Politikwissenschaftlerin Léonie de Jonge beleuchtet die Nutzung von Insekten als Lebensmittel in der politischen Debatte und wie extreme Rechte hierbei Ängste schüren. Sie erklärt die Heterogenität und Feminisierung dieser Bewegungen, sowie deren Anziehungskraft auf Wähler. Zudem wird die Rolle von Frauen in extrem rechten Gruppen und die Politizierung von Ernährungsthemen betrachtet. Die Verbindung zwischen Verschwörungstheorien und der Lebensmittelversorgung während der Pandemie zeigt, wie einfach Ängste mobilisiert werden können.
Die politische Rhetorik um den Konsum von Insekten wird von extremen Rechten genutzt, um Ängste vor einem Verlust nationaler Identität zu schüren.
Essen fungiert als strategisches Mittel, um ideologische Botschaften zu vermitteln und gesellschaftliche Themen wie Geschlechterhierarchien zu thematisieren.
Deep dives
Einführung in die Politik der Insektenernährung
In der EU sind seit 2021 bestimmte Insekten wie Mehlkäfer und Wanderheuschrecken als Lebensmittel zugelassen, was bedeutet, dass sie als Zutaten in unseren Nahrungsmitteln verarbeitet werden können. Es besteht jedoch keine Verpflichtung für die Verbraucher, Insekten zu essen, trotz der Sorgen von rechten politischen Akteuren, die behaupten, dass ihnen dies durch europäische Vorschriften aufgezwungen wird. Diese Ängste werden strategisch genutzt, um eine Feindbild-Narrative zu construieren und damit eine breitere ideologische Agenda zu fördern. Politische Diskurse über Insekten ermöglichen es den Rechten, Themen wie nationale Identität und Esskultur zu thematisieren, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind.
Rechtsaußenparteien und die Insektenverschwörung
Rechtsaußenparteien, insbesondere die Alternative für Deutschland (AfD), haben die Debatte über Insekten als Lebensmittel genutzt, um die vermeintlichen Risiken und Nachteile dieser Entwicklung zu dramatisieren. Der Glaube an eine Verschwörung, dass eine europäische Elite die Bevölkerung dazu zwingen wolle, Insekten zu konsumieren, wird dabei als Mittel verwendet, um politische Mobilisation zu erreichen. Diese Rhetorik wird in sozialen Medien und politischen Veranstaltungen verstärkt, wo prominente Figuren damit ihre Anhänger mobilisieren. Dieser Diskurs gewinnt nicht nur in Deutschland an Bedeutung, sondern verbreitet sich auch in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, wo ähnliche Ängste geschürt werden.
Ideologische Grundlagen der extremen Rechten
Die Ideologie der extremen Rechten bleibt im Kern unverändert, zeigt aber neue Facetten durch die Thematisierung von Insekten, die über traditionelle Themen wie Einwanderung und nationale Sicherheit hinausgeht. Nativismus und Autoritarismus bleiben zentrale Anliegen, welche die Diskussion über Insekten speisen, indem sie diese als Bedrohung für nationale Identität und Kultur darstellen. Auch feministische Aspekte spielen eine Rolle, da rechtsextreme Frauenfiguren sich zunehmend in die politische Ecke drängen, die das Thema Essen nutzen, um ihre Ideale von Geschlechterrollen zu verstärken. Dieser Wandel weist auf eine erhöhte Diversität innerhalb der extremen Rechten hin, was die Analyse und das Verständnis dieser Bewegungen komplexer gestaltet.
Politik des Essens als Strategie zur Mobilisierung
Essen dient als kraftvolles Medium zur Vermittlung ideologischer Botschaften und zur Ansprache breiter Zielgruppen. Politische Akteure nutzen Lebensmittel, um Ängste ansprechen und verschiedene gesellschaftliche Themen, wie Geschlechterhierarchien und nationale Identität, zu thematisieren. Die negative Darstellung von Insektenkonsum wird verstärkt, um eine Rückkehr zu traditionellen Essgewohnheiten zu propagieren und kollektive Ängste zu mobilisieren. Diese Strategien können dazu führen, dass extreme Ideen verstärkt ins gesellschaftliche Bewusstsein dringen, was potenziell die demokratischen Werte gefährdet.
Ein Vortrag der Politikwissenschaftlerin Léonie de Jonge Moderation: Nina Bust-Bartels
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Bestimmte Insekten dürfen laut EU-Recht zu Nahrungsmitteln verarbeitet werden. Rechte Akteure spinnen daraus eine Verschwörungserzählung. Ein Vortrag der Politikwissenschaftlerin Léonie de Jonge über die Angst vor Insekten im Essen.
Léonie de Jonge ist Politikwissenschaftlerin am neu gegründeten Institut für Rechtsextremismusforschung an der Universität Tübingen. Ihr Vortrag heißt "Von Immigration bis Insekten: Rechtsextreme Akteur*innen und Ideologien im Wandel« und sie hat ihn am 6. November 2024 im Rahmen des Studium Generale "Rechtsextremismus: Erforschen und Entgegentreten" an der Universität Tübingen gehalten.