerfeministische und materialistische Ansätze zusammengebracht werden, kann eine breitere Basis für Verständnis und Unterstützung geschaffen werden, die alle betroffen Gruppen berücksichtigt.
Herausforderungen intersektionaler Politik
Die Schwierigkeiten, die Erfahrungen von Ausbeutung im Kapitalismus und Queerfeindlichkeit zusammenzudenken, werden als tief verwurzelt in den historischen Vorstellungen von Klasse identifiziert. Es ist notwendig, den starren Begriff von Klasse zu hinterfragen und Inclusivität zu fördern, um auch marginalisierte Gruppen zu integrieren. Das Beispiel der Black Lives Matter Proteste wird angeführt, um zu zeigen, wie identitäre Kämpfe oft separiert wahrgenommen werden, obwohl sie miteinander verknüpft sind. Ein Umdenken in der politischen Auseinandersetzung ist erforderlich, um einen umfassenden Ansatz für soziale Gerechtigkeit zu entwickeln.
Queeres Prekariat in der Lohnarbeit
Die Prekarität queerer Lohnabhängiger wird thematisiert, da viele Queers in Berufen arbeiten, die von Unsicherheit und Diskriminierung geprägt sind. Oft werden queere Erfahrungen in der Arbeitswelt nicht ausreichend anerkannt, obwohl viele, zum Beispiel in sozialen Berufen, einer ständigen Vulnerabilität ausgesetzt sind. Dies führt zu höheren Raten von Erwerbslosigkeit und Altersarmut unter queeren Menschen. Es wird betont, dass die Arbeitsrealitäten von Queers dringend sichtbar gemacht werden müssen, um auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen einzugehen.
Kritik an liberalen Identitätspolitiken
Liberal identitätspolitische Ansätze, die sich auf Anerkennung und Gleichstellung konzentrieren, werden als unzureichend erachtet, da sie tiefere soziale Fragen und die strukturelle Ungerechtigkeit im bestehenden System nicht adressieren. Diese Politiken tendieren dazu, soziale Probleme und Machtverhältnisse nicht in ihrer gesamten Komplexität zu erfassen, sodass essentielle Themen wie das Recht auf soziale Absicherung und Gesundheitsversorgung oft zu kurz kommen. Das Buch fordert eine kritische Auseinandersetzung mit den Grenzen dieser liberalen Politiken und die Notwendigkeit einer umfassenderen Sichtweise auf soziale Gerechtigkeit. Eine transformationale Politik muss sowohl intersektional als auch solidarisch sein.
Hoffnung und der Weg nach vorn
Trotz der herausfordernden politischen Landschaft wird Optimismus aus dem zunehmenden Interesse an den Themen von Minderheiten und den Kämpfen gegen Diskriminierung geschöpft. Es wird festgestellt, dass Widerstandsbewegungen, wie die feministischen Streiks oder die Black Lives Matter Bewegung, nicht nur beispielhaft sind, sondern auch eine engere Verzahnung aller sozialer Kämpfe anstreben. Der Weg in eine intersektionale, solidarische Zukunft erfordert jedoch kollektives Handeln und eine Neudefinition der politischen Erzählungen. Die Überwindung von Spannung zwischen populärer und intersektionaler Politik wird als entscheidend erachtet, um eine breitere Bewegung und Verbindungen zwischen verschiedenen Kämpfen zu schaffen.
Lia Becker und Atlanta Ina Beyer über ihr Buch "Bite back!" und unteilbare Solidarität
Der rechte Kulturkampf gegen Trans-Personen und Queers ist auch ein Klassenkampf von oben, sagen Lia Becker und Atlanta Ina Beyer. Was Linke dem entgegenhalten können, danach fragt ihr Sammelband "Bite back!". Ein Gespräch über queere Klassenerfahrungen, die Grenzen liberaler LGBTIQ-Politiken und die Vision eines intersektionalen Sozialismus.
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Lia Becker arbeitet im Bereich Gesellschaftsanalyse und politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin.
Atlanta Ina Beyer — Atlanta Ina Beyer hat zu queeren Punk-Utopien promoviert. They arbeitet im Antidiskriminierungs- sowie (Hochschul-)Bildungsbereich und lebt in Berlin.