Prof. Lion Hirth: 5 Mrd. € NETZKOSTEN (2025) 😲😲 für verpennten Netz-Ausbau?
Feb 2, 2025
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Prof. Lion Hirth, Energieexperte an der Hertie School Berlin, analysiert Deutschlands Energiemärkte und beleuchtet die Herausforderungen der Übertragungsnetze. Er erklärt, wie ineffiziente Stromverteilung jährlich Kosten von 5 Mrd. Euro verursacht und schlägt vor, die deutschen Strompreiszone aufzuteilen, um Netzengpässe zu reduzieren. Mit humorvollen Einblicken in das langsame Tempo des Netzausbaus bietet Hirth Lösungen an, die für viele unbequem sein könnten, ohne die Hoffnung auf einen Blackout zu verlieren.
Der einheitliche Strompreis in Deutschland verursacht Ineffizienz, da er lokale Gegebenheiten ignoriert und somit hohe Kosten verursacht.
Übertragungsnetzengpässe führen dazu, dass günstige Kraftwerke abgeschaltet werden, während teurere Erzeuger aktiv bleiben müssen.
Die Einführung lokaler Preiszonen könnte den Strommarkt effizienter gestalten und Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien schaffen.
Deep dives
Herausforderungen des deutschen Strommarktes
Der deutsche Strommarkt sieht sich erheblichen Herausforderungen gegenüber, einschließlich Engpässen im Übertragungsnetz, die oft nicht in den Marktpreisen abgebildet werden. Diese Engpässe sind häufig und betreffen 60 bis 80 Prozent der Stunden im Jahr, was dazu führt, dass Kraftwerke in bestimmten Regionen stillstehen, während in anderen Regionen teurere Erzeuger aktiviert werden müssen. Ein wesentliches Problem ist, dass der einheitliche Preis, der für ganz Deutschland gilt, nicht die lokalen Gegebenheiten widerspiegelt, wodurch ineffiziente Entscheidungen zur Energieerzeugung und -nutzung getroffen werden. Diese Disparität führt zu paradoxen Situationen, wie dem Abregeln von Windkraftanlagen, während in weniger produktiven Regionen Gaskraftwerke in Betrieb bleiben müssen, was die Ineffizienz des Systems verstärkt.
Notwendigkeit von lokalen Strompreisen
Um die Effizienz des Strommarktes zu steigern, wird die Einführung lokaler Strompreise vorgeschlagen, die sich an den realen Bedingungen des jeweiligen Netzknotens orientieren. Durch diese Anpassung könnten die Strompreise zeitnah und differenziert die tatsächliche Verfügbarkeit erneuerbarer Energien widerspiegeln, was den Verbrauchern und intelligenten Geräten ermöglichen würde, effizienter zu operieren. Anhand eines Beispiels könnte ein hoher Strompreis in Berlin während eines trüben Wintertages dazu führen, dass in Bayern, wo viel Solarstrom produziert wird, der Preis sinkt und somit Anreize für Verbraucher zum Laden bieten. Diese dynamischen Preissignale könnten den gesamten Energieverbrauch optimieren und die Netzstabilität verbessern.
Folgen der redispatch-Einsätze
Redispatch-Maßnahmen sind notwendig, um das Übertragungsnetz aktuell funktionsfähig zu halten, jedoch verursachen sie hohe Kosten für die Netzbetreiber und die Gesellschaft. Die Kosten, die im Laufe der Jahre von 50 Millionen Euro pro Jahr auf bis zu fünf Milliarden Euro gestiegen sind, resultieren daraus, dass Kraftwerke in Regionen mit Überangebot abgeschaltet und andere Kraftwerke in Regionen mit Mangel in Betrieb genommen werden müssen. Diese Maßnahmen verdeutlichen die Ineffizienz des gegenwärtigen Strommarktes, in dem günstigen Strom nicht zu den Verbrauchern gelangt, während teurere Optionen aktiviert werden. Langfristig kann dieser Rückgriff auf redispatch keine nachhaltige Lösung bieten und verdeutlicht die Notwendigkeit umfassender Reformen im Stromsystem.
