Herbert Lackner, Journalist und Buchautor, und Franz Vranitzky, ehemaliger Bundeskanzler Österreichs, tauchen in die komplexen Erfahrungen ehemaliger Exilanten ein. Sie erörtern die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen Rückkehrer konfrontiert waren, insbesondere im Umgang mit der Vergangenheit nach dem Nationalsozialismus. Themen wie der Boykott von Brecht-Stücken und die unzureichende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Österreich werden angesprochen. Außerdem wird die Bedeutung von Auschwitz und die Notwendigkeit der Wachsamkeit in der heutigen Demokratie hervorgehoben.
Die Rückkehr von österreichischen Emigranten nach dem Zweiten Weltkrieg war oft geprägt von Ablehnung und Stigmatisierung aufgrund ihrer Vergangenheit.
Die österreichische Nachkriegsgesellschaft mied die Auseinandersetzung mit den Schrecken der NS-Zeit, was Erinnerungsarbeit erschwerte.
Deep dives
Österreichs Umgang mit Emigranten
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten viele österreichische Emigranten, darunter bedeutende Künstler und Intellektuelle, in ihre Heimat zurück, wurden jedoch oft nicht willkommen geheißen. Die Gründe für die Ablehnung reichten von politischer Stigmatisierung bis hin zu persönlichen Verlusten, wobei besonders jüdische Rückkehrer häufig mit offenen Wunden konfrontiert wurden, da Angehörige in der Shoah ermordet wurden. Historische Figuren wie Stefan Zweig dokumentierten ihre scharfen Beobachtungen zur aufkommenden Diktatur, was darauf hinweist, dass viele Emigranten die politischen Veränderungen während der NS-Zeit nicht ignorieren konnten. Dennoch führten die schwerwiegenden Erfahrungen vieler zurückkehrender Emigranten zu einem unausgesprochenen Stigma, das es schwierig machte, über ihre Rückkehr zu sprechen.
Die Flüchtlingsrealitäten der Vor- und Nachkriegszeit
Die Trilogie thematisiert die komplexen Erfahrungen von Flüchtlingen, die vor den Nazis flohen, und hebt hervor, dass nicht alle Flüchtlinge aus dem Ausland stammten. Insbesondere die ersten beiden Bände untersuchen, wie in den Jahren vor 1938 die Faschisten Europa überrollten und viele Künstler und Schriftsteller zur Flucht zwangen. Im ersten Teil wird ein größerer Kontext der Flüchtlingskrisen im modernen Europa aufgezeigt, der oft aus einer einseitigen Perspektive betrachtet wird. Der Rückkehrversuch nach 1945 stellte viele vor die Frage, ob sie noch Teil einer Gesellschaft sein können, die sie während der Nazizeit verfolgt hat.
Widersprüchliche Narrative in der politischen Landschaft
Die unterschiedlich geprägten Rückkehrgeschichten derjenigen, die in Europa blieben, und der Emigranten, die zurückkehrten, werfen ein Licht auf die Ambivalenz der österreichischen Nachkriegsgesellschaft. Während manche bekannte Künstler nach dem Krieg Anerkennung fanden, wie Herbert Lackner bemerkte, wurden viele Rückkehrer nicht nur ignoriert, sondern auch aktiv dazu gedrängt, ihre erlittenen Erfahrungen zu verharmlosen. Beispielhaft zeigt sich dies bei Kabarettisten wie Karl Farkas, deren Flüchtlingsgeschichten in der Öffentlichkeit kaum bekannt waren. Die Diskussion um die Rolle ehemaliger Nationalsozialisten in der Politik nach dem Krieg verdeutlicht zudem, wie schwierig es war, eine gemeinsame Sprache zu finden und eine kollektive Erinnerung zu schaffen.
Die schweigende Gesellschaft und die Nachkriegspolitik
In den Nachkriegsjahren war die österreichische Gesellschaft stark geprägt von einem Schweigen über die Schrecken der NS-Zeit, was eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erheblich erschwerte. Die Politik der Nachkriegszeit war oft von der Notwendigkeit geprägt, sich um den Wiederaufbau zu kümmern, und viele Themen, wie die Wiedergutmachung für die jüdischen Bürger, wurden vernachlässigt oder in die Länge gezogen. Ein prägnantes Beispiel ist die Ministerratssitzung 1952, in der die Zahl der ermordeten österreichischen Juden als nebensächlich angesehen wurde. Dieser Umstand spiegelt die kollektive Schmerzerfahrung und das Bedürfnis wider, sich nicht mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, während der Aufstieg von Faschismus und Extremismus in anderen Teilen Europas gleichzeitig beobachtet wurde.
Franz Vranitzky (Bundeskanzler a.D.) im Gespräch mit dem Journalisten Herbert Lackner (Buchautor: "Rückkehr in die fremde Heimat") über den Umgang in der Nachkriegszeit mit von den Nazis vertriebenen Österreichern. Diese Episode ist der Mitschnitt einer Veranstaltung des Bruno Kreisky Forums Wien vom 27. April 2021.
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