Die Berichterstattung der Medien spielt eine entscheidende Rolle bei der Differenzierung und Integration pluralistischer Perspektiven in gesellschaftliche Debatten.
Rassismus wird in der Gesellschaft nicht nur von der Unterschicht, sondern zunehmend auch von der Mittel- und Oberschicht getragen, was seine Normalisierung verdeutlicht.
Deep dives
Politische Spannungen und Wahlentscheidungen
Im Jahr 2024 steht Deutschland vor entscheidenden Wahlen, die die Demokratie und den sozialen Frieden herausfordern. Wachsende Zustimmung für rechtsextremistische Parteien zeigt, wie stark polarisiert die gesellschaftlichen Debatten sind. Diese Entwicklung gefährdet das friedliche Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft und erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen des Rassismus. Es wird betont, dass journalistische Medien eine Schlüsselrolle spielen, um die Diskussion zu differenzieren und pluralistische Perspektiven zu integrieren.
Normalisierung von Rassismus
Ein zentrales Thema ist die Normalisierung von Rassismus in der Gesellschaft, die sich auch in jüngsten Skandalen zeigt, wie etwa dem viral gehenden Video von rassistischen Gesten auf Sylt. Der Sozialwissenschaftler Jehan Sinanoglu hebt hervor, dass das rassistische Gedankengut nicht nur von der Unterschicht, sondern vor allem von der Mittel- und Oberschicht getragen wird. Diese Erkenntnisse stellen die Vorstellung in Frage, dass Rassismus ein Randphänomen ist, und zeigen, wie tief verwurzelt er in den gesellschaftlichen Strukturen ist. Sinanoglu warnt vor der Komplizenschaft der Menschen, die wegsehen, wenn solche Vorfälle geschehen.
Strukturelle Ursachen von Rassismus
Die Ursachen von Rassismus sind komplex und werden sowohl aus sozialpsychologischer als auch aus materialistischer Perspektive betrachtet. Während die sozialpsychologische Forschung Rassismus als normales Verhalten in der Menschheit betrachtet, wird in der materialistischen Tradition Rassismus als Teil der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse gesehen. Sinanoglu erklärt, dass Rassismus als Machtinstrument dient, um Gesellschaftsstrukturen zu legitimieren und bestimmte Gruppen zu benachteiligen. Diese strukturellen Ursachen müssen in den Medien stärker thematisiert werden, um ein besseres Verständnis für die Realität zu fördern.
Rolle der Medien in der Gesellschaft
Die Medien haben eine zentrale Verantwortung, um Räume für produktive gesellschaftliche Diskussionen zu schaffen, anstatt den Diskurs nur ereignisgetrieben zu gestalten. Sinanoglu kritisiert, dass viele mediale Erzählungen rassistische Vorurteile verstärken, indem sie Rassismus als Extremismus darstellen und damit die gesellschaftliche Normalität ignorieren. Ein rassismus-sensibler Journalismus würde sich aktiv mit den eigenen Strukturen auseinandersetzen und Diversität innerhalb der Medienhäuser fördern. Der Fokus sollte auf den alltäglichen Erfahrungen der Menschen liegen, um eine umfassendere Sicht auf das Thema Rassismus zu ermöglichen.
Wie gut das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft gelingt, hängt zu einem großen Teil von medial erzeugten Bildern ab: Wie sehen wir uns gegenseitig? Führt Berichterstattung zu produktivem Austausch? Oder zu Abschottung und Isolation? Diesen Fragen geht „quoted. der medienpodcast“ seit zwei Jahren auf den Grund. In über 40 Folgen analysieren Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und SZ-Journalist Nils Minkmar die Rolle der Medien in der Vielfaltsgesellschaft – gemeinsam mit einer Vielzahl von Gästen.
Selten war die politische Lage so angespannt wie jetzt: 2024 stehen Deutschland und Europa vor entscheidenden Wahlen. Wachsende Zustimmung für rechte Parteien bedrohen das vielfältige Zusammenleben so konkret wie selten zuvor. Und rassistische Vorfälle wie zuletzt in einer Bar auf der Nordseeinsel Sylt machen immer wieder Schlagzeilen.
Mit dem Sozialwissenschaftler Cihan Sinanoglu, Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa), stellt die finale Folge von „quoted. der medienpodcast“ die entscheidenden Fragen: Welche Rolle spielen, ganz konkret, journalistische Medien für die Frage, wie polarisiert oder differenziert politische und gesellschaftliche Debatten verlaufen? Welche Art der Berichterstattung leistet eher konstruktiven, welche eher destruktiven Kräften Vorschub? Was ist gut am Umgang von Medien mit dem Rechtsruck? Was müsste sich ändern?
Aufgezeichnet wurde diese Folge am 29. Mai 2024 auf der re:publica in Berlin, dem Festival für die digitale Gesellschaft. „quoted“ ist ein Format von CIVIS Medienstiftung und Süddeutscher Zeitung, gefördert von der Stiftung Mercator.
Die ursprünglich für diese Folge angekündigte Gesprächspartnerin Naika Foroutan musste aus gesundheitlichen Gründen absagen.