Dr. Christina Schreiber, Rechtsanwältin und Datenschutzexpertin im Gesundheitswesen, spricht über den neuen Europäischen Gesundheitsdatenraum. Sie erklärt, wie Patienten leichter auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können und diese für Ärzte im Ausland bereitstellen. Der Einsatz von anonymisierten Daten für Forschung und öffentliche Zwecke wird diskutiert, ebenso wie die Herausforderungen bei der Gewährleistung des Datenschutzes. Die Rolle der nationalen Datenschutzbehörden und die Notwendigkeit verbindlicher Regelungen werden ebenfalls thematisiert.
Der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) zielt darauf ab, den Zugang zu elektronischen Gesundheitsdaten für Patienten und Ärzte in der EU zu verbessern.
Die Verordnung regelt die Sekundärnutzung von anonymisierten Gesundheitsdaten, um die Forschung und die Effizienz der Gesundheitsversorgung zu fördern.
Die technische Umsetzung des EHDS erfordert den Aufbau einer dezentralen Infrastruktur, die Sicherheit und Interoperabilität der Daten gewährleistet.
Deep dives
Einführung in den Europäischen Gesundheitsdatenraum
Der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) ist ein bedeutendes EU-Initiativ, die genutzt werden soll, um den Austausch und die Nutzung elektronischer Gesundheitsdaten innerhalb der EU zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es, Patienten einen besseren Zugang und mehr Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten zu ermöglichen und gleichzeitig eine Nutzung dieser Daten für gesundheitspolitische und wissenschaftliche Zwecke zu fördern. Diese Spannungen zwischen individueller Kontrolle und öffentlichem Interesse sind zentral, da Patienten mehr Rechte in Bezug auf ihre Daten einfordern, während gleichzeitig die medizinische Forschung auf aggregierte Daten angewiesen ist. Es besteht die Herausforderung, diese beiden Ansprüche in Einklang zu bringen, um sowohl den Datenschutz zu gewährleisten als auch Innovation in der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.
Beispiel für Datenschutzverstöße und Bußgelder
In einem aktuellen Fall aus Polen wurde das Ministerium für Digitalisierung mit einem Bußgeld von 100.000 Zloty belegt, weil es gegen die DSGVO verstoßen hatte, indem es ohne rechtliche Grundlage Daten von wahlberechtigten Bürgern an die Post weitergegeben hatte. Dies wirft die Frage auf, wie in verschiedenen EU-Staaten mit Datenschutzverstößen umgegangen wird, wobei die Höhe der Bußgelder und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben entscheidend sind. In diesem Fall war die Geldstrafe für das Ministerium die höchste für öffentliche Einrichtungen in Polen, und es zeigt eine ernste Konsequenz für die Nichteinhaltung von Datenschutzvorschriften. Solche Fälle verdeutlichen die Notwendigkeit einer effektiven Umsetzung und Durchsetzung von Datenschutzgesetzen in der gesamten EU, um ähnliche Verstöße zu verhindern.
Technische Umsetzung des EHDS
Die technische Umsetzung des EHDS erfordert beträchtliche Schritte, um sicherzustellen, dass Gesundheitsdaten sicher, interoperabel und zugänglich sind. Der Fokus liegt darauf, eine dezentrale Infrastruktur zu schaffen, die es Individuen ermöglicht, ihre Gesundheitsdaten zu kontrollieren und zu verwalten, ohne dass diese an einem zentralen Ort gespeichert werden. Sicherheitsanforderungen und Standards für die Speicherung und den Zugang zu Gesundheitsdaten sind von entscheidender Bedeutung, insbesondere in einem Bereich, der so sensitiv wie das Gesundheitswesen ist. Der Zeitrahmen für die Umsetzung sieht vor, dass in den kommenden Jahren schrittweise Fortschritte erzielt werden, jedoch bleiben Herausforderungen in der technischen Umsetzung und in den Standards bestehen.
