
Erklär mir die Welt
#345 Erklär mir das Leben im KZ Mauthausen, Alexander Prenninger
Podcast summary created with Snipd AI
Quick takeaways
- Der Alltag im KZ Mauthausen war geprägt von extremer Gewalt und Entbehrungen, die zur Dehumanisierung der Häftlinge führten.
- Trotz der extremen Bedingungen entwickelten die Häftlinge Strategien zur Unterstützung und zum Überleben durch Gemeinschaften und Informationsaustausch.
- Die Erzählungen der Überlebenden sind essenziell, um das Gedächtnis an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachzuhalten und zukünftige Generationen zu sensibilisieren.
Deep dives
Die Errichtung des KZ Mauthausen
Das Konzentrationslager Mauthausen wurde im August 1938, nach dem Anschluss Österreichs, errichtet. Es begann als kleiner Standort mit etwa 1.000 Häftlingen, die hauptsächlich aus anderen Lagern wie Dachau deportiert wurden. Der Zweck des Lagers war nicht nur die Inhaftierung von politischen Gegnern, sondern auch wirtschaftliche Ausbeutung, insbesondere im Granitabbau. Die SS plante, den Granit für den Straßenbau und andere Bauprojekte zu nutzen, was direkt zur Profitmaximierung des Regimes beitrug.
Deportationsprozesse und Häftlingsidentität
Die Deportation nach Mauthausen geschah häufig in mehreren Schritten, wobei viele Häftlinge zunächst in Gefängnisse oder Arbeitslager gebracht wurden, bevor sie ins KZ überführt wurden. Dabei wurden Häftlinge aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, sozialen Status oder ethnischer Zugehörigkeit inhaftiert, was zu einer drastischen Steigerung der Häftlingszahlen führte, vor allem nach Kriegsbeginn. Die Identitätsverlust der Häftlinge begann mit der Ankunft, als ihnen der persönliche Besitz entzogen und sie in Häftlingskleidung gesteckt wurden. Diese Maßnahmen führten zur Dehumanisierung und zur systematischen Anhäufung von Angst und Terror unter den Inhaftierten.
Leben im Lager und Alltag
Das Leben in Mauthausen war von extremen Bedingungen geprägt, die von täglichem Terror und schwerer Zwangsarbeit gekennzeichnet waren. Häftlinge mussten oft im Steinbruch arbeiten, was eine der härtesten Arbeiten im Lager war. Der Alltag begann früh mit Aufständen, gefolgt von Appellen zur Zählung und dem Verbringen in die Arbeitskommandos. Trotz der extremen Umstände entwickelten die Häftlinge Strategien, um ihre Überlebenschancen zu maximieren, einschließlich der Bildung von kleinen Unterstützungsgemeinschaften und dem Austausch von Lebensmitteln und Informationen.
Die Rolle der SS und Häftlingshierarchie
Die SS, als wichtigste Kontrollinstanz im Lager, verwendete eine erniedrigende und gewalttätige Hierarchie, um die Häftlinge zu überwachen. Funktionshäftlinge, die von der SS als Aufseher eingesetzt wurden, hatten ein gewisses Maß an Macht, was zu internen Spannungen führte. Überlebende berichteten, dass es oft lebenswichtig war, Kontakte zu Funktionshäftlingen zu pflegen oder sich in Positionen besseren Zugangs zu Lebenselementen zu bringen. Diese Dynamik schuf eine komplexe Interaktion zwischen Überleben und Machkampf, wobei die Häftlinge sowohl von ihrer Mitgefangenen als auch von den Aufsehern abhängig waren.
Die Bedeutung von Überlieferung und Erinnerungsarbeit
Die Überlieferung der Erfahrungen aus dem KZ Mauthausen bleibt entscheidend für das Verständnis der nationalsozialistischen Verbrechen. Viele Überlebende betonten, wie wichtig es ist, die Erinnerungen wachzuhalten und anonymen Opfern eine Stimme zu geben. Um das Vergessen zu verhindern, sollten Bildung und Gedenkstättenbesuche gefördert werden, um zukünftige Generationen für die Gräueltaten zu sensibilisieren. Die Auseinandersetzung mit dieser dunklen Vergangenheit ist notwendig, um gegen moderne Entmenschlichungen und Ungerechtigkeiten einzutreten.
