
SWR Kultur lesenswert - Literatur Peter Schneider – Die Frau an der Bushaltestelle | Buchkritik
Nov 11, 2025
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Von einer begehrenswerten Frau, die nichts als gute Gespräche und Freundschaft in Aussicht stellt, sollte ein liebender Mann sich fernhalten. Allerdings muss auch der leidenschaftlich Geliebte mit Schwierigkeiten aller Art rechnen:
Wer von der größten Liebe seines Lebens spricht, meint damit eine, die neben den euphorischen Augenblicken auch das größte Unglück und die schlimmsten Verletzungen hervorgebracht hat.Von so einer schicksalhaften Begegnung handelt Peter Schneiders neuer Roman „Die Frau an der Bushaltestelle“. Es ist die im Westberlin der 1960er Jahre angesiedelte Geschichte des eher unscheinbaren Studenten Nick, der widerstandslos der wunderschönen, alle Männer betörenden Isabel verfällt, die kurz vor dem Mauerbau aus der DDR in den Westen kam.Quelle: Peter Schneider – Die Frau an der Bushaltestelle
Einer fürs Bett und einer für die Seele
Die Geschichte wird – im Abstand von mehr als fünfzig Jahren – aus der Perspektive des liebenden Freundes erzählt, dem damals nur die Rolle des Beobachters und Beraters zukam, oder, wie er das formuliert: Nick war fürs Bett und er für die Seele zuständig. Dieser Ich-Erzähler, als millionenschwerer Erbe eines Textilunternehmens mit Sportwagen und sehr viel Selbstbewusstsein, erinnert sich der Epoche des jugendlichen Aufbegehrens und der beginnenden Studentenrevolte. Es ist die Zeit politischer Leidenschaften und ideologischer Verblendung, die für Peter Schneider zu einem Lebensthema geworden ist.Vielleicht waren diese Monate des Umherschweifens die beste Zeit – dieses Mitschwimmen, Sichbegeistern, und Sich-auch-wieder-Abstoßen von einem Aufbruch, der noch keinen Namen und kein Programm hatte. Wenn es ein Motiv gab, das all diese jungen Leute einte, so war es die Suche nach einer anderen, einer besseren Art zu leben.Schneiders Erzähler ist aber auch in Sachen Politik mehr Beobachter als Mitspieler. Am Beispiel der beiden so heftig wie unglücklich Verliebten zeigt er, wie das Scheitern der Beziehung zur politischen Radikalisierung führte – jedenfalls auf Seiten Isabels. Anfang der 1970er Jahre gleitet sie in eine linksterroristische Gruppierung ab, ohne dass Nick oder der allzu vernünftige Erzähler sie davon abhalten könnten. Das tragische Ende ist vorgezeichnet.Quelle: Peter Schneider – Die Frau an der Bushaltestelle