Rechte der Patienten im EHDS
Im Rahmen des EHDS wird Patienten ein verbessertes Recht auf Zugang zu ihren Gesundheitsdaten sowie Kontrolle über deren Nutzung zugesichert. Die Verordnung sieht vor, dass Patienten ein Widerspruchsrecht geltend machen können, dennoch ist dies auch von den gesetzlichen Regelungen jedes Mitgliedstaates abhängig. Diese Rechte sind entscheidend, um sicherzustellen, dass Patienten die Möglichkeit haben, zu bestimmen, welche Daten geteilt werden und wer Zugriff darauf hat. Gleichzeitig soll eine ausgewogene Struktur geschaffen werden, um den Anforderungen der medizinischen Forschung gerecht zu werden, wobei auch der Datenschutz gewährleistet werden muss.
Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten
Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten ist ein zentraler Aspekt des EHDS, insbesondere für Forschungszwecke, wobei der Zugriff auf aggregierte, pseudonymisierte Daten für Forschungseinrichtungen erleichtert werden soll. Auf diese Weise könnten wichtige Erkenntnisse für die öffentliche Gesundheit und die Verbesserung der medizinischen Versorgung gewonnen werden, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Verarbeitung rechtlichen Vorgaben entspricht. Die Verwendung dieser Daten durch politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden könnte ebenfalls dazu beitragen, evidenzbasierte Entscheidungen im Gesundheitswesen zu treffen. Dennoch bleibt die Gewährleistung der Anonymität und der Schutz individueller Daten eine bedeutende Herausforderung, die adressiert werden muss.
Mit Dr. Kristina Schreiber, Holger Bleich und Joerg Heidrich
In der aktuellen Episode steht der European Health Data Space (EHDS) im Fokus. Die EU-Verordnung zum einem gemeinsamen Gesundheitsdatenraum ist am 26. März in Kraft getreten und wird ab März 2027 schrittweise wirksam. Ziel des ambitionierten Projekts ist es, elektronische Gesundheitsdaten in ganz Europa einfacher zugänglich zu machen – sowohl für Patienten als auch für Ärzte, Forschung und Wirtschaft. Doch was bedeutet das konkret für den Schutz von sensiblen Patientendaten?
Holger und Joerg haben dazu Rechtsanwältin Dr. Christina Schreiber eingeladen. Sie ist Spezialistin im Datenschutzrecht mit Schwerpunkt im Gesundheitswesen und erläutert die Hintergründe und Auswirkungen des EHDS. Laut Kristina bekommen Patienten künftig leichter Zugriff auf ihre medizinischen Daten und können diese digital auch für Ärzte im EU-Ausland zur Verfügung stellen. Einen zentralen Speicherort gibt es dabei nicht; die Daten bleiben dezentral in Arztpraxen und Kliniken gespeichert und werden nur bei Bedarf digital zusammengeführt.
Ein wesentlicher Teil der Verordnung regelt die sogenannte Sekundärnutzung. So sollen Forscher, Behörden und auch Unternehmen Zugriff auf anonymisierte oder pseudonymisierte Gesundheitsdaten erhalten, um die medizinische Versorgung zu verbessern, neue Therapien zu entwickeln und Gesundheitssysteme effizienter zu gestalten. Eine unabhängige Behörde in jedem Mitgliedsstaat soll künftig prüfen, wer wann welche Daten zu welchen Zwecken verwenden darf – stets unter Berücksichtigung der DSGVO.
Angesichts der ambitionierten Ziele sieht Kristina große Herausforderungen. Vor allem die technische Umsetzung sei komplex, und es brauche ausreichend Ressourcen, um die geplanten hohen Datenschutz- und Sicherheitsstandards in der Praxis zu erreichen. Hinzu kommen unterschiedliche nationale Regelungen: In Skandinavien etwa ist die Datenfreigabe für Gesundheitszwecke nahezu selbstverständlich, während Deutschland stärker auf individuelle Zustimmung setzt.
Die Diskutanten sind sich einig: Die Idee hinter dem EHDS ist gut und wichtig, aber die Umsetzung bleibt eine Mammutaufgabe. Deutschland hinke bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ohnehin bereits weit hinterher. Die Hoffnung ist, dass der Druck aus Brüssel nun auch hierzulande endlich Bewegung in die Sache bringt.
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