In diesem Gespräch erläutert Susanne Lachenicht, Professorin für Französische Revolution, die bedeutende Jakobinische Verfassung von 1793, die trotz ihrer fortschrittlichen Ansätze nie in Kraft trat. Ulrike Müßig, Expertin für europäische Rechtsgeschichte, beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen europäischen Verfassungen und deren Einfluss auf die politische Landschaft. Spannend wird diskutiert, wie die Verfassung das Volk in den Mittelpunkt stellte und welche internationalen Reaktionen sie auslöste.
Die Jakobinische Verfassung von 1793 stellte fortschrittliche Prinzipien wie die Volkssouveränität und Menschenrechte auf, trat jedoch nie in Kraft.
Die Entwicklung von Verfassungen zeigt eine ständige Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen, wie die rasche Einführung der Verfassung von 1793 nach der von 1791.
Deep dives
Die Entwicklung des Grundgesetzes
Das Grundgesetz Deutschlands wurde 1990 als demokratische Verfassung für ganz Deutschland etabliert, nachdem es zuvor seit 1949 ein Provisorium in Westdeutschland war. Es basiert in vielen Aspekten auf der Weimarer Verfassung, die 1919 verabschiedet wurde, und ist somit Teil einer langen Tradition demokratischer Bestrebungen in Deutschland. Die Weimarer Verfassung selbst hat Inspirationsquellen in historischen Dokumenten wie der Paulskirchen-Verfassung von 1849, die während der Deutschen Revolution entstand. Diese Verfassungen weisen auf eine kontinuierliche Suche nach einer stabilen und gerechten staatlichen Ordnung in Deutschland hin, die bis zur heutigen Zeit reicht.
Die Jakobinische Verfassung von 1793
Die Jakobinische Verfassung von 1793 repräsentiert einen entscheidenden Moment in der französischen Revolution und wird oft als eine der fortschrittlichsten Verfassungen der Geschichte angesehen. Sie entstand in einer Phase, als der König Ludwig XVI. abgesetzt wurde und eine Republik ausgerufen wurde, und formuliert progressive Prinzipien wie die Souveränität des Volkes und die Unverletzlichkeit der Menschenrechte. Allerdings trat diese Verfassung nie in Kraft, da sie inmitten der politischen Turbulenzen und Kriegsbedrohungen nicht umgesetzt wurde. Dennoch sind viele ihrer idealistischen Inhalte und sozialen Garantien bis heute von großer Bedeutung.
Einfluss der amerikanischen Verfassung
Die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 spielt eine bedeutende Rolle als Vorbild für viele spätere Verfassungen weltweit einschließlich der französischen und deutschen. Sie legte cornerstone für die Prinzipien von Menschenrechten und Bürgerfreiheit, die in vielen Demokratien nachgeahmt wurden. Während die amerikanische Verfassung klare Regelungen für die Staatsorganisation bietet, betonen die französischen Erklärungen mehr soziale Gleichheit und Rechte für die Bürger. Diese wechselseitige Inspiration zeigt, dass staatsrechtliche Ideen in verschiedenen Kontexten ständig im Fluss sind und sich gegenseitig beeinflussen.
Umsetzung von Verfassungen im historischen Kontext
Verfassungen erlebten im Laufe der Geschichte zahlreiche Überarbeitungen und Anpassungen, insbesondere in Reaktionen auf gesellschaftliche und politische Veränderungen. Die Verfassung von 1791 etwa wurde nur ein Jahr nach ihrer Einführung wieder durch die radikalere Verfassung von 1793 ersetzt, nachdem bedeutende Umwälzungen in der französischen Gesellschaft stattfanden. Der politische Druck und die Bedrohung durch äußere Feinde erforderten eine flexible Reaktion der Gesetzgeber, was zu schnellen Anpassungen führte. Diese Dynamik spiegelt den stetigen Kampf und die Entwicklung von Demokratie und Bürgerrechten wider, die in den verschiedenen politischen Strömungen der Zeit eingefangen sind.
"Das Ziel der Gesellschaft ist das allgemeine Glück" – so Artikel 1 der französischen Verfassung, die der Nationalkonvent am 24. Juni 1793 verabschiedet. Ihre Grundlage ist die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Doch sie tritt nie in Kraft.
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Ihr hört in dieser "Eine Stunde History":
00:05:09 - Susanne Lachenicht erläutert die erste Verfassung von 1791
00:17:58 - Andreas Heyer über "fortschrittlichste" Verfassung, deren Standards bis heute nie wieder erreicht wurden
00:25:54 - Ulrike Müßig zur Rechtsgeschichte der Verfassung von 1793