#121 Ungeregelte Solarleistung – Wie bekommen wir sie unter Kontrolle? (Prof. Lion Hirth)
Oct 20, 2024
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Prof. Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin und Berater für das BMWK, diskutiert die Herausforderungen der Solarenergie in Deutschland. Er beleuchtet die unregulierte Solarleistung und deren Einfluss auf den Strommarkt, insbesondere an sonnigen Tagen. Warum speisen viele Hausdächer unnötig Strom ein? Welche politischen Anpassungen sind nötig, um die Solarenergie effizienter zu nutzen? Lion bietet spannende Einblicke in intelligente Regelungssysteme und die Rolle von Großspeichern in der Energiewende.
Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland erfordert Anpassungen im Einspeisevergütungssystem, um Überproduktion und negative Strompreise zu vermeiden.
Ungeregelte Solarleistungen stellen eine Belastung für das Stromnetz dar, weshalb eine strategische Planung und neue Regulierungen dringend notwendig sind.
Die Implementierung von Großspeichern und intelligenten Steuerungssystemen ist entscheidend, um Flexibilität im Stromnetz zu gewährleisten und Marktbedingungen zu berücksichtigen.
Deep dives
Auswirkungen der Einspeisevergütung
Das aktuelle Einspeisevergütungssystem in Deutschland hat dazu geführt, dass viele kleine Solaranlagen kontinuierlich Strom ins Netz einspeisen, unabhängig von den Marktbedingungen. Wenn der Strompreis negativ wird, erhalten die Betreiber dennoch ihre garantierten 7 bis 9 Cent pro Kilowattstunde, was sie davon abhält, ihre Produktion zu drosseln. Dies führt zu einer Überproduktion an sonnigen Tagen, was die Strompreise weiter in den Keller treibt und somit zu zusätzlichen Kosten für das Stromsystem führt. Langfristig könnte dieses System Branchen und die Gesellschaft belasten, wenn die Vorgaben nicht angepasst werden.
Photovoltaikausbau und Herausforderungen
In den letzten Jahren hat der Ausbau von Photovoltaik in Deutschland an Fahrt gewonnen, mit einem Ziel von 15 Gigawatt pro Jahr, das bereits übertroffen wurde. Der gegenwärtige Zubau bringt jedoch Herausforderungen mit sich, wie beispielsweise die nicht abgestimmte Einspeisung während Spitzenzeiten, wenn die Nachfrage gering ist. Diese sogenannte „ungeregelte Solarleistung“ könnte in Zukunft zu Überlastungen im Stromnetz führen, was die Notwendigkeit von Anpassungen und Regulierungen verdeutlicht. Diese Entwicklungen erfordern eine strategische Planung und ein Umdenken im Strommarktdesign.
Energieverbrauch und Marktpreise
Auf sonnigen Tagen, insbesondere an Feiertagen, gibt es Momente, in denen die erneuerbare Energieproduktion die Nachfrage übersteigt, was zu negativen Strompreisen führen kann. Dies stellt sowohl für Versorger als auch für die Netzbetreiber eine finanzielle Belastung dar, da sie Geld erhalten müssen, um diesen überschüssigen Strom abzunehmen. In solchen Zeiten ist es kritisch, dass große Solaranlagen und Speicherlösungen effektiv eingesetzt werden, um nicht nur die Produktion zu optimieren, sondern auch die Strompreise stabil zu halten. Damit wird deutlich, dass nicht nur die Erzeugung, sondern auch das Verbrauchsmanagement Teil der Lösung sein muss.
Flexibilisierung des Strommarktes
Aktuell ist es entscheidend, dass alle neu installierten Solaranlagen Maßnahmen ergreifen, die eine Anpassung an die Strompreissituation ermöglichen. Konkret bedeutet dies, dass auch kleinere Anlagen durch intelligente Steuerung und Verbrauchsmuster flexibler agieren müssen, um sich an den Preisentwicklungen des Strommarktes orientieren zu können. Dies könnte durch Direktvermarktungslösungen oder dynamische Einspeisetarife erreicht werden, die den Anlagenbetreibern Anreize bieten, ihre Produktion zu reduzieren, wenn die Marktpreise niedrig sind. Solche Anpassungen erfordern jedoch umfangreiche regulatorische Änderungen und eine bessere IT-Anbindung der Anlagen.
