Adam Tooze, ein renommierter Wirtschaftshistoriker und Professor an der Columbia University, diskutiert die drängende Schuldenkrise im globalen Süden. Mehr als 60 Länder sind von Verschuldung bedroht, wobei viele Staaten mehr für Schulden als für Gesundheit und Bildung ausgeben. Tooze beleuchtet Chinas Rolle als bedeutender Kreditgeber und die geopolitischen Spannungen, die eine Lösung behindern. Zudem wird die Verbindung zwischen Schulden- und Klimakrise thematisiert und die Notwendigkeit internationaler Reformen hervorgehoben.
Die Schuldenkrise im globalen Süden wird durch hohe Zinsen und schwankende Wechselkurse verstärkt, was die Rückzahlung erschwert.
China spielt eine entscheidende Rolle in der globalen Kreditvergabe, während die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von chinesischen Krediten wächst.
Deep dives
Die Schuldenkrise im globalen Süden
Die Schuldenkrise des globalen Südens wird zunehmend akut, da viele Länder ihre Staatsschulden nicht mehr bedienen können. Verschiedene Staaten sind bereits bankrott, während andere weitaus mehr für den Schuldendienst aufbringen müssen als für essentielle Bereiche wie Gesundheit oder Bildung. Diese Schuldenproblematik wird hauptsächlich durch einen Konflikt zwischen China und westlichen Staaten verschärft, was eine Lösung in der Nähe aktuell erschwert. Die bevorstehende Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wird als Gelegenheit gesehen, um die Situation genauer zu beleuchten.
Unterschiede in der Schuldenvergabe
Die Arten und Bedingungen, unter denen Staaten Schulden aufnehmen, variieren erheblich zwischen wohlhabenden und armen Ländern. Reiche Staaten können Kredite zu niedrigen Zinsen aufnehmen, während ärmere Länder häufig zu höheren Zinssätzen in Fremdwährungen verschuldet sind, was ihre Rückzahlungsfähigkeit erschwert. Während Deutschland beispielsweise auf sichere Anleihen zurückgreift, stehen Entwicklungsländer unter Druck, riskantere Kredite aufzunehmen, was zu einer langfristigen Überschuldung führen kann. Diese Ungleichheit ist Teil des breiteren Problems der globalen Ungleichheit zwischen den wohlhabenden und den ärmeren Staaten.
Klimawandel und Schuldenkrise
Der Klimawandel trägt wesentlich zur Verschärfung der Schuldenkrise bei, da hochverschuldete Länder oft auch extrem klimasensibel sind. Diese Länder werden durch Naturkatastrophen stark belastet, was zu einem Abwerten ihrer Kreditwürdigkeit auf den Kapitalmärkten führt. Der resultierende Teufelskreis macht es den am stärksten betroffenen Staaten schwer, notwendige Investitionen in den Klimaschutz zu tätigen. Letztendlich müssen diese Länder nicht nur ihre Schulden managen, sondern auch in eine klimaresiliente Zukunft investieren, um weiteren finanziellen Druck zu minimieren.
Chinas Rolle in der globalen Kreditvergabe
China war in den letzten Jahren einer der größten Geldgeber für Entwicklungsländer, insbesondere durch die Belt and Road Initiative, aber dies hat sich mittlerweile verlangsamt. Während China in der Vergangenheit großzügige Kredite vergeben hat, wurde es zunehmend mit Bedenken konfrontiert, dass diese Kredite oft zu einer Abhängigkeit von schwachen Staaten führen könnten. Verschiedene Länder haben unterschiedliche Erfahrungen mit der chinesischen Kreditvergabe gemacht, und der Druck auf China, Schulden zu restrukturieren oder Schuldenerlasse zu gewähren, wächst. Viele sehen China, trotz eigener wirtschaftlicher Herausforderungen, als entscheidenden Akteur, um die zukünftige Finanzlage der Entwicklungsländer zu stabilisieren.
Nach Angaben des Internationalem Währungsfonds (IWF) sind mehr als 60 Länder von Verschuldung bedroht. Viele Staaten des globalen Südens geben inzwischen weit mehr für den Schuldendienst aus als für Gesundheit, Bildung oder nachhaltige Entwicklung. Mehrere Länder können ihre Schulden nicht mehr fristgerecht bedienen. Eine Lösung der Krise scheitert bisher an einem Konflikt zwischen China und den westlichen Staaten.
Anlässlich der Jahrestagung von Weltbank und IWF im Oktober ergründen wir mit Adam Tooze die Hintergründe: Wie konnte es zu einer so hohen Verschuldung kommen? Was sind die Folgen? Wie hängen Schulden- und Klimakrise zusammen? Und welche Rolle spielt China bei all dem?
Mit:
• Adam Tooze, Wirtschaftshistoriker und Professor an der Columbia University
• Jörg Haas, Referent Globalisierung und Transformation, Heinrich-Böll-Stiftung
• Sarah Ribbert, Referentin Entschuldung und grüne Transformation, Heinrich-Böll-Stiftung