Europa - zu schwach für Putin? (Tag 1164 mit Gustav Gressel)
May 2, 2025
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Gustav Gressel, Militär- und Sicherheitsexperte an der Landesverteidigungsakademie in Wien, diskutiert die Auswirkungen eines neuen Rohstoffabkommens zwischen den USA und der Ukraine. Er äußert Bedenken über die militärische Unterstützung und die europäische Verteidigungsfähigkeit. Gressel warnt, dass ohne entscheidende Maßnahmen die Gefahr eines neuen Krieges um Europa besteht. Zudem beleuchtet er die Herausforderungen der deutschen Bundesregierung in der modernen Kriegsführung und den dringenden Bedarf an militärischer Modernisierung.
Das Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine sichert der Ukraine strategische Kontrolle und bietet eine Grundlage für militärische Unterstützung.
Die EU muss ihre Verteidigungsfähigkeit und militärischen Kapazitäten dringend modernisieren, um gegen die russische Bedrohung gewappnet zu sein.
Deep dives
Der Rohstoffdeal zwischen den USA und der Ukraine
Der Rohstoffdeal zwischen den USA und der Ukraine stellt einen bedeutenden politischen und wirtschaftlichen Fortschritt dar, da er der Ukraine die Kontrolle über ihre strategische Infrastruktur sichert und nicht wie ursprünglich befürchtet in einen kolonialen Deal mündet. Der Deal sieht einen Investitionsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine vor, der die Förderung von Mineralien und die Reintegration von Militärhilfe durch die USA umfasst. Trotz der Einschätzung, dass nur wenige amerikanische Unternehmen in der Ukraine investieren werden, wird der Deal als wichtiger rechtlicher Rahmen angesehen, um weitere militärische Unterstützung aus Washington zu beantragen. Damit kann die Ukraine auf eine formale Basis zurückgreifen, um ihre militärischen Bedürfnisse zu decken, was als positiver Entwicklungsschritt gewertet wird.
Die Herausforderungen in den amerikanisch-russischen Verhandlungen
Die aktuellen Verhandlungen zwischen den USA und Russland werden als wenig vielversprechend eingeschätzt, da Experten wie Gustav Gressel keine konkreten Fortschritte in Richtung eines Waffenstillstands erwarten. Stattdessen wird befürchtet, dass die laufenden Gespräche und diplomatischen Bemühungen die Realität vor Ort nicht beeinflussen werden und die USA sich möglicherweise zurückziehen könnten. Gressel hebt hervor, dass die EU sich dringend auf Herausforderungen vorbereiten sollte, die sich aus den amerikanisch-russischen Verhandlungen ergeben, anstatt sich nur auf vergebliche diplomatische Strategien zu konzentrieren. Die Abhängigkeit von den USA könnte die europäische Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigen, wenn eine vollständige militärische Unterstützung nicht mehr gewährleistet ist.
Die militärische Lage in der Ukraine
Die militärische Situation in der Ukraine bleibt angespannt, während Russland seine Offensive in verschiedenen Regionen intensiviert und die ukrainischen Streitkräfte unter Druck setzt. Die ukrainischen Kräfte versuchen, ihre Feuerkraft zu minimieren und setzen insbesondere auf Angriffe gegen russische Waffen- und Munitionsfabriken, um ihre Ressourcen zu verringern. Gressel betont die Notwendigkeit, sich langfristig auf die mögliche Eskalation des Konflikts vorzubereiten und auf die Abhängigkeit von amerikanischer militärischer Unterstützung weniger zu vertrauen. Zudem wird die Warnung des ukrainischen Präsidenten Zelenskyj hervorgehoben, dass Russland unter dem Deckmantel von Übungen auch Offensive in Belarus plante.
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen für Europa
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen für Europa sind enorm gewachsen, da die aktuelle Regierung in der Ukraine eine umfassende Zusammenarbeit mit den europäischen NATO-Staaten erfordert. Gressel weist darauf hin, dass bislang versäumte Maßnahmen, wie langfristige Lieferverträge für wichtige Rüstungsgüter, und eine unzureichende Produktionskapazität in Europa die Verteidigungsfähigkeit gefährden. Um sich gegen die russische Bedrohung wirksamer zu positionieren, sollten europäische Staaten ihre militärischen Kapazitäten schnell modernisieren und ausbauen. Das Versäumnis, sich auf militärische Verpflichtungen vorzubereiten, könnte schwerwiegende Folgen für die europäische Sicherheit haben, vor allem wenn der Konflikt in der Ukraine zu einer großflächigen Auseinandersetzung übergeht.
Nun also doch: die USA und die Ukraine haben ein Rohstoff-Abkommen unterzeichnet. Im Vergleich zu den Entwürfen der vergangenen Wochen sei mit dieser Vereinbarung der größte Schaden für die Ukraine abgewendet worden, befindet Gustav Gressel im Interview mit Host Kai Küstner. Dieses Abkommen sei kein "kolonialer Deal", ob es tatsächlich etwas bringt, aber fraglich. Der Militär- und Sicherheitsexperte spricht über den unberechenbaren US-Präsidenten Trump und Europäer, die Verhandlungen zwischen den USA und Russland hinterherliefen und für die Zeit nach einem Waffenstillstand planten. Gressel ist sich dagegen sicher: "Die amerikanisch-russischen Gespräche werden keinen Waffenstillstand produzieren - zumindest nicht in absehbarer Zeit." Die Europäer müssen sich aus seiner Sicht daher um ihre Verteidigungsfähigkeit und militärischen Defizite kümmern, um die Ukraine auch ohne die USA unterstützen zu können. Seine Prognose: "Wenn wir es nicht schaffen, die Ukraine als geeintes Europa am Leben zu halten, dann haben die Russen überhaupt keinen militärischen Respekt mehr vor uns. Und dann ist im Grunde der nächste Krieg um Europa schon vor programmiert." Gressel erklärt auch, vor welchen Herausforderungen die neue Bundesregierung steht und wie groß der Modernisierungsbedarf im militärischen Bereich ist.
Mit Stefan Niemann bespricht Kai Details des Rohstoffabkommens, das - soweit bekannt - keine zusätzlichen Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien für die Ukraine vorsieht. Stefan berichtet auch über die Lage an der Front, über den zunehmend schwieriger werdenden Abwehrkampf der Ukrainer sowie den ersten prominenten Abgang aus dem Team von US-Präsident Trump.
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