Volker Pabst, Südosteuropa-Korrespondent der NZZ, gibt spannende Einblicke in die größten Studentenproteste Europas seit Jahrzehnten in Serbien. Er erläutert, wie ein schwerer Unfall beim Bau eines Bahnhofs die Unzufriedenheit über Korruption und Missmanagement entfesselte. Besonders bewegend ist die Atmosphäre der Proteste in Belgrad, wo junge Menschen und Studierende vereint für ihre Rechte eintreten. Pabst beleuchtet außerdem die Symbolik hinter den Protestplakaten und das neu entdeckte politische Bewusstsein der Jugend in Serbien.
Die Studentenproteste in Serbien sind eine Reaktion auf jahrelange Korruption und Ungerechtigkeiten, die durch ein tragisches Unglück verstärkt wurden.
Die Teilnehmer fordern konkrete Veränderungen wie die Erhöhung des Bildungsbudgets um 20 Prozent und eine grundlegende Reform des politischen Systems.
Deep dives
Proteste als Antwort auf Korruption
Die Proteste in Serbien sind eine Reaktion auf jahrelange Korruption und Missstände, die ihren Höhepunkt in einem tragischen Unglück fanden, bei dem das Vordach eines frisch renovierten Bahnhofs in Novi Sad einstürzte und 15 Menschen tötete. Dieses Ereignis hat nicht nur Trauer, sondern auch eine Welle der Wut ausgelöst, die sich gegen die Regierung richtet, die für die mangelhafte Bauausführung und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken verantwortlich gemacht wird. Die Demonstranten, vor allem Studenten, bringen ihre Empörung zum Ausdruck und fordern eine Untersuchung der Ereignisse sowie die Offenlegung von Dokumenten, die die Verantwortlichen identifizieren könnten. Diese Proteste stehen symbolisch für eine tiefere Unzufriedenheit mit dem politischen System und einer der herrschenden Korruption innewohnenden Straflosigkeit, die viele Serben schon lange frustriert hat.
Mobilisierung junger Menschen
Die Demonstrationen werden vor allem von Studenten angeführt, die sich als neutral und unpolitisch wahrnehmen und dadurch eine breite Unterstützung aus verschiedenen sozialen Schichten gewinnen. In den vergangenen Monaten hat sich die Bewegung nicht nur auf Studenten beschränkt; auch Eltern, Lehrer und andere Bürger schließen sich den Protesten an. Besonders bemerkenswert ist die Solidarität des berühmten Tennisspielers Novak Djokovic, der sich positiv zu den Studentenprotesten äußerte und damit dem Regime deutliche Kritik entgegenbrachte. Dadurch wird die Mobilisierungsperspektive verstärkt, dass diese junge Generation bereit ist, aktiv für Veränderungen zu kämpfen und nicht in Resignation zu verharren.
Forderungen nach Reformen
Die Studentenproteste beinhalten klare Forderungen, darunter die Veröffentlichung aller relevanten Dokumente zum Bau des Bahnhofs, strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die gegen die Demonstranten vorgegangen sind, sowie eine Erhöhung des Bildungsbudgets um 20 Prozent. Diese Forderungen zielen darauf ab, das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen und einen echten Rechtsstaat zu etablieren, in dem die Regierung nicht in die Arbeit von Polizei und Justiz eingreift. Obwohl einige Minister zurückgetreten sind und die Regierung behauptet, auf die Forderungen reagiert zu haben, haben viele Demonstranten das Gefühl, dass die Veränderungen oberflächlich und nicht ausreichend sind. Sie streben nach einem tatsächlich neuen System, ohne jedoch offen den Rücktritt des Präsidenten zu fordern, was die Komplexität und die strategische Herangehensweise der Bewegung verdeutlicht.
Seit über drei Monaten wird in Serbien demonstriert – es sind die grössten Studentenproteste Europas seit Jahrzehnten. Langsam aber sicher steigt auch der Druck auf Präsident Vucic.
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