Ep. 274: VW-Krise, Lindner-Papier – ist Deutschlands Wohlstandsmodell am Ende?
Nov 6, 2024
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Volkswagen steht vor enormen Herausforderungen, darunter Werksschließungen und Lohnkürzungen. Das Unternehmen hebt die Beschäftigungsgarantie auf und plant drastische Sparmaßnahmen. Ökonomen warnen vor den Folgen der verpassten E-Auto-Transformation. Gleichzeitig sorgt ein neues neoliberales Papier von Finanzminister Lindner für politische Spannungen. Die Episode beleuchtet die Risiken für die soziale Marktwirtschaft und diskutiert die Zukunft der Mobilität in Deutschland, während die kulturellen Spannungen rund um Elektromobilität thematisiert werden.
Volkswagen sieht sich aufgrund jahrelangen Missmanagements gezwungen, drastische Sparmaßnahmen zu ergreifen, die massive Lohnkürzungen und Werksschließungen nach sich ziehen könnten.
Das stagnierende Wirtschaftswachstum in Deutschland wirft Fragen zur Tragfähigkeit des sozialen Marktwirtschaftsmodells auf und erfordert eine grundlegende Transformation der Wirtschaft.
Deutschland hinkt im Bereich der Elektromobilität hinterher, was die Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb erheblich gefährdet und innovative Lösungen nötig macht.
Deep dives
VW unter Druck: Unternehmenskrise und Lohnsenkungen
Volkswagen steht vor erheblichen Herausforderungen, die durch jahrelanges Missmanagement verursacht wurden. Das Unternehmen hat angekündigt, dass mehrere Werke geschlossen werden könnten und zudem Lohnsenkungen von 10 Prozent erforderlich sind. Dies geschieht trotz der Tatsache, dass VW weiterhin hohe nominelle Gewinne erzielt, was auf einen dramatischen Rückgang des operativen Gewinns von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinweist. Diese Maßnahmen zeigen, dass das Unternehmen seine Probleme auf Kosten der Belegschaft lösen möchte, während Führungspositionen oft unberührt bleiben.
Wachstumssorgen in der deutschen Wirtschaft
Die allgemeine wirtschaftliche Lage Deutschlands ist besorgniserregend, mit einem mageren Wachstum von nur 0,2 Prozent im letzten Quartal, was das Land hinter den Erwartungen zurückbleiben lässt. Dies verstärkt die Diskussion, ob das deutsche Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft noch tragfähig ist, insbesondere angesichts der Probleme in der Automobilindustrie. In diesem Kontext wird auch auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Transformation in der deutschen Wirtschaft hingewiesen, die auf innovative Technologien und nachhaltige Praktiken abzielt. Mit stagnierenden Wachstumsraten ergibt sich die Frage, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern kann.
E-Mobilität und technologische Rückständigkeit
Deutschland hinkt im Bereich der Elektromobilität hinterher, während Länder wie China schnell Fortschritte machen. China hat durch staatliche Industriepolitik und massive Investitionen in die E-Ladeinfrastruktur die Voraussetzungen für den Erfolg elektrischer Fahrzeuge geschaffen. In Deutschland sind insgesamt nur 100.000 öffentliche Ladepunkte verfügbar, während China mehr als 10 Millionen hat, was die Schwere der Situation verdeutlicht. Diese Versäumnisse haben weitreichende Folgen für die deutsche Automobilindustrie und gefährden deren Zukunft im internationalen Wettbewerb.
Software und Elektronik: Die neue Herausforderung
Die Automobilindustrie steht vor einer grundlegenden Transformation, die nicht nur den Übergang zu Elektrofahrzeugen, sondern auch die Digitalisierung der Fahrzeuge umfasst. VW musste erkennen, dass die Entwicklung von Software und Halbleitern für moderne Autos entscheidend ist, hat jedoch in diesen Bereichen versäumt, mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Der gescheiterte Versuch, die eigene Software-Entwicklung voranzutreiben, bleibt ein Achillesferse für das Unternehmen, das nun auf Partnerschaften angewiesen ist. Ohne signifikante Fortschritte könnte VW in einem Markt, der zunehmend von Technikern dominiert wird, weiter ins Hintertreffen geraten.
Soziale Auswirkungen der Unternehmenspolitik
Die Maßnahmen von VW, einschließlich der angekündigten Lohnsenkungen, werfen Fragen zu den sozialen Verantwortlichkeiten von Unternehmen auf. Es wird deutlich, dass die Profitabilität oft über das Wohlergehen der Mitarbeiter gestellt wird, was den aktuellen Arbeitskampf zwischen Gewerkschaften und Unternehmensführung verschärft. Diese Entwicklung könnte weitreichende soziale Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn die IG Metall aufgrund von Arbeitsplatzverlusten und Lohnerhöhungen an Einfluss verliert. Solche Veränderungen könnten das bereits angegriffene Wohlfahrtsmodell in Deutschland weiter destabilisieren und die soziale Ungleichheit fördern.
Wohlstand für Alle
Volkswagen befindet sich in einer schweren Krise, die weit über das Unternehmen hinausweist: Der Konzern plant drastische Sparmaßnahmen, die möglicherweise die Schließung von mindestens drei Werken in Deutschland und den Abbau von zehntausenden Arbeitsplätzen umfassen.
Der Vorstand hat die seit 1994 geltende Beschäftigungsgarantie aufgekündigt, was nun betriebsbedingte Kündigungen ermöglicht. Die Arbeiter bei VW sollen zudem zehn Prozent Lohnkürzung hinnehmen und Nullrunden für zwei weitere Jahre akzeptieren. Top-Ökonomen fordern erneut ein Ende des Verbrenner-Aus, weil man die E-Auto-Transformation verschlafen hat.
Und da dies noch alles nicht schlimm genug zu sein scheint, kommt Finanzminister Christian Lindner mit einem Papier daher, das eine neue neoliberale Wende vollziehen will. Wir erleben derzeit, wie das Wohlstandsmodell und der Sozialstaat abgewickelt werden.
Mehr dazu von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt in der neuen Folge von „Wohlstand für Alle“!
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Literatur/Quellen:
Jörn Boewe/Johannes Schulten: "Das Versagen der europäischen Autoindustrie", online verfügbar unter: https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/september/das-versagen-der-europaeischen-autoindustrie.
Leon Berent: "Die VW-Party ist vorbei! Der Widerstand der Mitarbeiter schadet ihnen selbst", online verfügbar unter: https://www.stern.de/wirtschaft/vw--der-widerstand-der-mitarbeiter-schadet-ihnen-selbst-35179860.html.
Interview mit Clemens Fuest im Handelsblatt:
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ifo-praesident-fuest-wenn-vw-zusammenbricht-waere-das-eine-katastrophe/100084536.html.
Veranstaltungen:
Wolfgang ist am 13.11. in Koblenz zu Gast:
https://koblenz.dgb.de/++co++6b592dbc-74c8-11ef-8f88-11814bd0c9e1
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