Nicole Seifert, Literaturwissenschaftlerin und Autorin von "Frauen Literatur", beleuchtet die tief verwurzelte Misogynie im Literaturbetrieb. Sie erörtert, warum es keine "Männerliteratur" gibt und welche gesellschaftlichen Aspekte die Wahrnehmung von Autorinnen beeinflussen. Seifert analysiert die ungleiche Sichtbarkeit von Frauen in der Literatur und kritisiert die systematischen Ungleichheiten in der Kanonisierung. Außerdem diskutiert sie, wie geschlechtsblinde Auswahlverfahren die Repräsentation von Frauen in der Literatur und Kunst beeinträchtigen.
Die Kategorie 'Frauenliteratur' ist problematisch, da sie oft Werke von Autorinnen abwertet und männliche Leserschaften ausschließt.
Die ungleiche Sichtbarkeit und Anerkennung von Autorinnen in der Literaturkritik ist ein anhaltendes Problem, das dringend adressiert werden muss.
Deep dives
Frauenliteratur und ihre Herausforderungen
Der Begriff Frauenliteratur ist problematisch, da er oft mit Genre- und Unterhaltungsliteratur assoziiert wird, die als weniger wertvoll gilt. Viele prominente Autorinnen, wie Margaret Atwood, stehen oft vor der Frage, ob ihre Werke tatsächlich als Frauenliteratur eingestuft werden können. Diese Bezeichnung schließt häufig männliche Leserschaften aus und verstärkt die Idee, dass Werke von Frauen nicht gleichwertig zur allgemeinen Literatur sind. Der durchgestrichene Begriff im Titel des Buches soll verdeutlichen, dass die Kategorie 'Frauenliteratur' nicht notwendig ist und den Fokus auf die Qualität der Werke schlechthin gelegt werden sollte.
Historische Vernächlässigung
Die Podcast-Episode beleuchtet, wie bedeutende Werke von Autorinnen über die Jahre in der Literaturkritik und im Verlagswesen vernachlässigt wurden. Gabriele Reuter, deren Roman zur gleichen Zeit wie Fontanes Effi Briest erschien, wird als Beispiel für diese Ungerechtigkeit angeführt; ihr Werk fand viel weniger Anerkennung und Sichtbarkeit. Diese Ungleichheit zeigt sich nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der heutigen Buchkritik und den Auswahlverfahren in Verlagen, wo männliche Stimmen dominiert werden. Die Diskussion öffnet einen breiteren Blick auf die anhaltende Notwendigkeit, auch Werke von Autorinnen in die literarische Kanonbildung einzubeziehen.
Der Einfluss der Auswahlkriterien auf die Wahrnehmung
Es wird argumentiert, dass die Zusammenstellung von Büchern in Buchhandlungen und von Feuilletons stark geschlechtsspezifisch geprägt ist, was sich in der Auswahl von Autoren zeigt. Geschlechterstereotypen beeinflussen, welche Literatur als 'wertvoll' oder 'interessant' erachtet wird, und dadurch findet eine ungleiche Behandlung von männlichen und weiblichen Stimmen statt. Diese Voreingenommenheit zeigt sich auch in den Anfragen von Lesern, die tendenziell eher zu Büchern von männlichen Autoren greifen, zudem wird das Bild von Literatur im Unterricht stark von männlichen Perspektiven geprägt. Diese Trends hinterfragen die Erwartung, dass gute Literatur unabhängig vom Geschlecht entstehen kann.
Die Notwendigkeit visueller Repräsentation
Die Diskussion hebt hervor, dass Sichtbarkeit für Autorinnen von entscheidender Bedeutung ist, um in der Literatur ernst genommen zu werden. Es wird aufgezeigt, dass der Zugang zu Literatur von Autorinnen in Schulen und Universitäten häufig eingeschränkt ist, was dazu führt, dass jüngere Leser kaum alternative Perspektiven kennenlernen. Die Erfahrungen von Frauen in der Literatur und ihrer Darstellung im Feuilleton werden als entscheidend angesehen, um den öffentlichen Diskurs zu prägen. Ein offener Umgang und das Aufbrechen bestehender Geschlechterklischees in der Literaturkritik sind unerlässlich, um eine ausgewogenere Repräsentation der Stimmen in der Literatur zu erreichen.
In dieser Folge von "Besser lesen mit dem FALTER" ist die Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert mit ihrem Buch "Frauen Literatur" zu Gast. Mit Moderatorin Petra Hartlieb spricht sie über Misogynie im Literaturbetrieb und warum es eigentlich keine "Männerliteratur" gibt. Abschließend hat Katharina Kropshofer noch zwei Buchempfehlungen aus der FALTER-Redaktion mitgebracht.
Zu den Bücher:
"Frauen Literatur" von Nicole Seifert: https://shop.falter.at/detail/9783462002362/frauen-literatur
"Auf Erden sind wir kurz grandios" von Ocean Vuong: https://shop.falter.at/detail/9783446263895/auf-erden-sind-wir-kurz-grandios
"Die Argonauten" von Maggie Nelson: https://shop.falter.at/detail/9783446257078/die-argonauten