Adele Spitzeder, eine gescheiterte Schauspielerin und Erfinderin des ersten Schneeballsystems, erzählt von ihrem Aufstieg und Fall im 19. Jahrhundert, während Julian Nebel, Autor über ihren Betrug, spannende Einblicke gibt. Sie sammelte Geld mit verlockenden Zinssätzen und wurde für viele zur Betrügerin und Wohltäterin zugleich. Ihre Fähigkeit zur Selbstinszenierung und ihr Umgang mit Krisen zeigen die komplexe Dynamik zwischen Vertrauen und Betrug. Schließlich führt ihr schwindelerregendes Geschäft zu einem dramatischen Zusammenbruch und einem großen Verlust für Tausende.
Adele Spitzeder nutzte geschickt das Vertrauen der Anleger aus, indem sie hohe Zinsen versprach und ein Schneeballsystem etablierte.
Der dramatische Zusammenbruch ihrer Bank verdeutlicht die Gefahren unzureichender Finanzkontrolle und die Anfälligkeit der Anleger für Betrug.
Deep dives
Adele Spitzeder: Aufstieg und Fall
Adele Spitzeder war eine außergewöhnliche Figur in München des 19. Jahrhunderts, bekannt für ihre betrügerische Dachauer Bank. Ursprünglich Schauspielerin, erlangte sie durch ein Schneeballsystem große Bekanntheit und zog etwa 33.000 Menschen an, die in ihre Bank investierten. Trotz ihrer anfänglichen Erfolge führte ihre unzureichende Buchführung zu einem dramatischen finanziellen Zusammenbruch, bei dem insgesamt über 38 Millionen Gulden verloren gingen. Die Ausnutzung der neuen Investitionsbereitschaft der Arbeiter in einer Zeit des wirtschaftlichen Wandels spielte eine entscheidende Rolle für ihren Aufstieg und letztlich auch ihren Fall.
Geschäftspraktiken und Manipulation
Spitzeders Vorgehensweise beinhaltete das Versprechen von hohen Zinsen an Investoren, ohne jegliche Sicherheitsgarantien zu bieten. Diese Taktik, kombiniert mit gezielter Mundpropaganda und dem Anreiz für bestehende Anleger, neue Investoren zu werben, führte zu einem exponentiellen Wachstum ihres Geschäfts. Viele ihrer Anleger waren naive Arbeiter, die sowohl von ihrer direkten Art als auch von den Angebotsversprechen angezogen wurden, was das Vertrauen in ihre Methoden stärkte. Während die Zuflüsse zunächst weiterhin stiegen, wurde die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Zusammenbruchs aufgrund der unhaltbaren finanziellen Lage immer deutlicher.
Öffentliche Wahrnehmung und Krisenmanagement
Trotz wiederholter Warnungen der Presse und der Stadtverwaltung baute Spitzeder ihren Ruf als Wohltäterin auf, indem sie umfangreiche Wohltätigkeitsprojekte initiierte. Ihre Volksküche und Spenden an die Kirche halfen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und ihre Kritiker zu besänftigen. Doch die Geschehnisse eskalierten, als immer mehr Gläubiger anfingen, ihre Einlagen zurückzufordern, was zu einem massiven Ansturm auf ihre Bank führte. Am 12. November 1872 kam es schließlich zur Schließung ihrer Bank, als die Polizei die Auszahlungen unterband und die wahren finanziellen Verhältnisse ans Licht kamen.
Rechtliche Folgen und Nachwirkungen
Nach ihrem Zusammenbruch wurde Adele Spitzeder verhaftet und wegen betrügerischen Bankrotts angeklagt, was zu einer Haftstrafe von drei Jahren führte. Während ihrer Haftzeit verfasste sie ihre Memoiren, in denen sie sich als Opfer darstellte und ihre Taten rechtfertigte. Der Prozess offenbarte die schockierenden Dimensionen ihrer Machenschaften und die Vielzahl der betroffenen Gläubiger. Trotz einer teilweisen Rückerstattung der Einlagen blieben viele Menschen ruiniert, was die langen Schatten ihrer betrügerischen Praktiken eindrucksvoll dokumentiert.
Adele Spitzeder, eine gescheiterte Schauspielerin, hat ihr letztes Geld am Roulettetisch verzockt. Um ihren dekadenten Lebensstil zu halten, muss sie sich Geld leihen, zahlt dabei die immer höheren Zinsen mit neuen Krediten ab. Bis sie die Idee hat, einfach anderer Leute Geld einzusammeln. Gegen ein Zinsversprechen von stolzen 30 Prozent. Zinsen, die sie wiederum finanziert, indem sie anderer Leute Geld einsammelt. Und so weiter. Die Spitzedersche Privatbank ist geboren. Und das erste aktenkundige Schneeballsystem der Welt. Dem späteren Namensgeber des identisch funktionierenden „Ponzi-Schemes“, Charles Ponzi, ist Spitzeder stolze 50 Jahre voraus.
Sie wird in Bayern eine zeitlang wie eine Heilige verehrt – bis das System zusammenbricht.
An dieser Folge haben mitgearbeitet:
Redaktion: Tobias Gürtler, Anna Hönscheid
Sounddesign: Florian Pape
Musik: Christian Heinemann
Sprecher: Frederike Kuttig, Thomas Balou Martin
Weitere Stimmen: Nadine Kröppel, Lars Gertges, Timm Seckel, Nina Zimmermann, Dominik Zubel
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