Wie kann man sich den Alltag im KZ Mauthausen vorstellen? Der Historiker Alexander Prenninger hat Interviews mit hunderten Überlebenden ausgewertet. Über den Alltag im KZ, Gewalt, Freizeit und kleine Akte der Solidarität. Erschütternde Einblicke in ein System organisierter Unmenschlichkeit – und wie sich manche trotzdem ihr Menschsein nicht nehmen ließen.
🙆 Alexander Prenninger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Senior Researcher) am Ludwig Boltzmann Institute for Digital History (LBIDH), Lektor am American Institute for Foreign Study in Salzburg und Vorstandsmitglied von b.a.s.e. – Büro für angewandte Sozialforschung und Entwicklung, Salzburg.
Diese Bücher empfiehlt Alexander:
- „weiter leben - Eine Jugend“ von Ruth Klüger. Von Alexander Brenninger besonders empfohlen für ihre eindrucksvolle Sprache und Reflexion des Überlebens.
- „Hasenjagd - Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“.Film von Andreas Gruber über den Ausbruch sowjetischer Kriegsgefangener aus Mauthausen und ihre Rettung durch eine Familie.
- „Was für ein schöner Sonntag“ von Jorge Semprún. Erwähnt im Gespräch, ein Buch über das Leben im KZ Buchenwald.
Alexanders Shoutout für Medien:
- Die Zeit
- TikTok-Reihe der Gedenkstätte Mauthausen - Kurze, informative Videos zur Geschichte des Konzentrationslagers.
Was nehme ich mir mit?
1. Die Macht der kleinen Dinge. Das KZ Mauthausen war darauf ausgelegt, Menschen jede Würde zu nehmen und sie zu entmenschlichen - durch Nummerierung statt Namen, durch Entkleidung, Rasur, Hunger und Folter. Dennoch zeigt die Geschichte des Lagers, dass selbst unter diesen extremsten Bedingungen Menschen Wege fanden, ihre Menschlichkeit zu bewahren und anderen zu helfen. Kleine Zweiergruppen, die füreinander sorgten; das Teilen von Nahrung; das Rezitieren von Gedichten; das Sauberhalten der eigenen Kleidung als Akt des Widerstands gegen die Entmenschlichung. Diese kleinen Gesten der Solidarität und Menschlichkeit waren oft der Unterschied zwischen Leben und Tod.
2. Die Verantwortung der Zuschauenden. Die Geschichte von Mauthausen verdeutlicht, dass die umliegende Bevölkerung durchaus wusste, was im Lager geschah. Manche beschwerten sich sogar über die Schreie der Gefolterten - nicht, um die Folter zu beenden, sondern damit sie woanders stattfindet. Diese Mitverantwortung durch Wegsehen ist eine wichtige Lehre. Der Brief der Bäuerin, die nicht die Grausamkeit kritisierte, sondern nur bat, sie woanders auszuführen, zeigt, wie leicht Menschen moralisch abstumpfen können. Dies erinnert mich daran, wie wichtig es ist, bei Unrecht nicht wegzuschauen, sondern aktiv Stellung zu beziehen - auch wenn es unbequem ist.
3. Die Bedeutung der Erinnerungsarbeit. Alexander betont, dass Erinnerungsarbeit nicht bedeutet, sich täglich mit dem Holocaust zu beschäftigen, sondern mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und die Spuren der Geschichte wahrzunehmen - sei es in Form von Gedenktafeln, Stolpersteinen oder anderen Erinnerungszeichen. Diese Sensibilisierung für die Vergangenheit ist entscheidend, um Tendenzen der Entmenschlichung und Ausgrenzung in der Gegenwart zu erkennen. Ich nehme mir vor, meinen Blick zu schärfen für diese Spuren und Zeichen in meinem Alltag, mich regelmäßig mit Erinnerungsliteratur und -filmen auseinanderzusetzen, und das Wissen über diese Zeit lebendig zu halten - nicht als abstraktes historisches Wissen, sondern als konkrete Mahnung für die Gegenwart.
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Das Team:
- Mitarbeit: Valentina Pfattner und Thomas Pelkmann
- Vermarktung: Therese Illiasch und Stefan Lassnig, Missing Link
- Audio: Dominik Lanterdinger, Audio Funnel
- Video: Alexander Coman, Domotion
- Logo: Florian Halbmayr
- Musik: Something Elated by Broke For Free, CC BY
- Beatbox am Ende: Azad Arslantas