"Das Bauen auf der grünen Wiese ist keine gute Idee"
Aug 7, 2024
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Christine Lemaitre, geschäftsführende Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, teilt spannende Einblicke in nachhaltiges Bauen. Sie erklärt, warum neue Häuser mindestens 200 Jahre halten sollten und welche Fragen vor dem Bau gestellt werden müssen. Die Herausforderungen der Wohnungsnot und CO2-Emissionen werden diskutiert, ebenso wie zirkuläres Bauen und der Einsatz von Recyclingmaterialien. Lemaitre betont die Wichtigkeit von klaren Nachhaltigkeitsstandards und geeigneten Materialien, um Umweltbelastungen zu minimieren.
Die Baubranche in Deutschland steht vor der Herausforderung, trotz stagnierender Neubauzahlen nachhaltige und klimafreundliche Praktiken zu integrieren.
Die Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor ist dringend erforderlich, da dieser allein etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs verursacht.
Der Fokus sollte von Neubauten auf die Umnutzung bestehender Gebäude gelegt werden, um Ressourcen zu schonen und ökologische Ziele zu erreichen.
Deep dives
Bauwirtschaft in Deutschland: Eine essentielle Branche
Die Baubranche spielt eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft, was durch die Anzahl von fast 300.000 neu gebauten Wohnungen und Häusern im letzten Jahr belegt wird. Trotz der Bemühungen der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohneinheiten zu schaffen, ist die Tendenz rückläufig. Diese stagnierenden Zahlen reflektieren die Herausforderungen und den Druck, vor dem die Branche steht, insbesondere im Hinblick auf die aktuellen Anforderungen an klimaneutrales Bauen. Dennoch bleibt das Bauen ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Gesellschaft, da die meisten Menschen in vorgefertigten Wohnungen leben und nur wenige tatsächlich selbst bauen.
Energieverbrauch und CO2-Emissionen des Gebäudesektors
Der Betrieb von Gebäuden in Deutschland verursacht etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und eine erhebliche Menge an CO2-Emissionen. Im Jahr 2023 könnten die Emissionen im Gebäudesektor bis zu 109 Millionen Tonnen betragen haben, was die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes weit überschreitet. Die stagnierenden Werte der CO2-Emissionen machen deutlich, dass schnellere und effektivere Maßnahmen zur Reduzierung erforderlich sind. Dies zeigt, wie dringend die Notwendigkeit ist, die Baupraktiken zu überdenken und nachhaltigere Ansätze in den Fokus zu rücken.
Der Einfluss von Heiztechnologien auf das Bauen
Im Jahr 2023 wurden 2,5 Mal mehr fossile Heizungen als klimaneutrale Heizungen verkauft, was den Trend hin zu umweltfreundlicheren Alternativen beeinträchtigt. Diese Situation wird durch die Diskussionen um das Heizungsgesetz verstärkt, die letztlich als Verkaufsförderung für fossile Heizungen interpretiert werden. Der Erfolg von Wärmepumpen steht im Kontrast zu der Realität, dass viele Verbraucher aufgrund von Preissteigerungen und Unwissenheit über alternative Heizmethoden an herkömmlichen Heiztechnologien festhalten. Die Förderung von ökologischen Heizlösungen muss intensiver vorangetrieben werden, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern.
Nachhaltigkeit und Materialwahl im Bauwesen
Die Auswahl von Materialien spielt eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Herstellung von Baumaterialien wie Zement und Stahl erhebliche CO2-Emissionen verursacht, was als 'graue Emissionen' bezeichnet wird. Um die CO2-Bilanz zu verbessern, sollten alternative Materialien und Mischungen in Betracht gezogen werden, wobei die Balance zwischen Stabilität und Ressourcenschonung entscheidend ist. Auch die Verwendung von recycelbaren Materialien gewinnt an Bedeutung, um den ökologischen Fußabdruck während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu minimieren.
Die Perspektive der Bauwende: Herausforderungen und Chancen
Die Diskussion um eine mögliche 'Bauwende' verdeutlicht den Bedarf an einem Umdenken in der Baubranche, um den veränderten klimatischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Anstatt weiterhin in Neubauten zu investieren, sollte der Fokus auf der Umnutzung und Nachverdichtung bestehender Gebäude liegen, um Flächen zu sparen und natürliche Ressourcen zu schonen. Der künftige Bauansatz erfordert Innovationen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Ziele in Einklang bringen. Dies wird nur gelingen, wenn alle Akteure in der Bauwirtschaft — von den Planern bis zu den Nutzern — ein gemeinsames Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltiger Baupraktiken entwickeln und umsetzen.
Warum das höchste Haus der Welt in Dubai nur mit Eiswürfel im Beton gebaut werden konnte. Wie nachhaltiges Bauen geht. Warum neue Häuser am besten 200 Jahre halten sollten und welche Fragen man sich stellen sollte, bevor das Eigenheim steht – das bespricht in dieser Podcastepisode die Bauingenieurin Christine Lemaitre mit den Hosts Petra Pinzler und Stefan Schmitt. Sie ist geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und erklärt, wie sich die Wohnungsnot lindern und gleichzeitig das Klima schützen lässt.
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