Ritex-Chef Richter: „Das Kondom als solches ist absolut preisunelastisch“
Apr 18, 2025
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Robert Richter, Geschäftsführer von Ritex, einem Traditionsunternehmen in der Kondomproduktion, teilt spannende Einblicke in die Welt der Kondome. Er erklärt, wie vegane Zutaten zu mehr Nachhaltigkeit führen. Besonders interessant ist seine Sicht auf die Ansprache von Zielgruppen und die Herausforderungen im Rotlichtmilieu. Zudem thematisiert er die evolutionäre Rolle des Kondoms in der Gesellschaft und reflektiert über die Unterschiede zwischen seiner und der Geschäftsperspektive seines Vaters. Humor und Ernsthaftigkeit harmonieren dabei perfekt.
Ritex hat vegane Kondome eingeführt, um den wachsenden Anforderungen an ökologische Produkte in der Konsumkultur gerecht zu werden.
Die Marke positioniert sich auf Paare in stabilen Beziehungen, was sich in ihrer seriösen Ansprache und minimalistischen Kommunikation widerspiegelt.
Ritex unterstützt Aufklärungsorganisationen für Prostituierte, während sie sich bewusst von unkonventionellen Vertriebswegen im Rotlichtmilieu distanziert.
Deep dives
Einstieg in die vegane Nische
Der Kondomhersteller Ritex hat vor zwei Jahren den Schritt in den Markt für vegane Kondome gewagt, um den wachsenden Ansprüchen an ökologische Produkte gerecht zu werden. Der Markt für vegane Kondome wird als groß genug angesehen, um mehrere Hersteller zu integrieren, was die Möglichkeit für Ritex eröffnet, ihre Produktlinie zu diversifizieren. Ein innovativer Aspekt ist die Verwendung von pflanzlichen Proteinen aus Lupinen anstelle des herkömmlich verwendeten Caseins, um die gewünschten Eigenschaften der Kondome beizubehalten. Dieses umweltfreundliche Engagement zeigt eine allgemeine Verschiebung in der Konsumkultur hin zu nachhaltigen Produkten in West- und Mitteleuropa, insbesondere in Deutschland.
Zielgruppenorientierte Markenansprache
Ritex richtet sich hauptsächlich an Paare in stabilen Beziehungen und hat damit eine klare Marktpositionierung, die von der Werbewelt der hippen und jüngeren Zielgruppen abweicht. Der Fokus auf eine seriöse Ansprache und eine klare Markenidentität spiegelt sich im minimalistischen Design und der Kommunikation wider, die weniger auf Spaß und Selbstdarstellung abzielen. Diese Strategie hat tiefe Wurzeln im pharmazeutischen Ursprung der Marke und betont Bewertungssicherheit und Zuverlässigkeit. Ein interessantes Beispiel sind Playboy-Kondome, die von Ritex als nicht passend für ihre Zielgruppe angesehen werden, da sie nicht dem gewünschten Image entsprechen.
Herausforderungen im Rotlichtmilieu
Das Rotlichtmilieu stellt für Ritex eine komplexe Herausforderung dar, da die Vertriebsmechanismen und die Kundeninteraktionen dort oft unkonventionell sind. Der Verkauf von Kondomen kann in diesem Bereich problematisch sein, da sie häufig als Tauschmittel zwischen Zuhältern und Prostituierten fungieren, was zu Schwierigkeiten für legitime Hersteller führen kann. Ritex ist sich der sensiblen Dynamik in diesem Markt bewusst und hat sich entschieden, diesen Bereich nur begrenzt zu bedienen, unterstützt jedoch Non-Profit-Organisationen, die Aufklärung und Unterstützung für Prostituierte bieten. Diese Taktik zeigt das Verantwortungsbewusstsein der Marke, auch wenn sie den Kontakt zu einem potenziell lukrativen Markt meiden.
Erweiterung des Produktportfolios
Ritex hat sein Produktangebot über Kondome hinaus erweitert, um auch Gleitgele und Aufklärungsmaterialien einzuführen, die in Schulen genutzt werden. Diese Kampagne soll das Bewusstsein für sichere Sexualpraktiken fördern und das gesellschaftliche Verständnis für Kondome verbessern. Der gesellschaftliche Wandel im Umgang mit Sexualität und Verhütung hat dazu geführt, dass junge Menschen offener mit diesen Themen umgehen, was sich positiv auf den Kondomverbrauch auswirken kann. Diese Aufklärung ist besonders wichtig, um Jugendliche über die Risiken ungeschützten Geschlechtsverkehrs zu informieren und die Akzeptanz von Kondomen zu erhöhen.
Der Preis und die Wertwahrnehmung
Trotz der gestiegenen Produktionskosten bleibt die Preisanzahlung für Kondome in Deutschland relativ konstant, da diese als medizinisches Produkt in der Verbraucherkultur hoch geschätzt werden. Verbraucher achten weniger auf den Preis, wenn es um Kondome geht, insbesondere in drängenden Bedarfssituationen, was ihre Preisunelastizität unterstreicht. Es wurde festgestellt, dass die Nachfragesteigerung während der Covid-19-Pandemie deutlich war, was zeigt, dass die Käufe eher von der Beziehungskonstellation der Käufer abhingen. Dies verdeutlicht die psychologische Dimension des Kondomkaufs und die damit verbundene Wertwahrnehmung in verschiedenen Konsumkontexten.
Erinnern Sie sich noch an den Werbespot aus den späten Achtzigern: Ein noch junger Ingolf Lück schiebt die Kondome auf dem Band im Supermarkt verschämt unter den Porree – nur damit dann die Kassiererin, gespielt von Hella von Sinnen, quer durch den ganzen Markt ruft: „Tina, was kosten die Kondome?!“
Der Spot ist von 1989. Damals war Robert Richter noch keine zehn Jahre alt und den Kondomhersteller Ritex, den er heute führt, leitete sein Vater. Seitdem hat sich unser gesellschaftlicher Umgang mit Kondomen auf alle Fälle verändert – und auch bei Ritex und im Leben des Firmenchefs hat sich seither so einiges getan.
Er erzählt Varinia Bernau, was Kondome eigentlich vegan machen kann, wieso das Rotlichtmilieu nicht zu seiner Zielgruppe gehört – und weshalb er eine Tube Gleitgel im Wohnzimmer stehen hat.
Mitarbeit: Johannes Grote
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