Ökonomische Aspekte der Vorschläge
Die wirtschaftliche Analyse zeigt, dass die Umsetzung lokaler Preise den Strommarkt transparenter und gerechter machen könnte, indem sie die tatsächlichen Kosten und Verfügbarkeit von Energie an jedem Knotenpunkt widerspiegelt. Die Idee, nodale Preise oder regionale Zonen einzuführen, soll nicht nur die Markteffizienz steigern, sondern auch Investitionen in erneuerbare Energien in Regionen fördern, die Vorbereitung für Kapazitätsengpässe bieten. Solche Preisanpassungen würden dazu führen, dass erneuerbare Energiequellen dort entwickelt werden, wo sie am meisten benötigt werden, anstatt an Standorten mit geringen Übertragungskosten. Es wird argumentiert, dass diese Anpassungen den Netzausbau entlasten könnten, indem sie die Notwendigkeit für teure Großprojekte verringern.
Zukunft des deutschen Strommarktes
Die Zukunft des deutschen Strommarktes hängt von der politischen Bereitschaft ab, wesentliche Änderungen einzuleiten, um die Herausforderungen der Energieversorgung zu bewältigen. Ein wichtiger Schritt wäre die Trennung der derzeit einheitlichen Preiszone in mehrere Bereiche, um eine fairere Marktgestaltung zu ermöglichen. Der anstehende Bidding Zone Review könnte als Katalysator dienen, dabei helfen zu bestimmen, ob eine Teilung der Preiszone gerechtfertigt ist, und mögliche Strategien zur Reform des Marktes aufzeigen. Experten sind sich einig, dass die Anpassung der Preise an die lokalen Gegebenheiten unumgänglich ist, um die Effizienz zu steigern und die Marktfunktionalität zu verbessern.
Unser Podcastgast Prof. Lion Hirth (Hertie School Berlin) analysiert täglich Deutschlands Energiemärkte. Unübersehbar dabei, dass die Übertragungsnetze immer öfter an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Obwohl er keine Angst vor einem bevorstehenden Blackout hat, sieht er doch eine wachsende Ineffizienz, die Deutschland jedes Jahr immer teurer zu stehen kommt: Fünf Mrd. Euro an Kosten pro Jahr fallen mittlerweile dafür an, dass der Strom überall im Land gleich viel kostet - die sog. "einheitliche deutsche Strompreiszone" (scherzhaft fiktiv auch "Kupferplatte" genannt). Hirth und seine Kollegen empfehlen nun eine Lösung, die nicht allen gefallen dürfte.
Deutschlands Elektrizitätsnetzen entstehen immer dann hohe Kosten, wenn Übertragungsnetze den Strom nicht gleichmäßig in ganz Deutschland verteilen können. Dann stehen Windkrafträder ungeplant still, PV-Parks werden abgestellt und Gaskraftwerke springen anderenorts ein: "Die einen bekommen für die Produktion mehr Geld als den einheitlichen Strompreis, die anderen bekommen Geld dafür, dass sie nicht produzieren", so Hirth. Im Gegensatz zur Bundespolitik geht er nicht davon aus, "dass die dafür verantwortlichen Netzengpässe auf absehbare Zeit gelöst werden". Der Netzausbau werde dauerhaft zu langsam sein.
Dabei wäre es relativ einfach, die "Spielregeln des Strommarktes" zu ändern: Eine Aufteilung der deutschen Strompreiszone würde zum Beispiel viele Probleme lösen:
drastische Reduzierung von Redispatch- und Abregelungskosten
effizientere Einspeisung von erneuerbaren Erzeugern
netzdienliches Laden von Batterien
reale Lastverschiebung von Verbrauchern
Bauanreiz für Erneuerbare Erzeuger am richtigen Standort
Genau diesen Weg sind die skandinavischen Länder bereits gegangen: Norwegen hat fünf Preiszonen, Schweden hat vier, sogar Dänemark ist in zwei Zonen unterteilt. Prof. Hirth denkt daher sogar über sogenannte "lokale Strompreise" nach. Dadurch würden nicht nur zwei, drei, vier oder fünf deutsche Strompreiszonen entstehen, sondern gleich mehr als 500 Zonen. Nämlich jeweils an den Umspannwerken einer jeden Stadt. Das "Maximum an Effizienz, Kosten, Digitalisierung und Marktdenken" hat nur einen Nachteil: Einige deutsche Regionen werden wohl im Schnitt höhere Strompreise zahlen müssen als bisher gewohnt.
Die Ergebnisse der "#Bidding #Zone #Review" werden verzögert veröffentlicht. Der europäische Netzbetreiber #ENTSO-E bestätigte eine Verzögerung der "Gebotszonenüberprüfung" vom 27. Januar auf das Frühjahr 2025.
Im Geladen-Podcast setzen sich Patrick Rosen und Daniel Messling mit ihren Gästen wissenschaftlich mit den Themen Energiewende, Elektromobilität, Elektroauto und Batterie auseinander. Der Podcast wird produziert vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).