Was wird aus Syrien? (Tag 1028 mit Kristin Helberg)
Dec 17, 2024
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Kristin Helberg, Expertin für Syrien, diskutiert die unklare Lage nach dem Sturz des Assad-Regimes. Sie kritisiert die deutsche Debatte über die Rückführung syrischer Flüchtlinge als populistisch und uninformiert. Helberg erklärt, warum der Iran und Russland zu den Verlierern zählen, und thematisiert die Fragen zur künftigen Rolle der EU in Syrien. Hauptthema bleibt das Machtvakuum und die Schwierigkeiten bei der Schaffung einer inklusiven Regierung, während die humanitäre Hilfe und die Perspektiven für die syrische Bevölkerung beleuchtet werden.
Der Sturz von Assad hat ein Machtvakuum geschaffen, das verschiedene Gruppen dazu anregt, um Kontrolle und Einfluss zu kämpfen.
Die Flüchtlingsdebatte in Deutschland wird oft von Unkenntnis und Populismus geprägt, was die Rückkehr von Syriern in die Heimat schwierig macht.
Russland, einst ein entscheidender Unterstützer Assads, sieht sich nun als Verlierer, muss jedoch weiterhin diplomatische Beziehungen aufrechterhalten, um Einfluss zu sichern.
Deep dives
Der Sturz des Assad-Regimes
Der überraschende Rückzug von Bashar al-Assad und das Ende seines Regimes haben in Syrien eine neue Dynamik ausgelöst. Viele Syrer erleben einen Aufbruch und träumen von einer demokratischen Zukunft, die nach Jahrzehnten der Unterdrückung wahr werden könnte. Bei der Eroberung von Aleppo durch die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) war der Anstieg des Widerstands gegen das Regime bemerkenswert, da die Assad-Truppen nahezu ohne Gegenwehr zurückwichen. Diese Situation wirft jedoch Fragen darüber auf, ob die Übergangsregierung tatsächlich inklusive und demokratisch sein wird oder ob das Land erneut in autoritäre Strukturen zurückfallen könnte.
Machtvakuum und Konflikte in Syrien
Der Sturz von Assad hat ein Machtvakuum hinterlassen, in dem verschiedene Gruppen um die Kontrolle kämpfen. Neben HTS gibt es die syrischen demokratischen Kräfte, die kurdisch-dominiert und vom Westen unterstützt werden, sowie militärische Zusammenschlüsse, die auf türkische Unterstützung zählen. Besondere Konflikte entstehen im Norden, wo die syrische Nationale Armee gegen kurdische Kräfte agiert, was die Fragmentierung des Landes weiter vorantreibt. Die Herausforderung besteht darin, eine friedliche Koexistenz zwischen diesen verschiedenen militärischen und politischen Gruppierungen zu finden.
Russlands Rolle und Einflussverlust
Mit dem Sturz von Assad sieht sich Russland als einer der Verlierer, da es stark auf das Assad-Regime setzte. Trotz des Rückzugs aus Syrien bleibt Russland jedoch an diplomatischen Verhandlungen beteiligt, um seinen Einfluss zumindest teilweise zu wahren. Die zukünftige Rolle Russlands wird entscheidend von der neuen syrischen Führung abhängen, da diplomatische Beziehungen und militärische Präsenz in der Region auf dem Spiel stehen. Der Verlust der Kontrolle über Syrien stellt ein Risiko für Russlands strategische Interessen im Nahen Osten dar.
Die humanitäre Krise und Rückkehr von Flüchtlingen
Die Situation in Syrien bleibt nach dem Sturz des Regimes angespannt, da Millionen von Menschen weiterhin innerhalb des Landes vertrieben sind. Die Flüchtlingsdiskussion in Deutschland wirft Fragen auf, ob und wann Syrer sicher in ihre Heimat zurückkehren können. Viele Flüchtlinge, die in Deutschland leben, haben eine Existenz etabliert und stehen einer Rückkehr mit Unsicherheiten gegenüber, da sie nicht wissen, welche Bedingungen sie vorfinden werden. Eine nachhaltige Lösung muss daher die Schaffung sicherer Rückkehrbedingungen in Syrien sowie die Integration der Flüchtlinge in Deutschland berücksichtigen.
Zukunftsausblick und Herausforderungen
Die Aussichten für Syrien hängen stark von der Fähigkeit neuer Herrscher und der internationalen Gemeinschaft ab, einen stabilen Übergang zu ermöglichen. Es gibt Hoffnung auf eine inklusive Regierung, aber auch große Bedenken, dass ein islamistisches Regime eine Rückkehr zu autoritären Strukturen bringen könnte. Der Widerstand gegen Extremismus, die Wiederherstellung der Zivilgesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit sind entscheidend für den langfristigen Frieden und die Stabilität im Land. Diese Herausforderungen müssen dringend angegangen werden, während gleichzeitig die humanitäre Hilfe angepasst wird, um den Bedürfnissen der vom Krieg Betroffenen gerecht zu werden.
Die Lage in Syrien ist nach dem Sturz des Assad-Regimes unübersichtlich, viele Akteure mischen mit. Der Anführer der siegreichen Milizen, Ahmed al-Scharaa, "muss erst noch beweisen, dass er tatsächlich alle Bevölkerungsteile in Syrien repräsentieren möchte," sagt die Journalistin Kristin Helberg im Interview mit Host Carsten Schmiester. Es gebe positive Signale, am Ende aber werde man den Anführer an seinen Taten messen müssen. Die Syrien-Expertin kritisiert die Debatte in Deutschland über die Rückführung von syrischen Geflüchteten. Diese werde mit großer Unkenntnis und mit sehr viel Populismus geführt. Helberg erklärt, warum der Iran nach dem Assad-Sturz zu den größten Verlierern zählt - neben Russland. Allerdings sei Russland keineswegs isoliert im Nahen Osten und könnte auch künftig in Syrien eine Rolle spielen. Ihre künftige Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern in Damaskus will die EU daran knüpfen, ob die sich des russischen Einflusses entledigt, berichtet Kai Küstner. Er fasst zusammen, was über den mutmaßlich ukrainischen Bombenanschlag auf den Chef der russischen Schutztruppen für nukleare, biologische und chemische Waffen, Generalleutnant Igor Kirilow, in Moskau bekannt ist. Und thematisiert Berichte über erste Tote und Verletzte auf Seiten der nordkoreanischen Truppen in Kursk.
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