Daniel-Pascal Zorn, Philosoph und Mitautor von "Mit Rechten reden", beleuchtet die Strategien der Neuen Rechten. Er diskutiert, wie diese sich kulturelle Ansätze aneignen und Social Media zur Mobilisierung nutzen. Provokante Kommunikationsstrategien der AfD gewinnen bei Jugendlichen an Bedeutung. Zorn thematisiert die Herausforderungen im politischen Diskurs und betont die Notwendigkeit, respektvoll zu diskutieren, ohne Extremismus zu normalisieren. Historische Wurzeln und die Auswirkungen von COVID-19 auf die Diskurslandschaft werden ebenfalls beleuchtet.
Der politische Diskurs muss sich fundamental ändern, um effektiv gegen die neuen Strategien der Rechten anzukämpfen.
Die neue Rechte verwendet kulturelle Narrative und Performanztechniken, um breitere gesellschaftliche Zustimmung zu gewinnen und ihre Ideologien zu verbreiten.
Die Medien spielen eine ambivalente Rolle, indem sie provozierende Figuren legitimieren und somit die Normalisierung extrem rechter Ansichten fördern.
Deep dives
Paradigmenwechsel im Umgang mit Rechten
Der politische Diskurs benötigt einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Umgang mit rechten Ideologien. Viele gegen Rechts gerichtete Projekte basieren noch auf den Wahrnehmungen aus den 90er Jahren, die vor allem Neonazis und deren völkisch-nationalsozialistische Weltanschauung thematisieren. Dies entspricht jedoch nicht den Strategien der neuen Rechten, die sich über Performance und Identifikationsstrategien definieren, um breitere Zielgruppen anzusprechen. Eine Veränderung der Herangehensweise ist notwendig, um gegen die derzeitigen Erfolge der neuen Rechten, etwa durch die AfD, anzukämpfen.
Die neue Rechte und ihre Strategien
Die neue Rechte zeichnet sich durch eine veränderte Strategie aus, die stark von kulturkampforientierten Ansätzen der 60er und 70er Jahre beeinflusst ist. Sie haben klassische, harte rassistische Ansichten durch weichere, kulturelle Narrative ersetzt, wie beispielsweise den Ethnopluralismus, um breitere Zustimmung in der Gesellschaft zu gewinnen. Diese Ansätze sind nicht nur durch Inhalte geprägt, sondern auch durch performative Techniken, die darauf abzielen, einen emotionalen Zugang zu schaffen. Diese Veränderung in der Strategie macht es für die Beobachter schwierig, die Konturen der neuen Rechten klar zu definieren.
Umgang mit Provokationen
Die Unterscheidung zwischen Problematik und Aufgabe wird im Kontext rechter Provokationen hervorgehoben. Während eine Aufgabe klare Handlungen erfordert, stellen Provokationen der neuen Rechten ein Problem dar, da sie nicht einfach zu isolierenden Aussagen führen, sondern durch performative Diskurse ein breiteres Publikum ansprechen. Der Versuch, Provokationen beispielsweise durch Empörung zu kontern, kann versehentlich das gegenteilige Ergebnis hervorrufen, indem die provokante Narrative verstärkt wird. Stattdessen wird geraten, provokantem Verhalten mit Skepsis zu begegnen, um das gewünschte Gefühle der Provokation zu unterlaufen.
Die Normalisierung des Diskurses
Das sogenannte Provokationsspiel hat sich in den letzten Jahren als gängige Praxis innerhalb des politischen Diskurses etabliert, einschließlich in den Mainstream-Medien. Dieses Spiel beinhaltet, dass Provokationen absichtlich lanciert werden, um daraufhin eine beständige Empörung zu generieren, was die Diskussion stark emotionalisiert und nur wenig produktiv wird. Dieses Verhalten hat sich zu einem Geschäftsmodell entwickelt, bei dem Zeitungen und Plattformen von interessanten, wenn auch extremen Erzählungen profitieren, um Klickzahlen zu steigern. Diese Normalisierung schafft eine Art kaskadierende Empörungskultur, in der es immer schwerer wird, nüchtern zu reagieren.
Die Rolle der Medien im politischen Diskurs
Die Medien haben oft eine ambivalente Rolle im Umgang mit rechten Diskursen gespielt, indem sie provokante Figuren durch Berichterstattung zur Normalität verhelfen. Journalisten sind manchmal unvorbereitet auf die Taktiken und Strategien der neuen Rechten, was dazu führt, dass sie ihre eigene Plattform für extreme Ansichten bieten. Die Affinität der Medien, kontroverse Persönlichkeiten zu beleuchten, kann jedoch von den rechten Akteuren als Möglichkeit zur Legitimation ihrer Ansichten missbraucht werden. Diese gegenseitige Instrumentalisierung zeigt, wie wichtig es ist, Medienverantwortung zu übernehmen und einen kritischen Diskurs zu fördern, anstatt Provokationen einfach nachzugeben.