Bauernkrieg, Folge 1: FREIHEIT! GERECHTIGKEIT! AUFRUHR!
Dec 14, 2024
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Die australisch-britische Historikerin Lyndal Roper erläutert die Hintergründe des Bauernkriegs von 1525, während Viktoria Rö archäologische Perspektiven einbringt. Sie sprechen über die Ursachen des Aufstands, der aus sozialer Ungerechtigkeit und der Reformation resultierte. Die "Zwölf Artikel" der Bauern werden als frühes Dokument der Menschenrechte diskutiert. Zudem beleuchten sie, warum der Bauernkrieg heute oft im Schatten der Reformation steht und die brutalen Repressionen, die die Aufständischen erlitten, während sie für Freiheit und Gerechtigkeit kämpften.
Der Deutsche Bauernkrieg von 1525 stellte einen der größten Aufstände der europäischen Geschichte dar, geprägt von sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten.
Die Reformation und die Ideen von Martin Luther boten den Bauern eine religiöse Rechtfertigung für ihren Widerstand gegen Adel und Kirche.
Trotz der brutal blutigen Konflikte und einer hohen Opferzahl ist der Bauernkrieg in der deutschen Geschichtskultur oft kaum präsent.
Deep dives
Der Deutsche Bauernkrieg von 1525
Der Deutsche Bauernkrieg von 1525 stellt einen der größten Aufstände in der europäischen Geschichte vor der Französischen Revolution dar. In nur drei Monaten, von April bis Juni, erlebten die Bauern brutale und blutige Konflikte gegen den Adel und die Kirche, aus denen Zehntausende von Menschen das Leben verloren. Historiker schätzen die Todeszahlen auf etwa 70.000 bis 100.000, was in etwa der Bevölkerungszahl größeren Städten der damaligen Zeit entspricht. Diese Aufstände gründeten sich auf der Unzufriedenheit der Bauern über drückende Abgaben, Leibeigenschaft und die Macht der Kirche, die für lange Zeit als legitim betrachtet wurde.
Ursachen der Unzufriedenheit
Die Unzufriedenheit der Bauern hatte vielfältige Ursachen, unter anderem die stark zunehmenden Abgaben und die Leibeigenschaft, die eine erdrückende soziale Struktur bildeten. In einer Zeit, in der das einfache Rittertum und die Bauern unter dem Druck des beginnenden Kapitalismus litten, waren die Bauern gezwungen, immer mehr von ihren Erträgen abzugeben, während sie selbst in wirtschaftlicher Not lebten. Auch die Missernten aufgrund der kleinen Eiszeit trugen zur Notlage der Bauern bei, was zu einem Anstieg der Spannungen und letztlich zu offenen Aufständen führte. Diese wirtschaftlichen und politischen Belastungen führten dazu, dass Bauern sich Geheimbünden anschlossen, um gegen die Obrigkeit zu kämpfen.
Einfluss der Reformation
Die Reformation und die Ideen von Martin Luther spielten eine zentrale Rolle im Bauernkrieg, indem sie den Bauern neue Gedanken und eine religiöse Rechtfertigung für ihren Widerstand lieferten. Die Vorstellung, dass die Menschen nicht auf den Adel und die Kirche angewiesen seien, um gute Christen zu sein, fand breite Zustimmung. Thomas Münzer, ein prominenter Vertreter der Reformation, führte vor allem die theologische Dimension in die Auseinandersetzungen ein, in dem er für die Belange der Bauern eintrat. Diese Beziehung zwischen Reformation und Bauernunruhen bildete einen wichtigen Hintergrund für den Aufstand, der sich schnell von Region zu Region ausbreitete.
