Michael Thumann, Moskauer Büroleiter der ZEIT und Experte für Osteuropa, beleuchtet die komplexe Rolle Aserbaidschans als Petro-Staat in der globalen Klimadiskussion. Er diskutiert, wie autoritäre Regierungen Klimakonferenzen nutzen und welche Herausforderungen dabei für die Zivilgesellschaft und Medien entstehen. Thumann bringt persönliche Einblicke aus den 90ern ein und thematisiert die kulinarischen Reichtümer Aserbaidschans, während er die Möglichkeit eines Wandels hin zu erneuerbaren Energien reflektiert.
Aserbaidschan, als klassischer Petrostaat, steht vor der Herausforderung, fossile Brennstoffe mit dem Druck für nachhaltige Energielösungen in Einklang zu bringen.
Die geopolitischen Spannungen in der Region, besonders der Konflikt mit Armenien, beeinflussen erheblich die Energiepolitik und die strategische Ausrichtung Aserbaidschans.
Deep dives
Klimagipfel als zentrales Thema der Polykrise
Der Klimagipfel bildet einen zentralen Bezugspunkt für Diskussionen rund um die Polykrise, die viele Dimensionen umfasst, darunter Umweltzerstörung und geopolitische Spannungen. Der Unterschied zwischen den jährlichen Gipfeln verdeutlicht sich durch die unterschiedlichen Länder und Rahmenbedingungen, die Einfluss auf die Erwartungen und die Verhandlungsdynamik haben. Bei jedem Gipfel werden jedoch ähnliche Herausforderungen sichtbar, wie etwa der Raubbau an der Natur und die Ungleichheiten zwischen Nord und Süd. Diese sich wiederholenden Themen bieten interessante Einblicke in die sich verändernden globalen Bedingungen und die Notwendigkeit für ein langfristiges Umdenken und Handeln im Bereich Klimaschutz.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit Aserbaidschans von fossilen Brennstoffen
Aserbaidschan hat turbulente historische Wurzeln als führender Erdölproduzent, was sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Der Staat ist stark vom Öl- und Gassektor abhängig, was sich auch in der geopolitischen Strategie widerspiegelt, um international anerkannt und einflussreich zu sein. Die Machtverhältnisse in der Region werden durch den Bedarf an fossilen Brennstoffen aufrechterhalten, während gleichzeitig der Druck wächst, nachhaltigere Lösungen zu finden. Die Herausforderung wird deutlich, da transnationale Unternehmen und Regierungen oft um die Kontrolle über Ressourcen und Märkte konkurrieren.
Die geopolitische Rolle Aserbaidschans
Aserbaidschan befindet sich an der Schnittstelle zwischen Ost und West und versucht, diese geografische Lage strategisch zu nutzen. Der Einfluss des Landes auf die Energiewelt ist unbestreitbar, insbesondere mit Blick auf die Beziehungen zu den EU-Staaten in Bezug auf Energieversorgung und -sicherheit. Der militärische Konflikt mit Armenien um Bergkarabach verstärkt die geopolitischen Spannungen und verdeutlicht die fragile Balance zwischen regionalen Machtinteressen. Dieses Zusammenspiel von natürlichen Ressourcen und geopolitischen Zielen kann langfristig sowohl wirtschaftliche als auch soziale Folgen für die Region und darüber hinaus haben.
Zukunftsperspektiven und Herausforderungen für Aserbaidschan
Aserbaidschan wird analysiert hinsichtlich seiner Ansätze zur Diversifikation seiner Wirtschaft und der Nutzung erneuerbarer Energien. Das Land hat zwar bereits Schritte unternommen, um den Übergang zu nachhaltigen Energielösungen zu beginnen, bleibt aber stark an fossile Brennstoffe gebunden. Es gibt Überlegungen, wie Aserbaidschan seine Ressourcen nutzen kann, um ein Teil der europäischen Energieinfrastruktur zu werden, insbesondere durch Wind- und Solarenergie. Die Herausforderungen bestehen darin, ein Gleichgewicht zwischen den bestehenden Abhängigkeiten und den künftigen Umweltzielen zu finden, während gleichzeitig geopolitische Spannungen aufrechterhalten werden müssen.
Zum dritten Mal nach Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten richtet eine Autokratie, die vom Erdgas lebt, den Klimagipfel aus. Und wieder ist eine autoritäre Regierung die Gastgeberin. Was bedeutet das für die Zivilgesellschaft, für die Delegierten aus aller Welt und für die Erwartungen, die man an diese COP29 haben darf? – ZEIT-Korrespondent Michael Thumann kennt Aserbaidschan seit den Neunzigerjahren. Mit ihm sprechen wir über das Land und dessen Regierung. Und er erklärt, warum er es in der Klimakrise richtig findet, wenn auch Akteure wie Aserbaidschan mit über Klimaschutz reden.
In jeder Folge von Auch das noch? – der freundliche Krisenpodcast sprechen ZEIT-Politikredakteurin Petra Pinzler und Wissenschaftsredakteur Stefan Schmitt über eine Krise der Gegenwart: Es geht um die Klimakrise, das Artensterben, die Energiekrise und Kriege. Jedes Mal hilft eine Expertin oder ein Experte zu verstehen, wie alles zusammenhängt. Nicht um zu verzweifeln, sondern weil Verstehen der erste Schritt zur Lösung ist. Und um Lösungen geht es natürlich auch.
Das Team von Auch das noch? erreichen Sie unter krisen@zeit.de. Alle Folgen dieses Podcasts finden Sie hier.
Shownotes
Das Autorenprofil unseres Gastes, Michael Thumann, dem Moskauer Büroleiter der ZEIT, finden Sie bei ZEIT ONLINE ebenso wie den Ostcast, den er mit Alice Bota hostet.
Wer nach Westen will, muß warten hieß der erste Text, den Michael Thumann im Jahr 1992 für die ZEIT schrieb. Er handelt von der im Podcast angesprochenen Sitzung des Europarats, dem auch Aserbaidschan angehört, in Istanbul.
Sie reden jetzt übers Klima heißt die Reportage, die Michael Thumann im Frühsommer über die Gipfelvorbereitungen in Baku geschrieben hat (ZEIT 21/2024).
Wie die Geopolitik (und die Widersprüche einer nach wie vor überwiegend von fossilen Brennstoffen getriebenen Weltwirtschaft) die Klimaverhandlungen bei der COP27 in Ägypten belastete, beschrieben Andrea Böhm, Tina Hildebrandt und Petra Pinzler in der ZEIT 46/2022: Krieg vor Klima.
Die amerikanische Umweltwissenschaftlerin Holly Jean Buck denkt seit Langem über die Notwendigkeit von CO2-Entfernung aus der Atmosphäre nach. Diese könne ein Eckpfeiler dystopischer wie auch utopischer Zukünfte sein, schreibt sie in dem Artikel Saugt es wieder ein! (Jacobin, April 2022).