Heike Kleffner über den Terror-Prozess, Reichsbürger und die Gruppe um Prinz Reuß
Jul 13, 2024
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Heike Kleffner, eine erfahrene Expertin für rechtliche Themen und Geschäftsführerin eines Verbands gegen rechte Gewalt, bringt spannende Einblicke in die Reichsbürger-Prozesse. Sie erklärt, wie die Gruppe um die Patriotische Union einen Umsturz plante und Verbindungen zu Sicherheitsbehörden aufweist. Zudem beleuchtet sie die problematische Verflechtung von Rechtsextremismus innerhalb der Polizei und deren Auswirkungen auf die Demokratie. Schließlich thematisiert sie die Bedrohung, die von rechtsextremen Ideologien in sozialen Medien ausgeht.
Der Polizei-Einsatz im Dezember 2022 deckte einen geplanten Umsturz durch eine militärisch orientierte Gruppe aus dem Reichsbürgermilieu auf.
Die Beschuldigten umfassen ehemalige Angehörige von Sicherheitsbehörden, was die Infiltration rechtsextremer Ideologien in staatliche Institutionen zeigt.
Die Ideologie der Gruppe vermischt Verschwörungstheorien und Misstrauen gegenüber dem Staat, was die Radikalisierung in der Gesellschaft fördert.
Deep dives
Großer Polizeieinsatz gegen umsturzgeplante Gruppe
Im Dezember 2022 fand der größte Polizeieinsatz gegen eine mutmaßlich terroristische Vereinigung in Deutschland statt, bei dem rund 300 Beamte über 300 Objekte in einem koordinierten Aktion durchsuchten. Die beschuldigte Gruppe, die sich aus dem Reichsbürgermilieu zusammensetzte, soll einen Umsturz der Bundesrepublik geplant haben, inklusive eines Sturmes auf den Bundestag. Unter den Angeklagten befinden sich ehemalige Mitglieder von Sicherheitsbehörden, wie Polizisten und Soldaten der Bundeswehr, sowie eine frühere Bundestagsabgeordnete der AfD. Dies wirft Fragen zur Durchdringung rechtsextremer Ideologien in staatlichen Institutionen auf und beleuchtet die Gefahren, die von solchen Netzwerken ausgehen können.
Struktur und Pläne der patriotischen Union
Die Gruppe, die sich selbst Patriotische Union nennt, wollte eine gut organisierte, militärische Struktur aufbauen, um ihren Umsturzfokus zu unterstützen. Dabei wurden bereits Strukturen lokal etabliert, um sogenannte Heimatverbände zu schaffen, die militärisch agieren sollten. Bei Durchsuchungen fanden Ermittler Selbstverpflichtungen von Gruppenmitgliedern, die sich bereit erklärten, an den Umsturzplänen mitzuarbeiten. Die Vorwürfe gegen die Beschuldigten sind gravierend und umfassen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.
Verbindungen zu Sicherheitsbehörden und Waffenlager
Die Ermittlungen haben ergeben, dass mehrere Angeklagte über militärische Erfahrungen und sogar direkte Verbindungen zu Sicherheitsbehörden verfügen. Dabei wurden zahlreiche Waffen und große Mengen Munition, darunter Schusswaffen und Hieb- und Stichwaffen, bei den Razzien beschlagnahmt. Ein zentraler Angeklagter gestand, dass mehr als 100.000 Euro zur Waffenschaffung an andere Personen übergeben wurden. Die bündnisartige Organisation dieser Gruppe birgt, neben den physischen Bedrohungen, auch psychologische Gefahren, da sie potenziell gut ausgebildete Radikale vereint.
Ideologische Motive und Verschwörungstheorien
Die Ideologie der Gruppe vermischt Elemente von QAnon und rechtsextremen Überzeugungen, wobei ein starkes Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen und eine tiefsitzende Verschwörungstheorie über einen Kindesmissbrauchsringen propagiert werden. Diese irrationale Vorstellung gibt den Mitgliedern nicht nur eine vermeintliche Legitimation für ihr Handeln, sondern motiviert sie auch, aktiv gegen die Regierung vorzugehen. Maximilian Eder, ein gefragter Akteur innerhalb der Gruppe, gab Einblicke in deren Überzeugungen und beschreibt die Existenz einer geheimen Verschwörung von Politikern, die die Gesellschaft unterdrücken wollen. Diese Ideologien zeigen, wie gefährliche Mythen in der modernen Gesellschaft verbreitet werden können.
Bedrohung durch rechtsextremen Extremismus im Staatsdienst
Die Diskussion um Rechtsextremismus innerhalb von Sicherheitsbehörden zeigt, dass die Bedrohung durch radikalisierte Personen in staatlichen Institutionen ernst zu nehmen ist. Fälle wie die Gruppe um Prinz Reus verdeutlichen die potenziellen Risiken, die entstehen, wenn Tatsachen ignoriert werden und rechtsextremes Gedankengut in der Bevölkerung, einschließlich des Staatsdienstes, verankert ist. Die Verharmlosung und die nicht ernsthaft verfolgten Anzeichen von Radikalisierung können zu schwerwiegenden Konsequenzen für die öffentliche Sicherheit führen. Zudem werden immer wieder Bedenken laut, dass die bisherigen Maßnahmen zur Kontrolle und Ausgliederung extremistischer Strömungen nicht ausreichend sind, wodurch der Schutz der demokratischen Ordnung gefährdet wird.
Ende April begannen vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart die Verhandlung zu einem Fall, der sogar international für Schlagzeilen gesorgt hat. Im Dezember 2022 führten zeitgleich rund 3000 Polizeibeamte Hausdurchsuchungen bei mehr als 300 Objekten in ganz Deutschland durch. Dabei wurden zahlreiche Verdächtige festgenommen. Der Gruppe aus dem verschwörungsideologischen Reichsbürger-Milieu wird vorgeworfen, einen Umsturz geplant zu haben. Besonder brisant an dem ganzen Fall ist folgendes Detail: Unter den Beschuldigten befindet sich nicht nur eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD, sondern es ist auch die Reden von mehrere Personen mit Verbindungen zur Polizei und Bundeswehr.
Heike Kleffner ist Journalistin und Geschäftsführerin des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie beschäftigt sich seit den 90er Jahren mit der rechtsextremen Szene. Und sie ist Mitherausgeberin des Sammelbandes “Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“. Von ihr will ich wissen: Was hat es auf sich mit den Reichsbürger-Prozessen und wie groß ist die Bedrohung durch Rechtsextremisten im Staatsdienst?