Wie ist es, Bücher zu verlegen, die im Iran verboten sind, Anahita Redisiu?
Nov 22, 2022
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Anahita Redisiu, Buchhändlerin und Verlegerin des Kölner Exilverlags Forough, spricht über die Herausforderungen, verbotene iranische Literatur zu veröffentlichen. Sie teilt ihre bewegende Geschichte als Tochter von Exiliranern und betont die Bedeutung der Meinungsfreiheit. Redisiu thematisiert die Risiken ihrer Autoren im Iran und die Rolle von Büchern als Widerstandswerkzeug. Zudem reflektiert sie, wie persönliche Erfahrungen und aktuelle Proteste ihre Arbeit beeinflussen, und fordert mehr Aufmerksamkeit für die Menschenrechtslage im Iran.
Anahita Redisiu betont die Notwendigkeit, iranische Literatur im Exil zu fördern, um gesellschaftskritische Stimmen zu Gehör zu bringen.
Die aktuelle feministische Revolution im Iran verdeutlicht, wie wichtig kollektive Widerstandsbewegungen gegen jahrzehntelange Unterdrückung sind.
Deep dives
Die erste feministische Revolution im Iran
Aktuelle Proteste im Iran werden als die erste feministische Revolution angesehen, die von einer starken gesellschaftlichen Bewegung getragen wird. Die Gesprächspartnerin erläutert, dass es seit Jahren Widerstand gegen das Regime gibt, jedoch jetzt eine breitere Beteiligung der Gesellschaft, unabhängig von Alter und Status, zu beobachten ist. Die Menschen kämpfen nicht nur für individuelle Freiheit, sondern auch gegen eine jahrzehntelange Unterdrückung. Gefühle von Scham begleiten diejenigen in der Diaspora, die sich mit dem Leid derjenigen im Iran identifizieren und gleichzeitig an ihrer eigenen Situation leiden.
Die Bedeutung des Exilverlags
Der Verlag Furuch in Köln wurde nicht nur gegründet, um iranische Literatur zu verbreiten, sondern hat auch ein starkes politisches Anliegen, indem er Bücher veröffentlicht, die im Iran verboten sind. Diese Bücher thematisieren häufig gesellschaftskritische und religionskritische Aspekte und betreffen Autoren, die für ihre Meinungen gefährdet sind. Die Gesprächspartnerin reflektiert darüber, wie wichtig es für ihre Familie war, eine Plattform für kritische Stimmen zu bieten, die andernorts nicht gehört werden können. Die Awareness für die Bedeutung dieser Arbeit hat sich besonders im Kontext der gegenwärtigen Revolution verstärkt.
Das Risiko für Schriftsteller und Leser
Das Verlegen und Verkaufen von Büchern, die in Iran tabu sind, birgt erhebliche Risiken für Autoren und Verleger. Oftmals kommen Schriftsteller unter Pseudonymen zu Wort, um ihre Sicherheit zu gewährleisten; dennoch zahlen viele von ihnen einen hohen Preis für ihre Meinungsäußerungen. Die Nachfrage nach diesen Werken wächst sogar innerhalb des Iran, was die Notwendigkeit zeigt, der Zensur entgegenzuwirken. Dies stellt sowohl eine gefährliche als auch eine notwendige Aufgabe dar, da die Bücher, die im Ausland erscheinen, wichtige Perspektiven und Informationen bieten.
Die Verbindung zwischen Iran und Deutschland
Die globale wirtschaftliche Verflechtung, insbesondere zwischen Deutschland und dem Iran, führt zu inneren Spannungen und Wut bei den Iranern in der Diaspora. Es wird als ungerecht empfunden, dass während die eigene Familie unter der Repressalien des Regimes leidet, deutsche Unternehmen weiterhin Geschäfte mit dem iranischen Staat machen. Trotz der potenziellen Bedrohung für die eigene Sicherheit engagieren sich viele im Ausland aktiv, um Bewusstsein in Deutschland zu schaffen und Druck auf die Politik auszuüben. Die Bedeutung dieser politischen Teilhabe und wie sie die Stimmen derjenigen unterstützen kann, die im Iran kämpfen, wird als zentral angesehen.
"Wir betreiben einen iranischen Verlag. Das ist nicht ungefährlich", sagt die Buchhändlerin Anahita Redisiu, die mit ihren Eltern Anfang der 80er Jahre vor der islamistischen Diktatur aus dem Iran geflohen ist. Heute hat die Familie in Köln einen Verlag und eine Buchhandlung für iranische Literatur aus dem Exil namens Forough. "Unsere Themen oder Autoren sind in Iran komplett tabu und die Autoren leben selten überhaupt noch dort. Alles andere", sagt Redisiu, "wäre einfach zu gefährlich."
Redisiu, 38, hat nach ihrem Studium in der persischen Redaktion der Deutschen Welle und für den Kölner Stadtanzeiger gearbeitet und als Stadtführerin Touren durch das "iranische" Köln geleitet – um dann doch in das Unternehmen ihrer Eltern einzusteigen. "Als Jugendliche habe ich nicht verstanden, warum mein Vater, der Ingenieurwesen studiert und meine Mutter, die Sozialarbeit studiert hat, nicht in ihren erlernten Berufen in Deutschland arbeiten, sondern einen Verlag eröffnet haben", erzählt sie. Und warum alle Bücher, die Forough als gesellschafts- und religionskritischer Verlag veröffentlicht, "immer so eine Schwere" mit sich gebracht haben. Durch die aktuellen Proteste in Iran, sei ihr erst richtig bewusst geworden, wie wichtig ihre Arbeit sei.
Dass auch das Regime in Iran die Bücher ihres Verlages kenne, wisse sie sicher, erzählt sie. "Vor drei, vier Jahren habe ich eine Anfrage der Staatsbibliothek in Teheran bekommen. Sie wollten von uns verlegte Bücher haben – aber nicht, um sie zum Verleih anzubieten. Sie wollten uns klar machen, dass sie wissen, was wir verlegen. Und sie wollten, dass wir wissen, dass sie das alles lesen." Ihre Eltern, erzählt Redisiu, hätten Drohbriefe und andere Einschüchterungsversuche von ihr und ihrer Schwester immer ferngehalten. Doch es sei bekannt, dass das iranische Regime Übersetzer und Verleger kritischer Bücher zur Aufgabe gedrängt – oder sogar ermordet habe. Deshalb sei es für sie und ihre Familie auch zu gefährlich, nach Iran zu reisen.
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