Einfluss von Speichertechnologien
Großspeicher und Batteriesysteme könnten eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung voraussichtlicher Überproduktionen durch Solarenergie spielen, da sie dazu in der Lage sind, überschüssigen Strom zwischenzuspeichern. Trotz der Vorteile werden jedoch immer noch sehr wenige Großbatterien in Deutschland installiert, teils aufgrund langwieriger Genehmigungsprozesse und teurer Netzanschlüsse. Daher wird der Ausbau von Speicherkapazitäten entscheidend sein, um die Flexibilität im Stromnetz zu erhöhen und saisonale Schwankungen auszugleichen. Dies erfordert nicht nur technische Innovationen, sondern auch einen Paradigmenwechsel in der regulatorischen Unterstützung für solche Technologien.
Internationaler Kontext und Lehren
Die Herausforderungen, vor denen Deutschland im Bereich erneuerbare Energien steht, sind nicht isoliert, sondern betreffen auch andere europäische Länder, die vergleichbare Anstrengungen unternehmen, um ihre Solarenergieproduktion zu steigern. Ein Austausch über Best Practices und effektive Strategien könnte wertvolle Erkenntnisse liefern, um die jeweilige Energiewende effizienter zu gestalten. Daher ist es sinnvoll, die Entwicklungen in Nachbarländern zu beobachten und gegebenenfalls anzupassen, um zukünftige Probleme im Stromnetz zu vermeiden. Diese internationale Perspektive könnte auch zur Verbesserung von bestehenden Systemen beitragen, indem unterschiedliche Ansätze auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden.
Wie verlief der Ausbau der Solarenergie in Deutschland in den letzten Jahren? Warum ist ungeregelte Solarleistung heute eine Herausforderung, und wie wirkt sich das auf den Strommarkt aus? Was passiert, wenn zu viel Solarstrom ins Netz eingespeist wird? Und wie können wir Solarenergie in Zukunft System dienlich gestalten?
In unserer heutigen Folge ist Prof. Lion Hirth zu Gast. Lion lehrt an der Hertie School in Berlin und berät nebenbei mit seiner eigenen Consulting-Firma NEON unter anderem das BMWK. Gemeinsam mit Lion sprechen wir über den Ausbau der Solarenergie in Deutschland, die Herausforderungen durch ungeregelte Solarleistung und die finanziellen Folgen, wenn der Markt Solarstrom-Überschüsse nicht mehr aufnimmt.
Lion erklärt, warum kleine Solaranlagen auf Privathäusern (aktuell etwa 60 GW) oft auch dann einspeisen, wenn kein Bedarf besteht, und warum dies problematisch ist. Zudem werfen wir einen Blick darauf, warum Netzbetreiber Großbatterien nur zögerlich anschließen und welche politischen Anpassungen notwendig wären, um diese Herausforderungen zu lösen. Zum Abschluss diskutieren wir, welche Anreizmodelle es braucht, um Solaranlagen systemdienlich zu betreiben, und was wir von anderen Ländern lernen können.
Freu dich auf ein spannendes Gespräch voller wertvoller Einblicke in die Zukunft der Solarenergie!
Timestamps:
(00:06:25) Überblick PV in Deutschland
(00:19:19) Welche Herausforderungen gibt es durch den ungeregelten Ausbau?
(00:38:13) Welche mögliche Lösungen haben wir?
(00:53:33) Welche Hemmnisse im Ausbau können sich durch die Lösungen ergeben?
(00:56:47) Weitere regulatorische Lösungsmöglichkeiten
(01:09:34) Recap
Der enPower Podcast ist ein Projekt von Markus Fritz und Julius Wesche. Für Folgen-Ideen oder Kollaborationsanfragen gerne via email an hallo(at)enpower-podcast.de.
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