In dieser Folge spricht Fritz Simon, ein erfahrener Systemtheoretiker und Berater, über Selbstorganisation und die Macht in sozialen Systemen. Er erklärt, warum Selbstorganisation der Normalfall ist und beschreibt seine anschaulichen Beispiele mit einer Kindergärtnerin und Ampeln. Simon diskutiert, wie Interventionen Widerstände erzeugen können und warum Ambivalenz für Berater entscheidend ist. Außerdem beleuchtet er, wie Macht als unvermeidliches Strukturmerkmal in Organisationen wirkt, und gibt Einblicke in die Rolle von Kerngruppen für systemischen Wandel.
43:31
forum Ask episode
web_stories AI Snips
view_agenda Chapters
menu_book Books
auto_awesome Transcript
info_circle Episode notes
insights INSIGHT
Selbstorganisation Als Grundzustand
Selbstorganisation ist der Normalfall; Organisation ist der Versuch, sie für bestimmte Ziele einzuschränken.
Selbstorganisierte Systeme bilden Einheiten aus vielen lokalen Einflüssen ohne zentrale Konstruktion.
question_answer ANECDOTE
Betonplatten‑Experiment Auf Dem Eiffelturm
Fritz beschreibt ein Experiment mit fünf Personen auf einer auf Kugelgelenk gelagerten Betonplatte auf dem Eiffelturm.
Eine sechste erratische Person zwingt die anderen zu Gegenbewegungen und zeigt paradoxe Ausgleichsreaktionen.
insights INSIGHT
Intervention Löst Kompensationsdynamik Aus
Jede Intervention erzeugt Gegenkräfte, die das System stabilisieren wollen.
Widerstand ist oft sinnvolle Selbstschutzdynamik gegen gefährdende Veränderungen.
Get the Snipd Podcast app to discover more snips from this episode
In der Abschlussfolge des „Erkenntnistheoretischen Führerscheins“ sprechen Fritz Simon und Andreas Kollar über Selbstorganisation, Macht und die Dynamik von Veränderung. Was heißt es, Systeme zu beeinflussen, ohne sie zu zerstören? Wann wird Beratung paradox? Und warum ist Ambivalenz vielleicht die wichtigste Haltung überhaupt? Zwischen Eiffelturm-Experiment, Ampelmetapher und Führerscheinfazit wird klar: Zieldienlich und nachhaltig beeinflussen kann man Systeme nur, wenn man sie versteht: als selbstorganisierte, lernende Gebilde.
Inhalte der Episode
• Selbstorganisation verstehen
Warum Selbstorganisation der Normalfall ist und Organisation der Versuch, sie zu begrenzen.
• Von Fremd- zu Selbststeuerung
Kindergärtnerin, Ampel & Wolke: Beispiele für Systeme, die sich selbst ordnen (oder ordnen lassen).
• Gleichgewicht & Intervention
Fritz’ Betonplatten-Experiment auf dem Eiffelturm: Wie jede Intervention Gegenbewegungen auslöst
• Ambivalenz als Profession
Der Berater als Anwalt der Ambivalenz: Veränderungen begleiten, ohne den Erhalt zu gefährden.
• Nicht-normativ beraten
Systemisches Denken bedeutet: neugierig bleiben, Sinn annehmen, statt Pathologie zu unterstellen.
• Macht & Einfluss
Warum Macht kein Makel ist, sondern ein unvermeidliches Strukturmerkmal sozialer Systeme. An Schulhöfen ebenso wie in Vorstandsetagen.
• Machtbeziehungen erkennen
„Wer braucht wen mehr?“ – eine einfache Formel zur Beobachtung subtiler Abhängigkeiten.
• Organisation & Lernen
Warum Trainings wenig verändern, solange die Organisation gleich kommuniziert
• Kerngruppen & systemischer Wandel
Warum man Systeme nicht allein verändern kann, sondern Mitspieler mit derselben inneren Landkarte braucht.
• Der Führerschein-Fazit
Theorie ist nur nützlich, wenn sie praktisch wird: Plausibilität, Kontext und Handlungsanleitung schlagen Tiefenbohrung.
Takeaways
• Selbstorganisation ist der Normalfall, nicht die Ausnahme.
• Jede Intervention erzeugt Gegenkräfte und damit neue Dynamik.
• Ambivalenz ist kein Fehler, sondern das Herz jeder Veränderung.
• Macht ist unvermeidlich! Entscheidend ist, wie sensibel man damit umgeht.
• Theorie braucht Praxisübersetzung, nicht Tiefenbohrung.
• Kommunikation verändert Systeme, nicht Einzelne.
Markante Zitate
• „Selbstorganisation ist die Ausgangslage. Organisation ist der Versuch, dagegen zu arbeiten.“
• „Ich bin Anwalt der Ambivalenz.“
• „Wer normativ unterwegs ist, sollte in einer Missionsstation arbeiten.“
• „Macht ist kein Schimpfwort, sie strukturiert Beziehungen.“
• „Wer braucht wen mehr? Das ist die Formel für Machtbeziehungen.“
• „Man sollte nie allein versuchen, ein System zu verändern.“
• „Organisation ist der Versuch, Ordnung hineinzubringen. Selbstorganisation ist der Normalfall.“
• „Ich habe mich immer als Anwalt der Ambivalenz verstanden.“
• „Wer keine Sensibilität für Macht hat, sollte im Garten arbeiten, aber nicht als Berater.“
Literatur / Erwähnte Bezugspunkte
Simon, Fritz B. (2006): Gemeinsam sind wir blöd!? Die Intelligenz von Unternehmen, Managern und Märkten. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
Simon, Fritz B. (2025): Formen. Zur Kopplung von Psyche, Organismus und sozialen Systemen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
Watzlawick, Paul (1974): Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern: Huber.
Maturana, Humberto & Varela, Francisco (1987): Der Baum der Erkenntnis. Bern: Scherz Verlag.
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.