Schlachten und Konflikte
Die Bauern hießen die ersten Konflikte in Form von plumpen Ressentiments gegen den Adel und die Kirchen, doch der Konflikt eskalierte schnell in blutige Kämpfe. Die bekanntesten Schlachten, wie die von Leibheim, Weinsberg und Frankenhausen, machten die Brutalität des Krieges deutlich, wo Tausende von Bauern niedergemetzelt wurden. Besonders die Bluttat von Weinsberg, bei der Adelige brutal getötet wurden, sorgte für Entsetzen unter den Fürsten und führte zu heftigen Vergeltungsmaßnahmen. Infolge der schnellen Niederlagen erlitten die Bauern zunehmend Verluste, was die Rebellion schließlich niederdrückte.
Langfristige Bedeutung und Erinnerungswürdigkeit
Trotz seiner horrenden Konsequenzen und der Tatsache, dass der Bauernkrieg viele Länder und Regionen beeinflusste, ist die Erinnerung daran in der deutschen Kultur vergleichsweise schwach ausgeprägt. Die unterschiedlichen Interpretationen über die Ursachen und Folgen des Krieges, von sozialpolitischen Armutsaufständen bis hin zu religiösen Motiven, haben dazu beigetragen, dass er oft als blinde Stelle in der deutschen Geschichte betrachtet wird. In der modernen Forschung wird verstärkt untersucht, welche sozialen und wirtschaftlichen Dynamiken zu diesem Aufstand führten und wie diese im Kontext der Reformation zu sehen sind. Diese historische Analyse zeigt, dass der Bauernkrieg nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Bauern und Adel war, sondern auch ein Zeichen für tiefere gesellschaftliche Umbrüche.
Im Frühling 1525 geht ein Beben durch den Süden Deutschlands: Bauern überfallen Klöster, erobern Städte und lehren die Fürsten das Fürchten. Angeführt von Männern wie dem Raubritter Götz von Berlichingen und dem Prediger Thomas Müntzer rütteln sie an der Macht der Fürsten. Vom Elsass bis nach Salzburg, vom Harz bis nach Tirol breitet sich der Bauernkrieg wie ein Lauffeuer aus. Schon stellen die Fürsten ein Söldnerheer auf, um den Aufruhr niederzuschlagen. Was macht die Landleute so mutig?
In zwei Sendungen widmen wir uns der Geschichte des deutschen Bauernkrieges, des größten Aufstandes der europäischen Geschichte vor der Französischen Revolution. In der ersten Folge breiten wir die Karte aus und schauen, wo die Bauern sich zuerst verbrüderten, wo sie in ihren großen Gruppen, den Bauernhaufen, langzogen und plünderten und kämpften. Wir sprechen mit der bekannten australisch-britischen Historikerin Lyndal Roper darüber, wie es in einem solchen Bauernhaufen eigentlich zuging – und welche Rolle die Reformation für die Aufständischen spielte. Nur wenige Jahre zuvor hatte Martin Luther den Papst und den Kaiser mit seinen Thesen herausgefordert.
Wir fragen uns, warum der Bauernkrieg heute im Gegensatz zur Reformation weitgehend vergessen ist – und rufen die "Zwölf Artikel" in Erinnerung, das Manifest der Bauern, ein frühes Dokument der Menschenrechte. Der Bauernkrieg hat Ideen hinterlassen, die nichts an Aktualität verloren haben.
In der zweiten Sendung widmen wir uns in der kommenden Woche der Rolle der Theologen: Wie kam es zum Streit zwischen Martin Luther und seinem Widersacher Thomas Müntzer? Was unterschied sie? Mehr zum Thema, zum Beispiel ein ausführliches Gespräch mit der Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper über die Bauernproteste der Gegenwart, einen archäologischen Besuch auf einem Schlachtfeld und ein Porträt des Götz von Berlichingen, finden Sie in der neuen Ausgabe des Magazins ZEIT Geschichte.
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Empfehlen möchten wir unseren Hörerinnen und Hörern folgende Bücher, die wir für die Recherche benutzt haben:
Lyndal Roper – "Für die Freiheit. Der Bauernkrieg 1525", S. Fischer Verlag, München 2024
Thomas Kaufmann – "Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis", Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2024
Gerd Schwerhoff – "Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung", C. H. Beck Verlag, München 2024
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