Instrumenten-Experte Thöne über den Mythos Stradivari
Mar 28, 2024
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Jost Thöne, Experte für Stradivari-Geigen und Buchautor mit über 36 Jahren Erfahrung, erklärt die Faszination hinter den unübertroffenen Klängen der Stradivaris. Er diskutiert den Einfluss italienischer Geigenbaukunst und warum alte Streichinstrumente so hohe Preise erzielen. Thöne beleuchtet die Investitionsmöglichkeiten in Geigen und die Intrigen der Tokenisierung. Zudem wird erörtert, wie ungenutzte Geigen von Ruhe profitieren und wie man echte Stradivari-Geigen von Fälschungen unterscheidet.
Die unvergleichliche Klangqualität und der historische Wert der Stradivari-Geigen machen sie zu den wertvollsten Instrumenten der Welt.
Investitionen in Stradivari-Geigen haben sich über die letzten hundert Jahre als äußerst lukrativ erwiesen, mit einer durchschnittlichen Rendite von etwa zehn Prozent pro Jahr.
Die zukünftige Tokenisierung von Musikinstrumenten könnte neue digitale Anlagemöglichkeiten schaffen und den Markt für ein breiteres Publikum öffnen.
Deep dives
Die Faszination der Stradivari-Geigen
Stradivari-Geigen sind bis heute die wertvollsten Instrumente der Welt, was durch ihre außergewöhnliche Klangqualität und Rarität bedingt ist. Von den etwa 1.000 Instrumenten, die Antonio Stradivari zwischen 1666 und 1737 baute, sind heute nur noch etwa 650 erhalten, von denen viele nicht mehr im Originalzustand sind. Die Wertsteigerung dieser Geigen wird durch ihren historischen und kulturellen Wert unterstützt, da Stradivari als einer der besten Geigenbauer gilt, dessen Techniken und Materialien unerreicht geblieben sind. Dies gibt den Geigen nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen museumsgleichen Status, was zu den extrem hohen Preisen führt, die diese Instrumente erzielen.
Technik und Innovation im Geigenbau
Antonio Stradivari hat den Geigenbau zu seiner Zeit revolutioniert, indem er innovative Techniken und Materialien verwendete, die den Klang seiner Instrumente einzigartig machten. Die Frage, warum die Technologie des Geigenbaus seit 300 Jahren nahezu unverändert geblieben ist, steht im Raum, da Stradivari faktisch den perfekten Klang und die ideale Form gefunden hat. Seine Erfahrungen und sein ingenieurtechnisches Wissen ermöglichten es ihm, die Holzstärken und -verhältnisse optimal zu gestalten, was in den Geigen eine harmonische Resonanz erzeugte. Viele moderne Geigenbauer haben versucht, Stradivaris Techniken nachzuahmen, jedoch bleibt die Qualität seiner Instrumente unerreicht.
Der Klang alter vs. neuer Geigen
Die Diskussion darüber, warum viele Musiker auf alten Instrumenten spielen, verweist auf die besonderen Klangfarben, die jahrhundertelange Nutzung hervorgebracht hat. Während moderne Geigen speziell für große Konzertsäle konstruiert werden, bieten alte Stradivaris oft eine Komplexität und Tiefe im Klang, die einem heutigen Publikum schwer zu entlocken ist. Musiker bevorzugen oft alte Instrumente für historische Aufführungen, da sie helfen, die kompositorischen Absichten von Barockmusik besser auszudrücken. Dennoch gibt es auch viele moderne Instrumente, die als ebenbürtig angesehen werden und für zeitgenössische Werke gebaut werden.
Der Wert von Stradivari-Geigen als Investitionen
Das Investieren in Stradivari-Geigen erwies sich in den letzten Jahrhunderten als äußerst lukrativ, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wertsteigerung von etwa 10%. Diese Instrumente sind nicht nur Objekte für Musiker, sondern auch begehrte Anlageinstrumente bei wohlhabenden Sammlern und Investoren. Eine klare Differenzierung zwischen klanglich herausragenden Instrumenten und solchen von geringerer Klangqualität gibt es bei Stradivari-Geigen, wobei die Geschichte und Provenienz eines Instruments den Preis erheblich beeinflussen. Der Markt für solche Instrumente bleibt jedoch in gewisser Weise illiquide, da der Kauf reiche Privatanleger erfordert.
Die Zukunft des Geigenbaus und der Technologietransfer
Geigenbauer von heute stehen vor der Herausforderung, instrumentale Technologien zu verbinden und eigenen Stil zu entwickeln, während sie gleichzeitig von den Traditionen der alten Meister lernen. Es gibt bereits vielversprechende zeitgenössische Geigenbauer, deren Arbeiten als potenzielle zukünftige Klassiker betrachtet werden könnten, insbesondere in Verbindung mit steigenden Preisen und einem wachsenden Markt. Die zukünftige Tokenisierung von Musikinstrumenten könnte neues digitales Anlagemöglichkeiten eröffnen und somit eine breitere Beteiligung am Markt ermöglichen. Eine solche Entwicklung könnte dazu führen, dass sowohl historische als auch moderne Musikinstrumente als Vermögenswerte für eine breitere Öffentlichkeit zugänglicher werden.
In Handelsblatt Disrupt geht es diese Woche um eine Technologie, die ihren Höhepunkt schon vor rund 300 Jahren erreicht hat – den Geigenbau.
Wie es möglich ist, dass der Klang der Stradivari bis heute unübertroffen bleibt, und was die Preise in schwindelerregende Höhen treibt, diskutiert Chefredakteur Sebastian Matthes mit Stradivari-Experte und Buchautor Jost Thöne. Thöne, der seit mehr als 36 Jahren Stradivaris studiert, hat diese Qualität von Geigenbau bisher nur in Italien gefunden. „Ich habe das Gefühl, dass Italiener über ein bestimmtes Gen verfügen, das wir alle so nicht in der Form haben, nämlich das Design. Die haben ein Talent dafür, Formen zu kreieren, die ich in anderen Ländern nicht finde“, so Thöne.
Neben der künstlerischen und musikalischen Bedeutung werden Streichinstrumente auch als Anlageobjekte gehandelt. Thöne beobachtet ein wachsendes Interesse in den letzten zehn Jahren. „Die Champions League, darunter Stradivaris, Guarneri del Gesù, Guardaninis, die machen zurückgerechnet über die letzten 100 Jahre ungefähr zehn Prozent Rendite pro Jahr“, so Thöne. Bei neueren Geigen liege die Rendite bei fünf bis acht Prozent. „Wenn ich heute ein Instrument kaufe und es vielleicht eine Generation halte, dann wird es sehr, sehr spannend.“
Sie sprechen auch über die Möglichkeit der Tokenisierung von Instrumenten, die Thöne als zukunftsweisende Technologie sieht. „Beispielsweise können Werte tokenisiert, also verkauft werden, und ein Museum bekommt immense Summen in die Kasse gespült, ohne dass das Objekt das Museum verlässt.“ Das Geld, das daraus generiert wird, kann wieder für edukative Zwecke eingesetzt werden. „Die Demokratisierung der Stradivaris ist dann technisch möglich“, so Thöne. „Der einzige Punkt, der bisher nicht funktioniert, ist die rechtliche Situation.“