Cheslie Klein ist Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und Expertin für kindlichen Spracherwerb. Sie erklärt, warum Kinder Sprachen viel leichter lernen als Erwachsene und beleuchtet die neurologischen Prozesse, die dabei eine Rolle spielen. Klein diskutiert zudem die Bedeutung der frühen Gehirnentwicklung und die Unterschiede zwischen einsprachigen und mehrsprachigen Kindern. Auch die Rolle der Eltern und kindgerechte Sprache sind entscheidend für die Sprachentwicklung.
Kinder entwickeln ihre Sprachfähigkeiten durch Lautunterscheidung und Mustererkennung, beginnend bereits im Alter von sechs Monaten.
Neurologische Veränderungen während der Sprachentwicklung zeigen, dass Babys eine stärkere Vernetzung beider Hirnhälften aufweisen als Erwachsene.
Deep dives
Der Spracherwerb bei Kindern
Kinder lernen ihre Erstsprache durch erstaunliche Fähigkeiten zur Lautunterscheidung und Mustererkennung. Bereits ab sechs Monaten beginnen sie, die Melodie und den Rhythmus ihrer Sprache zu erkennen und eignen sich die spezifischen Laute an. In der sogenannten Live-Phase experimentieren sie mit Lauten und Intonationsmustern, was zu den ersten einfachen Lautäußerungen führt. Mit zunehmendem Alter steigern Kinder ihre Fähigkeit, Wörter aus dem Sprachfluss zu segmentieren und ihnen Bedeutung zuzuweisen, wobei sie zunächst konkrete Objekte benennen, bevor sie zwischen 18 und 24 Monaten einen signifikanten Anstieg an neu gelernten Wörtern erleben, auch als Wortschatz-Explosion bezeichnet.
Neurologische Aspekte des Spracherwerbs
Im Gehirn sind vor allem das Broca-Areal und das Wernicke-Areal für das Sprachverständnis und die Sprachproduktion verantwortlich, wobei die linke Hemisphäre eine zentrale Rolle spielt. Während Erwachsene hauptsächlich auf die linke Hemisphäre angewiesen sind, zeigen Babys eine stärkere Vernetzung zwischen den beiden Hirnhälften, was auf unterschiedliche Lernansätze hinweist. Mit der Sprachentwicklung kommt es zu einer Linkslateralisierung, und komplexe grammatische Fähigkeiten entwickeln sich erst später, wenn der Frontallappen reift. Diese neurologischen Veränderungen sind entscheidend für die Sprachentwicklung und unterstreichen, wie Sprache als komplexe kognitive Fähigkeit in unserem Gehirn verarbeitet wird.
Einsprachige vs. mehrsprachige Kinder
Kinder sind in der Lage, mehrere Sprachen gleichzeitig zu lernen, ohne wesentliche Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen diesen Sprachen zu haben. Es zeigt sich, dass zwei- oder mehrsprachige Kinder manchmal weniger Worte produzieren, dies jedoch oft durch die Aggregation der Wörter aus beiden Sprachen kompensieren. Die Kompetenz in jeder Sprache hängt stark vom Input ab, einschließlich der Häufigkeit und Unterstützung, die sie erhalten, was zeigt, dass Motivation und Interaktion für die Sprachentwicklung entscheidend sind. Das Erlernen von Gebärdensprache bei gehörlosen Kindern verläuft ähnlich wie bei hörenden Kindern, was die universelle Natur des Sprachentrainings verdeutlicht, unabhängig von der Kommunikationsform.
Wörter zusammensetzen und komplexe Sätze bilden und verstehen, das können nur wir Menschen. Aber was passiert in unserem Gehirn, wenn wir eine Sprache lernen, warum fällt es Kindern leichter und gibt es Unterschiede zwischen ein- und mehrsprachigen Menschen?
Diese und mehr Fragen beantwortet in dieser Folge Cheslie Klein. Sie arbeitet am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.
Wer noch mehr zum Thema Gehirn und Sprache wissen möchte, findet hier weitere Informationen: