
SWR Kultur lesenswert - Literatur Amir Hassan Cheheltan – Die Rose von Nischapur
Nov 10, 2024
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In den acht Jahren, die er und Nastaran zusammen waren, waren sie noch nie ernsthaft miteinander in Streit geraten. Man konnte sie zu den unkomplizierten Paaren zählen…Amir Hassan Cheheltan im Gespräch: „In my apartment, in the building that I live in, 20 families live in this building, and we had two couples, who live together without marriage. And this is the real picture of my country, or at least the real picture of Tehran as the mega city and as the heart of Iran." Amir Hassan Cheheltan kennt zwei unverheiratete Paare im eigenen Haus, das sei heute Realität in Teheran, dem Herzen Irans, sagt er. Auch zwei seiner Romanfiguren, der Schriftsteller Nader und die junge Grafikdesignerin Nastaran, leben in „weißer Ehe“.
Seit ein, zwei Jahren aber fragt Mama Malli ständig: „Findet ihr nicht, dass es Zeit ist zu heiraten?“Quelle: Amir Hassan Cheheltan – Die Rose von Nischapur
Nastarans Gefühle waren echt… Nader bewunderte ihre dezente Unverblümtheit und ihre Zivilcourage.Quelle: Amir Hassan Cheheltan – Die Rose von Nischapur
Abtrünniger, Ungläubiger, Hedonist: Der Dichter Omar Khayyam
Aber dann kommt der attraktive, alle betörende Engländer David, benennt ihre Lebenslügen, und die Dreiecksgeschichte driftet in die Katastrophe. Dieses Beziehungsdrama unterfüttert Cheheltan, der Homme de lettres, mit philosophischen Gesprächen und historischen Lektionen. Im Zentrum Omar Khayyam, ein Dichter aus dem 11./12. Jahrhundert. David verehrt Khayyam, den Abtrünnigen, Hedonisten, den Gegenspieler aller Glaubensverkäufer. So Amir Hassan Cheheltan: „In his poetry, he's against God, he's against everything. He cares only about this moment. I want to clear up something at the present. Khayyam is a figure that is against everything that Islamic Republic is based on and at the same time, I wanted to show a modern life in Tehran." Historie zur Klärung der Realität also. Khayyam lehnte alles ab, worauf die heutige Islamische Republik basiert, resümiert Amir Cheheltan. Wozu noch Selbstmordattentate, wenn es kein Paradies gibt? Wozu Wein und Musik im Diesseits verbieten, wenn kein Jenseits existiert, lässt er seine Figuren fragen, öffnet Diskussionsräume und zeigt die Gegenwart im Spiegel der Vergangenheit. Aus der persischen Literaturgeschichte zitiert er eine Fülle von Beispielen, auch zu Tabus wie Homosexualität. Europa sei prüde gewesen, sagt er und lässt das Personal seines bildungstrunkenen Romans überall debattieren, auf Märkten, beim opulenten Essen, im Theater. Über Gott und die Welt, Orient und Okzident, es wird eine Menge geredet und zugleich verhüllt.„Manchmal redet man viel, um etwas zu verbergen“
Amir Hassan Cheheltan: „This is my style in narration always, that I am not so direct to anything. Because I think a human life is very complicated, and sometimes you talk a lot just because you want to hide something." Das menschliche Leben sei kompliziert, manchmal rede man viel, um etwas zu verbergen, weiß Amir Hassan Cheheltan, Ende 60, ein Schriftsteller von stilistischer Raffinesse, ein Meister von Innenräumen, der hinter Fassaden blickt, der mit Erwartungen spielt und immer wieder falsche Fährten legt. Nastaran heißt seine weibliche Hauptfigur, sie kommt aus Nischapur wie Omar Khayyam und wie die echte Rose von Nischapur, die Blume, die im fernen England, am Grab von Khayyams Übersetzer vertrocknete.Eine Rose, nicht feuerrot, aber wunderbar duftend.Amir Hassan Cheheltan ist Iraner und Weltbürger. In der Zeit der Massenhinrichtungen in Iran Ende der 90er-Jahre lebte er in Italien, später in Deutschland und den USA. Immer ging er nach Teheran zurück, das Land sei sein Zuhause, die Stadt sein Arbeitszimmer, sagt er:Quelle: Amir Hassan Cheheltan – Die Rose von Nischapur
„I am so connected to my home, the country, my country is my home. The capital of my country is my study room. And whereever in the world I am, I feel like a passenger who is in the station to get the next train." Wo immer er in der Welt sei, er fühle sich wie ein Passagier, der auf den nächsten Zug warte, meint Cheheltan. Auch diesmal wird er wieder aus Europa zurückkehren in die Islamische Republik. Er hält sich fern von politischen Organisationen, selbst dem Schriftstellerverband, in dem er einst aktiv war. Seit vierzig Jahren publiziert er, seit zwanzig Jahren können seine Bücher nur im Ausland erscheinen. Aber er schreibt, in Romanen und deutschsprachigen Zeitungen, erstaunlich deutlich über Korruption, Inflation, Frauen, den offenen und stillen Protest, nichts davon gibt es auf Persisch.
