Im Geheimen - Lesbisches Leben in der Weimarer Republik und der NS-Zeit
Apr 26, 2024
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Katja Patzel-Mattern, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, vertieft sich in die Lebensrealitäten lesbischer Frauen während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Sie erläutert die Anfänge von Treffpunkten in den 1920er-Jahren und die dramatische Verfolgung unter den Nazis. Auch die komplexen Geschichten von Überlebenden und die Evolution lesbischer Gemeinschaften nach dem Krieg werden thematisiert. Ein weiterer spannender Punkt ist die gegenwärtige Sichtbarkeit und die rechtlichen Herausforderungen, mit denen lesbische Frauen heute konfrontiert sind.
In der Weimarer Republik entwickelte sich ein sichtbares lesbisches Leben, das jedoch durch gesellschaftliche Normen stark eingeschränkt war.
Der Nationalsozialismus führte zur Stigmatisierung und Unsichtbarkeit lesbischer Frauen, was deren Lebensrealitäten erheblich negativ beeinflusste.
Deep dives
Forschungslücke zur lesbischen Geschichte
Die Forschung zu lesbischen Lebenswelten in Deutschland hat lange Zeit gefehlt, insbesondere im Hinblick auf die Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts bis zu den 1950er Jahren. Die Universitäten Heidelberg und Freiburg haben eine umfassende Studie über lesbisches Leben in der Weimarer Republik, der NS-Zeit und der Nachkriegszeit durchgeführt. In dieser Zeit gab es zwar ein gewisses öffentliches Bewusstsein, doch oft identifizierten sich Frauen nicht als lesbisch, was die Dokumentation ihrer Erfahrungen erschwerte. Diese Studie schließt eine bedeutende Forschungslücke und beleuchtet die Herausforderungen, denen sich lesbische Frauen in dieser Ära gegenübersahen.
Lesbisches Leben in der Weimarer Republik
In der Weimarer Republik gab es Ansätze zu einem sichtbaren lesbischen Leben, das vor allem in städtischen Gebieten blühte. Zeitschriften homosexueller Interessenverbände und Filme wie 'Mädchen in Uniform' ermöglichten eine gewisse öffentliche Wahrnehmung. Gleichzeitig war die Darstellung von sexuelles Begehrens stark eingeschränkt, und viele Frauen lebten in engen Freundschaftsverhältnissen, ohne ihre Identität als lesbische Frauen zu erkennen. Trotzdem gab es in dieser Zeit eine Art Keim einer gesellschaftlichen Szene, die in lokalen Begegnungsstätten und Vereinen organisiert war.
Verfolgung im Nationalsozialismus
Während des Nationalsozialismus wurde lesbisches Leben nicht durch den Paragrafen 175, der die Homosexualität von Männern kriminalisierte, direkt verfolgt, dennoch waren Frauen, die nicht der heteronormativen Lebensweise entsprachen, gefährdet. Lesbische Beziehungen wurde häufig als asozial angesehen und führten zu gesellschaftlicher Überwachung und stigmatisierenden Urteilen. Viele Frauen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebten, wurden unter dem Vorwand anderer Vergehen verfolgt, wobei ihre Sexualität als Teil der Stigmatisierung betrachtet wurde. Der Nationalsozialismus verstärkte die Unsichtbarkeit lesbischer Leben, was für die nachfolgende Generationen eine erhebliche Hürde darstellte.
Lesbische Sichtbarkeit nach dem Krieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden lesbische Lebenswelten zunächst weiterhin tabuisiert und in der Öffentlichkeit wenig sichtbar. Erst in den 1970er Jahren begannen sich mit der Emanzipationsbewegung verstärkt öffentlich lesbische Gemeinschaften zu formieren. In dieser Zeit entstanden Zeitschriften und Organisationen, die sich für die Rechte und die Sichtbarkeit lesbischer Frauen einsetzten und die positive Belegung des Begriffs 'Lesbe' vorantrieben. Trotzdem gibt es auch heute noch Herausforderungen, beispielsweise im Bereich des Familienrechts, wo lesbische Paare weiterhin Diskriminierung erfahren.
Während es in den 1920er-Jahren erste Treffpunkte wie Bars gab, wurden frauenliebende Frauen im Nationalsozialismus unter verschiedenen Vorwänden indirekt verfolgt und von Nazis mit dem Label "asozial" belegt. Eine Studie hat sich auf ihre Spuren begeben.
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Ihr hört in dieser "Eine Stunde Liebe":
00:01:27 - Prof. Katja Patzel-Mattern über die Studienergebnisse
00:19:39 - Henny Engels vom LSVD über lesbische Sichtbarkeit heute
00:24:03 - Caros Liebestagebuch: Wie oft mit dem/der Partner*in kommunizieren?